GI-Radar 217: Steht die Maschine still?

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in den Kurzmitteilungen geht es – wie im letzten GI-Radar angekündigt – unter anderem um IT-Innovationen im Fußball. Im Thema im Fokus geht es um den Datenschutz und sein Imageproblem. Das Fundstück ist ein Hörspiel zu einem aktuellen Thema.

Viel Spaß mit der Lektüre dieser Ausgabe!

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Open Source in Schleswig-Holstein + Digitalpakt + Datenanalyse im Fußball + TeaHub + Imageproblem des Datenschutzes + Digitale Inhalte für Historiker + Informatik in der Grundschule + Urheberrechtsverletzungen + Die Maschine steht still

KURZMITTEILUNGEN

Schleswig-Holstein steigt um auf Open Source (heise). In München wurde das Rad zurückgedreht, Schleswig-Holstein will die Abhängigkeiten der öffentlichen Verwaltung von einzelnen Softwareanbietern – sprich Microsoft – so weit wie möglich reduzieren. Dahinter steht das Ziel einer „vollständigen Ablösung von Closed Source“ durch quelloffene Software.  weiterlesen

Fortschritt beim Digitalpakt (Blog von Jan-Martin Wiarda, 10 min). Vor zwei Wochen traf sich die Kultusministerkonferenz mit Bildungsministerin Karliczek. Der Digitalpakt soll beschlossen werden sobald der neue Grundgesetz-Artikel 104c Bundestag und Bundesrat passiert hat und damit das Kooperationsverbot gelockert wurde. Wir sind gespannt.  weiterlesen

WM 2018: IT-basiertes Gegenpressing (Handelsblatt). Im Profi-Fußball ist die automatische Auswertung von Spielsituationen inzwischen weit verbreitet. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nutzt beispielsweise Tools um u.a. alle Situationen zu suchen, in denen eine Mannschaft nach einem Ballverlust direkt den Gegner unter Druck setzt (sog. Gegenpressing).  weiterlesen

TeaHub will neues GitHub werden (heise). Viele Betreiber von FOSS-Projekten (Free and Open Source Software) suchen derzeit nach Alternativen zu GitHub, das nun zu Microsoft gehört. Die nichtkommerzielle Plattform TeaHub will dessen Nachfolger werden.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Der Datenschutz in Deutschland hat ein Imageproblem. Die unzureichende Erläuterung der Datenschutzgrundverordnung durch die Bundesregierung hat die Verunsicherung auf die Spitze getrieben. Influencer wie Thomas Knüwer (Indiskretion Ehrensache) und Sascha Lobo (Debatten-Podcast) setzten sich ausführlich mit den Unzulänglichkeiten auseinander. Anfang des Monats hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun entschieden, dass fortan Betreiber von Facebook-Seiten für mögliche Datenschutzverstöße von Facebook haftbar gemacht werden können. Und wieder ist die Aufregung groß (Spiegel).

Was fehlt? Aufklärung. Die Betreiber von Facebook-Seiten sollten nicht in Panik verfallen, sagt der Jurist Thomas Schwenke. Zum einen würden die Datenschutzbehörden zunächst die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) abwarten (heise). Zum anderen seien die Aufsichtsbehörden an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden; sie würden wohl kaum gegen jeden Facebook-Seitenbetreiber vorgehen.

Beim Datenschutz bedarf es einer Sensibilisierung in der Fläche: Angesichts des EuGH-Urteils hat die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder Anforderungen formuliert, die von den Betreibern von Fanpages und von Facebook umzusetzen sind. Demnach müssen Besucher von Facebook-Fanpages transparent und in verständlicher Form darüber informiert werden, welche Daten zu welchen Zwecken durch Facebook und die Fanpage-Betreiber verarbeitet werden. 

Laut Marit Hansen vom ULD soll vor allem der Druck auf Facebook erhöht werden: „Facebook behauptet von sich selbst, das Angebot sei datenschutzkonform. Dann sollte es doch ein Leichtes sein, dass unverzüglich die nötigen Maßnahmen getroffen werden, damit sowohl Facebook als auch die Facebook-Fanpage-Betreiber ihrer Verantwortung nachkommen. Facebook muss endlich Butter bei die Fische tun“ (ULD). Wir werden im Rahmen der GI-Jahrestagung mit ihr auch über dieses Thema diskutieren (informatik2018.de). Auch wir fordern, dass Facebook seiner Verantwortung gerecht wird und einen datenschutzfreundlichen Betrieb von Fanseiten ermöglicht (GI-Pressemitteilung).

In eine andere, aber damit eng verbundene Diskussion kommt Bewegung: Das schlechte Image des Datenschutzes hat auch mit den Abmahnpraktiken in Deutschland zu tun. Der Jurist und Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte Ulf Buermeyer sagt, dass das eigentliche Problem darin bestehe, „dass es in Deutschland überhaupt die Möglichkeit gibt, vermeintliche Rechtsverletzungen abzumahnen und dafür die Anwaltskosten in Rechnung zu stellen. In praktisch allen anderen Rechtsordnungen würde in diesen Fällen entweder gar nichts passieren – oder es würde eine freundliche Mail geschickt, um den Fehler korrigieren zu lassen“ (Netzpolitik).

Nun will die Justizministerin gegen das Abmahnwesen vorgehen: „Wir werden professionellen Abmahnern das Wasser abgraben. Dafür brauchen wir eine umfassende Lösung“, sagte Barley auf handelsblatt.com. „Gerade kleine Unternehmen und Selbständige, aber auch Vereine und Privatpersonen brauchen einen wirksamen Schutz vor dem Treiben von professionellen Abmahnern.“

Überraschende Unterstützung für den Datenschutz kommt von Seiten der Betreiber: So kommt eine Studie des Borderstep Institut zum Ergebnis, dass der Datenschutz dazu geführt hat, dass der deutsche Markt für Rechenzentren wächst (GI-Webseite). Erkenntnisse wie diese helfen dem Datenschutz, aus der Defensive zu kommen.

Diesen Text haben GI-Geschäftsführer Daniel Krupka und GI-Vizepräsident Alexander von Gernler verfasst. Vielen Dank! Themenvorschläge für das Thema im Fokus nehmen wir unter redaktion@gi-radar.de entgegen.

GI-MELDUNGEN

Digitale Inhalte für Historiker: GI-Fachgruppensprecher Jens Crueger im Gespräch (Weser-Kurier). Es könnte eine unglaubliche Fundgrube für Historiker sein, was Menschen im Web posten. So einfach ist das aber nicht, da es im Web kein „too big to fail“ gibt. Was heute noch verfügbar ist, kann morgen bereits verschwunden sein. Damit wird es für sogenannte „Digital-Historiker“ immer schwerer, Dinge dauerhaft zu bewahren.  weiterlesen

Informatik in der Grundschule: wie geht das? Innerhalb des Fachbereichs „Informatik und Ausbildung“ werden derzeit Empfehlungen für „Kompetenzen für informatische Bildung im Primarbereich“ erarbeitet – sprich für die Vermittlung erster Informatikinhalte in der Grundschule. Die Autorinnen und Autoren haben nun eine Entwurfsfassung vorgelegt und bitten bis Ende Juli um sachdienliche Kommentare.  weiterlesen

In eigener Sache: Urheberrechtsverletzungen vermeiden! Immer wieder passiert es, dass unsere Gliederungen frei verfügbare Bilder verwenden, ohne die Quelle korrekt zu nennen. Hierfür wird die GI regelmäßig (auch finanziell) zur Verantwortung gezogen. Bitte achten Sie unbedingt darauf – sofern Sie GI-Webseiten pflegen – Ihre Quellen korrekt anzugeben. Ein einfach zu handhabendes Tool für eine korrekte Lizenzangabe bei Wikimedia/Wikipedia haben wir für Sie hier verlinkt.  weiterlesen

FUNDSTÜCK

Die Maschine steht still. Von der Entwicklung intelligenter Systeme versprechen wir uns eine Verbesserung unserer Lebensbedingungen. Aber wie können wir verhindern, dass wir die Kontrolle über solche Systeme verlieren? Wie verhindern wir, dass wir unser Leben den Entscheidungen intelligenter Maschinen unterwerfen? Diesen Fragen müssen wir uns heute stellen. Tatsächlich wurden sie schon vor mehr als 100 Jahren thematisiert. Edward Morgan Forster entwarf in „Die Maschine steht still“ eine dystopische Welt in einer fernen Zukunft, die auf verblüffende Weise bereits dem „modernen“ Heute gleicht. Der Hamburger Autor, Komponist, Musiker und Hörspielmacher Felix Kubin haucht der 1909 veröffentlichten Prophezeiung neues Leben ein und lässt sie in einem Hörspiel eine klangliche Antwort auf ihre Konstrukteure, die Menschen, formulieren.  Zum Hörspiel (NDR, 80 min.)

Dieses Fundstück hat GI-Präsidiumsmitglied Ira Diethelm vorgeschlagen. Vielen Dank!

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 217 des GI-Radars. Erstellt hat diese Ausgabe Dominik Herrmann am Rande der GI-Präsidiumssitzung in Bonn, auf der leidenschaftlich über die neuen Ethischen Leitlinien der GI diskutiert wurde. Die GI-Mitteilungen hat GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 13. Juli 2018.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) oder Facebook zukommen lassen.