GI-Radar 225: Menschliches Multitasking

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

neue Technologien beanspruchen unsere Aufmerksamkeit. Im Thema im Fokus geht es um den Stress, der durch das andauernde Multitasking entsteht. Zum Ausgleich könnten wir uns beim Lesen eines Buchs entspannen – das geschieht aber immer seltener (siehe Kurzmitteilungen). Keine Ruhe finden Sie jedenfalls bei unserem Fundstück, das dieses Mal zum Spielen bzw. Abspielen einlädt.

Nun wünschen wir Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!

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Bücher lesen + KI in 30 Jahren + unkonzentriertes Lesen + 36 Mio. für ZITiS + Minerva Award geht nach Deutschland + Menschliches Multitasking + informatiCup 2019 gestartet + Gesundheits-Apps kritisch prüfen + 24 digitale Schulen in BaWü ausgezeichnet + Wellenformen

KURZMITTEILUNGEN

Wer liest noch Bücher (FAZ)? Schadet die Digitalisierung dem sich Verlieren in einer langen Geschichte auf Papier? In einem Kommentar warnt Friedtjof Küchemann davor, die Digitalisierung des Lesens und Lernens gegen das Lesen von Büchern auszuspielen, wie dies von Verfechtern beider Seiten gerne getan wird. Tatsächlich aber scheint das Lesen auf Geräten mehr Ablenkung und weniger Konzentration zu forcieren. Hier sind Vorbilder gefragt.  weiterlesen

In 30 Jahren ist eine Maschine so schlau wie unser Hirn (SZ, 8 min). Der KI-Forscher Jürgen Schmidhuber erklärt in einem Interview, wie er zur KI kam, warum er glaubt, dass es absehbar ist, wann ein Rechner unser Gehirn (zumindest in Teilen) überflügeln kann und warum Deutschland sich mit seinen Erfindungen einfach nicht gut genug vermarktet.  weiterlesen

Sie lesen gar nicht konzentriert! (ZEIT, 7 min). Auch wenn wir glauben, dass wir uns auf eine Sache konzentrieren können, scheint das nicht zu stimmen, wie Tests mit Menschen vor Bildschirmen zeigen. Wobei die Frage ist, ob das permanente Abschweifen in Gedanken durch den Konsum digitaler Informationen zunimmt.  weiterlesen

36 Millionen für IT-Behörde (Netzpolitik, 12 min). Im Bundeshaushalt für das Jahr 2019 werden 36 Millionen Euro für ZITiS (Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich) eingeplant. Ein Drittel davon soll auf Personal entfallen. Allerdings – so Netzpolitik – hat die Behörde Schwierigkeiten, geeignete Fachleute zu finden, die für den Bund arbeiten wollen.  weiterlesen

Minerva Equality Award geht nach Deutschland (Informatics Europe). Die Fakultät für Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik der Universität Bamberg wird für ihr Maßnahmenbündel ausgezeichnet, mit dem sie den Frauenanteil in den Informatikstudiengängen innerhalb von 10 Jahren auf 30 Prozent verdoppeln konnte.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Menschliches Multitasking. Betrachtet man die Prävalenz von psychischen Erkrankungen, so fällt auf, dass diese eher zu- als abnehmen (aertzeblatt.de). Die (statistische) Zunahme von Stress und psychischen Krankheiten wird auch auf die bessere Erfassung und veränderte Diagnosegewohnheiten von Ärzten zurückzuführen sein (Psychosomatik Online).

Unter den Risiken, die psychischen Erkrankungen begünstigen, finden sich immer wieder Punkte wie „stark gestiegener Medienkonsum (TV, Internet, Smartphones)“. Inzwischen gibt es Forschungsgruppen, die sich dem Thema „digitaler Stress“ widmen (FAU Erlangen). Darüber hinaus stellt man im gesellschaftlichen Diskurs immer wieder fest, dass „neue Medien“ schnell zur Verantwortung gezogen werden, wenn es um Arbeitsüberlastung durch Multitasking geht. Volkswagen, Europas größter Autohersteller, deaktivierte im Jahr 2011 nach Feierabend die Zustellung von E-Mails an Mitarbeiter, um Stress zu reduzieren (Zeit Online). Die Untersuchung dieser Themen ist angesichts der oben genannten Entwicklungen von besonderer Relevanz.

Es stellt sich die Frage, welche Rolle die Informatik und die „Digitalisierung“ im Kontext stressgeplagter Gesellschaften spielen. Anhänger der „Methode Spitzer“ (Spiegel Online) verbreiten dabei allzu gerne provokante Theorien, die sich gut verkaufen. Tatsächlich gibt es aber bislang keinen Beleg dafür, dass der Einsatz von informationstechnischen Systemen automatisch „cyberkrank“ macht (was Manfred Spitzer in einigen seiner Bücher behauptet).

Informatik kann vom Menschen gestaltet werden; sie kann Stress erzeugen, aber auch erheblich zur Stressreduktion beitragen. Das Feld Mensch-Computer-Interaktion beschäftigt sich intensiv mit dieser Aufgabe. So können IT-Systeme etwa nur diejenigen Informationen bereitstellen, die ein Nutzer des Systems in seiner derzeitigen Verfassung verarbeiten kann. Darüber hinaus kann Informatik auch zur Förderung der mentalen Gesundheit beitragen, etwa im Bereich „E-Health“ (aerztezeitung.de).

Es liegt an uns Informatikerinnen und Informatikern, den positiven Einfluss der Informatik darzustellen und das mentale Wohlergehen von Nutzerinnen und Nutzern informationstechnischer Systeme in den Mittelpunkt zu stellen. Informatik ist nicht das Problem einer gestressten Gesellschaft, sie kann aber sehr wohl ein Teil der Lösung sein.

Filmtipp zum Thema im Fokus: „Menschliches Multitasking: Immer vernetzt: Überfordern wir unser Gehirn?“ (ARTE bzw. YouTube).

Diesen Beitrag hat GI-Junior-Fellow Tim Philipp Schäfers verfasst. Vielen Dank! Ihre Themenvorschläge können Sie uns gerne per E-Mail an redaktion@gi-radar.de senden.

GI-MELDUNGEN

informatiCup 2019 gestartet. Ab sofort sind die Aufgaben unseres Studierendenwettbewerbs informatiCup online. Bis Ende November können sich Teams zur Teilnahme anmelden. Es gibt attraktive Preise und jede Menge Erfahrungen.  weiterlesen

Nutzung von Gesundheits-Apps vorab kritisch prüfen. Der GI-Präsidiumsarbeitskreis „Datenschutz und IT-Sicherheit“ hat sich mit dem Thema Gesundheits-App beschäftigt und warnt vor allzu unbegründetem Vertrauen in die Werkzeuge.  weiterlesen

24 „digitale Schulen“ in Baden-Württemberg ausgezeichnet. Leonore Dietrich als Sprecherin der GI-Fachgruppe der Informatiklehrerinnen und -lehrer in Baden-Württemberg wies in diesem Kontext auf die Bedeutung des Schulfaches Informatik quer durch alle Stufen und Schulformen hin.  weiterlesen

FUNDSTÜCK

Wellen im Browser formen. Unser Fundstück befasst sich mit dem Konzept der Wellenform, also der Erzeugung von Tönen. Die ansprechend gestaltete Webseite kombiniert interaktive Elemente mit gut verständlichen Erklärungen. Dieses Format demonstriert, wie man durch Technik nichttriviale Konzepte anschaulich erklären kann.   Zum Beitrag (Pudding.cool)

Dieses Fundstück hat uns Martin Müller vorgeschlagen. Vielen Dank! Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 225 des GI-Radars. Zusammengestellt wurde diese Ausgabe von Dominik Herrmann, der sich so etwas wie die Wellenform-Webseite schon damals in seinem Physikunterricht gewünscht hätte. Die GI-Mitteilungen hat GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 26. Oktober 2018.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) oder Facebook zukommen lassen.