Predictive Policing: Die deutsche Polizei zwischen Cyber-CSI und Minority Report

Polizeibehörden versuchen per Predictive Policing zu prognostizieren, wo demnächst eingebrochen wird. Nur Phantasievorstellungen à la Precrime aus "Minority Report? Keineswegs: Überblick und Hintergrund zur "vorausschauenden Polizeiarbeit".

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Polizei
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Von
  • Ulrike Heitmüller
Inhaltsverzeichnis

Beim öffentlich rechtlichen "Tatort" schreiben sie noch auf Flipcharts und pieksen Zettelchen mit Stecknadeln an die Pinnwand. Hier aber ist die Realität der Phantasie ausnahmsweise einmal voraus: Immer mehr Polizeien nutzen "Predictive Policing". Das bedeutet "vorausschauende Polizeiarbeit" und bezeichnet "die Verwendung mathematischer Modelle, um Tatwahrscheinlichkeiten vorherzusagen und durch operative Maßnahmen, beispielsweise erhöhte polizeiliche Präsenz, auf diese reagieren zu können" .

Die Realität sieht also anders aus als der Tatort, aber eigentlich täuscht der Anschein: "Nadelstecken ist immer noch das Konzept, aber nicht mehr mit Stecknadeln, sondern mit Software", sagen Stephan Harnau und Michael Cornelius vom Berliner LKA. Das zugrunde liegende System sei das einer "Dichtekarte", auf der "schnelle zeitliche Häufung und große räumliche Nähe" dargestellt würden.
Und – aber das nur nebenbei – in der Realität geht es, anders als beim Tatort, (zunächst) nicht um Morde, sondern zumindest in Deutschland fast immer um Wohnungseinbruchdiebstähle.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Polizeibehörden versuchen per Predictive Policing zu prognostizieren, wo demnächst wahrscheinlich eingebrochen wird, und dann natürlich den Einbruch zu verhindern.

Das Prinzip funktioniert so: Wohnungseinbruchdiebstähle werden oft von Serientätern begangen. Die haben erstens ein bestimmtes Tatmuster und probieren es zweitens in der Nähe bald wieder. Das ist lange bekannt, und das darzustellen ist auch der Sinn von Flipchart und Pinnwand. Neu ist die Nutzung von IT: Polizeibehörden versuchen, Muster besser zu erkennen und so zum Beispiel einfacher und genauer herauszufinden, ob ein Serientäter am Werk war – der womöglich bald wiederkommt. Oder ein Einmaltäter, den man zwar zu ermitteln versucht, bei dem man aber nicht gegen die Rückkehr vorbeugen muss.

Ende November 2016 fand im Bundeskriminalamt (BKA) eine Fachtagung mit Vertretern der Landeskriminalämter (LKA) dazu statt, Ende Januar 2017 noch mal ein ergänzender Workshop. In Berlin, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen laufen oder liefen Pilotprojekte, Studien werden beziehungsweise wurden in Brandenburg und Hamburg durchgeführt, während Bayern bereits mit Predictive Policing arbeitet. Je nach Bundesland stammt die Software von einem externen Anbieter, die dann vielleicht weiterentwickelt wird, oder ist eine Eigenentwicklung. Die meisten Landeskriminalämter testen es zunächst in einer überschaubaren Anzahl von Polizeidirektionen, sie erproben ihre Prognosen auf der Basis unterschiedlicher und unterschiedlich gewonnener Daten. Allen geht es um Wohnungseinbrüche, die ersten beginnen aber auch mit dem Einsatz bei anderen Delikten.

Das LKA Hamburg setzt sich seit dem Jahr 2014 mit dem Thema auseinander und derzeit läuft das wissenschaftliche Forschungsprojekt "Prädiktionspotenzial schwere Einbruchskriminalität". Ziel ist die Prüfung, ob die Methode überhaupt für den Einsatz in Städten wie Hamburg mit sehr hohem Urbanitätsgrad geeignet ist. Im Rahmen des Forschungsprojekts wird auch ein Auswertesystem entwickelt. Das Projekt soll bis Ende 2017 laufen und wird im Rahmen einer eigenen Schriftenreihe publiziert.

Das LKA Bayern ist am weitesten: Hier wird die Methode schon verwendet, und zwar mit der Software Precobs des Instituts für musterbasierte Prognosetechnik aus Oberhausen. Diese Software "wird gemeinsam weiterentwickelt", erklärt Projektleiter Günter Okon, der Leiter des Sachgebiets Analyse im bayerischen LKA (BLKA). Von Oktober 2014 bis Juli 2015 wurde eine Machbarkeitsstudie durchgeführt und durch die Kriminologische Forschungsgruppe beim BLKA begleitet. Seitdem wird es vom BLKA sowie den Polizeipräsidien München und Mittelfranken produktiv verwendet.

In Baden-Württemberg war Predictive Policing als einer von zehn Investitionsschwerpunkten in den Jahren 2015 und 2016 vorgesehen. Am 30.10.2015 wurde, ebenfalls mit Precops, ein Pilotprojekt bei den Polizeipräsidien Stuttgart und Karlsruhe begonnen. Das "ergebnisoffene Pilotprojekt" wurde wissenschaftlich vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht aus Freiburg begleitet und auf seine Wirksamkeit hin bewertet. Die dabei gewonnen Ergebnisse, meint Okon, deckten sich mit den Erfahrungen der Bayern. Es wurde inzwischen beendet und ausgewertet; die Evaluation liegt beim Innenministerium, aber zu den Ergebnissen werde sich erst das Ministerium äußern.

In Nordrhein-Westfalen läuft seit Februar 2015 ein Pilotprojekt, seit November 2015 der operative Betrieb bei den Kreispolizeibehörden beziehungsweise Polizeipräsidien Duisburg und Köln, seit 2017 auch in Düsseldorf, Essen und Gelsenkirchen. Dies soll bis Ende 2017 weitergehen; ein Evaluationsbericht soll bis spätestens Ende März 2018 beim Auftraggeber, nämlich dem Innenministerium vorliegen. Genutzt wird nach einer Ausschreibung die Software "SPSS Modeler" von IBM.

Das LKA Niedersachsen arbeitet für sein Projekt "preMAp" (predictive Mobile Analytics for the police) mit IBM Cognos, das dort ohnehin schon seit 2004 eingesetzt wird. Der Pilotbetrieb im Echteinsatz läuft in der Polizeidirektion Braunschweig, zu der auch Wolfsburg gehört, sowie die Polizeiinspektion Salzgitter-Peine-Wolfenbüttel, und betrifft insgesamt ungefähr 400.000 Einwohner. Die Vorbereitungsphase begann im November 2016, im Februar 2017 der Pilotbetrieb, der sechs Monate dauern soll, gefolgt von der Umsetzung von Feedback und einer Optimierung.

Eine Eigenentwicklung nutzt das Hessische Landeskriminalamt mit dem Prognosetool "KLB-operativ" (für "Kriminalitätslagebild"). Der erste Test lief vom Oktober bis Dezember 2015 und war "sehr erfolgversprechend", so Pressesprecher Christoph Schulte. Nun wird es unter der Leitung des Hessischen Landeskriminalamtes in den Polizeidirektionen Wiesbaden, Main-Taunus, Hochtaunus, Main-Kinzig sowie Darmstadt-Dieburg erprobt.

In Brandenburg haben vier Mitarbeiter aus zehn Bereichen eine Machbarkeitsstudie erarbeitet und Predictive Policing juristisch, datenschutzrechtlich, technisch und einsatztaktisch überprüft, wobei der Fokus darauf lag, die neue Methode in die standardisierte polizeiliche Lagebeurteilung zu übernehmen. Die Studie wurde im zweiten Halbjahr 2016 durchgeführt und im Dezember 2016 abgeschlossen. Der Einsatz einer externen Software ist nicht geplant.

Für Berlin wird im LKA eine eigene Anwendung fürs "Predictive Policing" entwickelt

Das LKA Berlin entwickelt die eigene Anwendung "KrimPro"; Stephan Harnau vom LKA St 14 Analysezentrum – Statistik ist stellvertretender Projektleiter, und Michael Cornelius sein Mitarbeiter. Auch sie haben das meistverwendete Programm Precops in Erwägung gezogen: "Wir hatten Kontakt mit dieser Firma. Es ist interessant, es gibt nichts Negatives zu sagen. Aber wir sind ein armes Bundesland..." Was es kostet? "Da haben wir nichts Offizielles, das ist alles Verhandlungssache, aber es könnte in die Richtung von einer Million gehen. Plus Betreuung."

Daher sind die Berliner selbst ans Werk gegangen, das meiste werde quasi nebenher erledigt, Begleitung, Entwickeln, Betreuen; eine Stelle komme in Berlin dazu, das sei ein "Tropfen auf dem heißen Stein", für den Bereich der Programmierung werde es eine Stelle zusätzlich geben. Bislang waren es "etwa 30 Programmiertage, ein paar Workshops, das kann sich dann schon sehen lassen", sagen sie, die Berliner sind zufrieden mit ihrem Ansatz.

Sie wollten etwas Eigenes aufbauen, schließlich sei das "keine Zauberei", und das scheint sich zu bestätigen: "Wir sind immer sicherer, dass wir es mit Bordmitteln hinbekommen." Erstens seien die eigenen Grundlagen günstig, denn man habe sowohl das Data Warehouse als auch die tagesaktuellen Daten, die man benötige. Zweitens, "auch wichtig: mit Eigenentwicklung hat man wahrscheinlich größere Autonomie, man entwickelt selber mit und kann es anpassen." Eventuell könne man sich ja auch weitere Unterstützung von der Firma, also Microsoft holen, schließlich arbeiteten alle Arbeitsplatzrechner mit Office unter Windows. Das sei eine bestehende Geschäftsbeziehung, in dem Zusammenhang seien die Programme lizenziert, und man erhalte die Unterstützungs- und Consultingleistungen, die man benötige.

Berlin hat sechs Polizeidirektionen, im Juni 2016 begann der Testbetrieb in zweien – Nord und City. Seit Anfang Oktober 2016 und bis Juni 2017 läuft der erweiterte Probebetrieb stadtweit.

Die Landeskriminalämter von Berlin und Brandenburg kooperierten ohnehin sehr gut und eng, darum würden sie wahrscheinlich auch eine gemeinsame Entwicklung nutzen; Berlin sei dabei schon etwas weiter als Brandenburg. Eine gemeinsame Anwendung sei aber nicht geplant, sagen die Berliner, jedenfalls nicht kurz- oder mittelfristig.

Der Fokus für IT-gestütztes "Predictive Policing" liegt bundesweit auf dem Deliktbereich "Wohnungseinbruchdiebstahl".

Zum ersten weil es ein recht häufiges Delikt ist: Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) verzeichnet für das Jahr 2015 insgesamt 167.136 Fälle einschließlich der Einbruchsversuche. Und die Zahl steigt in Deutschland seit zehn Jahren, im Jahr 2015 sogar um fast zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr, auch wenn die Fallzahlen dann 2016 in mehreren Bundesländern deutlich zurückgegangen sind. Deswegen ist es schon politisch begründet, sich mit dem Delikt besonders zu beschäftigen. Eine hohe Anzahl von Delikten sorgt aber auch dafür, dass die Datenbasis für statistische Berechnungen stabiler wird.

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Zweitens wird mit 85 Prozent ein hoher Anteil der Wohnungseinbrüche auch angezeigt, sagt Alexander Gluba, Projektleiter im LKA Niedersachsen; das wisse man aus Dunkelfeldstudien. Von den Raubstraftaten würden dagegen nur 25 bis 34 Prozent angezeigt – "was wir da wissen, ist womöglich verzerrt."

Drittens scheint die sogenannte "Near Repeats Theorie", die Grundlage für das Predictive Policing, für dies Deliktfeld recht gut belegt zu sein: Wie das baden-württembergische Innenministerium erklärt, ist dort, "wo ein professioneller Täter einen Einbruch begeht, [...] in räumlicher und zeitlicher Nähe mit Folgedelikten durch ihn zu rechnen. Dies ist wissenschaftlich nachweisbar und wird auch durch unsere Erkenntnisse aus Vernehmungen von professionellen Einbrechern gestützt."

Aus diesen Gründen – stabile Datenbasis, gesicherte Erkenntnisse, eine Theorie – sind Einbrüche ein Delikt, das für die Berechnung typischer Muster und Modelle gut geeignet scheint.

Viertens ist aber die Aufklärungsquote beim Delikt Wohnungseinbruchdiebstahl schlecht. Gerade einmal wenig über 15 Prozent werden aufgeklärt. Eine Möglichkeit zur Verbesserung dieser Quote wäre also willkommen.

Und fünftens schließlich sind die seelischen Folgen für viele Einbruchsopfer schrecklich, berichtet Alexander Gluba: "Wohnungseinbruchsdiebstahl hat dramatische psychische Auswirkungen, ähnlich wie schwere Sexualstraftaten. 30 Prozent der Leute wollen danach umziehen." Und, außerdem, sagt Gluba ganz pragmatisch: Wenn ohnehin alle Landeskriminalämter dieses Delikt betrachteten, sei man "in guter Gesellschaft, dann kann man auch die anderen fragen."

Die unterschiedlichen Landeskriminalämter stehen nicht nur in unterschiedlichen Stadien der Nutzung und verwenden unterschiedliche Software, sie gehen auch sonst ziemlich unterschiedlich vor: Manche nutzen nur eigene Daten, andere kaufen Daten zu und es gibt unterschiedliche Nutzungsarten für die vorhandenen Informationen. Außerdem unterscheiden sich die Projekte in der Zahl der Polizisten, die sich darum kümmern.

Zunächst haben die Landeskriminalämter eine Datenbasis aus vergangenen Fällen zusammengestellt. Wenn eine Straftat wie etwa ein Einbruch verübt und angezeigt wird, dann nimmt die Polizei sehr viele Informationen auf und gibt sie ins jeweilige polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem ein. Dazu gehören etwa das Polizeiliche Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (Poliks) in Berlin, das Integrationsverfahren Polizei (IGVP) in Nordrhein-Westfalen oder das Niedersächsische Vorgangsbearbeitungs-, Analyse-, Dokumentations- und Informations-System (Nivadis) in Niedersachsen.

Diese Systeme sind riesiges Datenlager und ihre Informationen werden für Predictive Policing genutzt. Die Berliner werteten alle Wohnraumeinbrüche aus, die seit dem Jahr 2010 in der Hauptstadt begangen worden waren. Das ist jährlich eine fünfstellige Zahl, allein im Jahr 2016 waren es etwa 11.000. Die Baden-Württemberger nutzten die Falldaten der Wohnungseinbrüche der vergangenen fünf Jahre, auch dort jährlich eine fünfstellige Zahl. Die Hessen werteten 60.000 Wohnungseinbruchsdelikte der vergangenen Jahre aus, die Niedersachsen sogar 70.000 bis 80.000 Fälle.

Diese Datenbasis bildet die Grundlage oder zumindest eine Grundlage für die Erstellung eines Rechenmodells, um zukünftige Einbrüche prognostizieren zu können. Manche Länder nutzen dafür nur ihr jeweiliges Vorgangsbearbeitungssystem und bewerten die Daten dann mit einem Scoring-Modell. Andere Länder nutzen auch statistische Daten und errechnen prozentuale Wahrscheinlichkeiten. Berlin nutzt 90 Prozent Daten aus Poliks, ein paar Infos von einem Statistikunternehmen, und wertet mit einem Scoring-Modell.

(Bild: dpa)

Grundlagen für eine Mustererkennung finden
Die mit dem Predictive Policing beschäftigten Berliner Beamten schauten sich den "Modus Operandi" des Einbrechers an, seine "Art des Vorgehens", die Arbeitsweise, und zwar daraufhin, wie der oder die Einbrecher ins Haus oder in die Wohnung gekommen waren, und was sie geklaut hatten. Diese Informationen ordneten sie in ein Scoring-Modell ein: Mehr Punkte gibt es für Handeln, das nach Erfahrung der Polizei auf Profi- und also Serieneinbrecher hindeutet, weniger Punkte für Handeln, das typisch ist für Gelegenheitstäter.

Es seien ganz unterschiedliche Leute, die in einer Stadt wie Berlin Wohnungseinbrüche begehen, sagen die Berliner, und zählen auf: Manche Leute suchten Gebiete und Objekte sorgfältig aus, andere sähen eine Gelegenheit und stiegen ein. Drogensüchtige brächen vor allem im eigenen Wohnumfeld ein, und wenn die Haustür mit einem Schlüssel geöffnet und ein großer Flachbildfernseher geklaut wurde, könne man von einer Beziehungstat ausgehen – dann war oft der Ex-Partner der Ansicht, das Teil gehöre doch eigentlich ihm. "Das ist ein Gemisch aus Taten", sagen die Polizisten, "diese Methodik dient dazu, den Tätern, die professionell handeln, die Taten zuzuordnen: Wir filtern die Taten heraus, von denen wir meinen, dass sie von Profis begangen wurden."

Was nicht ganz einfach ist: "Das ändert sich immer wieder, ist immer in der Diskussion und wird dauernd angepasst. Zum Beispiel war 'Steine schmeißen' früher typisch für Kinder und Jugendliche. Jetzt gibt es aber Tätertypen, die schmeißen von weitem eine Scheibe ein und gucken, ob was passiert." Wenn nichts passiert, ist nämlich die Luft rein. Was früher ein Nachmittagsspaß für Kids war, ist heute ein probates Mittel für Serieneinbrecher. Für solche Fälle muss es im polizeilichen System möglich sein, Modus Operandi und Wichtungen immer wieder neu einander anzupassen.

Aktuelle Beispiele für die Gewichtung im "Feld EG" (erlangtes Gut):

  • Bekleidung -50
  • Lebensmittel -50 (dafür geht kein Profi das Risiko ein, das mit einem Einbruch ja nun einmal verbunden ist)
  • Geldkarte +150 (die wird oft liegen gelassen, wenn die Diebe dafür keine Verwendung haben, Zufallstäter etwa müssten sich dafür erst einmal Abnehmer suchen, die eine Geldkarte knacken können, wenn eine Geldkarte geklaut wird, spricht das für einen Serientäter)
  • Elektronik +100
  • ...

Beispiele für die Gewichtung im "Feld MO" (Modus Operandi):

  • Bohren +300
  • Brenner +300
  • Fenster +100
  • ...

Kriterien für das Ranking auf neue Fälle anwendbar machen
Neue Fälle sollten automatisch eingeschätzt werden: Serientat oder nicht? Also brauchten die Berliner zweierlei: einerseits die reine (software-)technische Möglichkeit, neue Fälle anhand dieser Kriterien hin auszuwerten; andererseits die Möglichkeit, Zeit und Ort für zukünftige Fälle zu prognostizieren.

Nun aber werden in "Poliks" alle Straftaten erfasst und eingegeben, dies System enthält tausende Datenfelder, das sind für das Projekt zu viele. Außerdem enthält es personenbezogene Daten, und die sollen für Predictive Policing nicht verwendet werden.

Man braucht also ein Auswertesystem für ein Data-Mining.Projekt oder genauer KDD (Knowledge Discovery in Databases) , das die "feldbezogenen" Attribute in eine separate Datenbank überspielt, die als Data Warehouse fungieren sollte. Dieses Data Warehouse wurde eine separate Datenbank mit tagesaktuellen Informationen aus Poliks und ein paar anonymisierten Daten aus Quellen wie dem Amt für Statistik.

Als Datenbanksystem nutzen die Berliner Microsoft SQL Server 2012, für das Data Mining Microsoft Analysis Server 2016, und zur Erstellung von Analysemodellen und von darstellbaren Berichten die Microsoft SQL Server Daten Werkzeuge (SSDT). Später soll noch eine anwenderfreundliche Benutzeroberfläche mit vielfältigen Analyse- und Visualisierungsfunktionen implementiert werden, aber dazu wird vorerst nur geschaut, was es auf dem Markt gibt, und ein bisschen geplant.

Ortsbezogene Informationen berechenbar machen
Laut Near-Repeat-Theorie "arbeitet" der Täter in der Nähe weiter. Diese räumliche Nähe muss operationalisiert, also berechenbar und prognostizierbar gemacht werden. Dafür haben die Berliner auf die "Soldner-Koordinaten" der offiziellen Regionalstruktur des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg zurückgegriffen.

Dort ist die Stadt in Quadranten à 400 × 400 m unterteilt, für die ganze Stadt wären das etwa 9500 Quadranten. Ungefähr 5000 von ihnen sind bebaute Flächen in der Stadt und interessant für die Polizisten. Zu jedem Quadranten gehören andere Daten wie etwa die Nähe zu Bahnhöfen (bzw. im Umfeld von 1, 2 oder 3 Quadranten), Autobahnauffahrten, Wohnlage (einfach, mittel, gut), Bevölkerungszahlen wie Dichte und Struktur (Altersgruppen), Lärmbelästigung usw.

Was davon kann relevant sein, um Serientaten von Zufallstaten zu unterscheiden? "Wir legen uns nicht fest, sondern schauen", sagen die Berliner Projektverantwortlichen, "manche Attribute bringen Qualität, andere nicht."

Zeitbezogene Informationen berechenbar machen
Geht man nach der Near-Repeat-Theorie, arbeitet der Täter nicht nur in der räumlichen Nähe, sondern auch in zeitlicher Nähe weiter – er bricht also nicht nur in derselben Gegend ein, sondern macht das auch sehr bald wieder.

Auch diese zeitliche Nähe muss für eine polizeiliche Prognosesoftware operationalisiert werden. Dafür haben die Berliner mit den historischen Daten ab 2010 für jeden zurückliegenden Dreitageszeitraum und jeden einzelnen Quadranten verschiedene Kennzahlen zum Auftreten von Wohnraumeinbrüchen berechnet. Zum Beispiel: alle Quadranten mit Einbruchstaten; alle Quadranten ohne Einbruchstaten in den vergangenen 3, 6, 21 oder 42 Tagen (die Zahlen mussten durch drei teilbar sein, weil die Prognosen für drei Tage erhoben werden sollten); alle Quadranten mit Einbruchstaten im Nachbarquadranten in den vergangenen 3, 6, 21 oder 42 Tagen; alle Quadranten mit einer weiteren Einbruchstat nach einer ersten im Zeitraum von 3 bzw. 14 Tagen; Zahl angrenzender Quadranten mit Einbruchstaten  …

Die Gesamtzahl aller Parameter wurden ausmultipliziert. Daraus konnten in dem Projekt mehrere Schlüsse gezogen werden, zum Beispiel: Falls 21 Tage keine Straftaten verübt worden waren, dann aber eine Straftat geschah und nach 3 Tagen noch eine, dann betrug die Wahrscheinlichkeit ungefähr 33 Prozent, dass es zu weiteren Folgetaten kommt. Ein relativ hoher Prozentsatz.

Wie kann man Prognosen errechnen?
Für eine Prognose werden nun diese gesamten Berechnungen erstens für jeden einzelnen Quadranten und zweitens für zusammenhängende, über einen einzelnen Quadranten hinausgehende Gebiete durchgeführt. So entsteht ein "Prognosegebiet", also "das Gebiet, von dem wir denken, da passiert was", formulieren die Berliner.

Das Projekt gibt täglich eine bis drei Prognosen an ihre Kollegen heraus, mit bis zu fünf Quadranten pro Prognose und bis zu zehn Quadranten für alle drei Prognosen; das durchschnittliche tägliche Prognosegebiet umfasst 5,3 Quadranten, also 920 × 920 m. Das sind etwa 0,1 Prozent des bewohnten Stadtgebietes Dies soll in Zukunft noch flexibler und anpassungsfähiger werden.

Für solche Prognosen bräuchte man eigentlich keine Software, ein guter Auswerter könnte das auch: Er hat sein polizeiliches Erfahrungswissen, kriminologische und auch soziologische Erkenntnisse. Im Prinzip - aber: Eine Software verarbeitet mehr Informationen und ist schneller. Die Berliner lassen ihre Ergebnisse immer auch von einem Auswerter einschätzen, "es gibt eine Information für die zuständige Dienststelle, der Auswerter schaut drauf, und zwar sehr kritisch, und die Kommissariate. Und es wird immer hinterfragt, manchmal auch abgelehnt", sagen sie. Die Projektverantwortlichen haben inzwischen ein Lieblingsbeispiel für eine abgelehnte Prognose: "Der Auswerter sagte, das deckt sich auch mit unserer Einschätzung – aber wir haben am Vortag drei Serientäter festgenommen. Die kommen erstmal nicht wieder."

Ähnlich wie das Berliner arbeitet das hessische LKA: Aus den polizeilichen Datenbeständen werden räumliche und zeitliche Schwerpunkte abgeleitet und bestimmte Verhaltensmuster der Täter erkannt, erklärt der HLKA-Pressesprecher Christoph Schulte. Die Hessen haben "KLB-operativ" entwickelt, ein System, das "bereits vorhandene polizeiinterne Auswertetools" zusammenführe, was "Synergieeffekte" ergebe.

Joachim Eschemann ist Leiter der Abteilung 3 des LKA und Projektleiter des Nordrhein-Westfälischen Predictive-Policing-Projektes SKALA (System zur KriminalitätsAnalyse und LageAntizipation). Sein Projekt SKALA wurde aus SPSS Modeler als Basissoftware und Instrument entwickelt.

Die Software sollte flexibel und offen sein, die Polizisten wollten immer nachvollziehen können, welche Rechen- und Anlageschritte im Programm ablaufen, Denn ihr Projektauftrag bestand nicht in der Einführung einer Software oder der Verhinderung von Wohnungseinbrüchen, sondern sie sollten die Möglichkeiten und Grenzen von Predictive Policing prüfen, ob auf Grundlage dieser Ergebnisse effektive polizeiliche Maßnahmen getroffen werden können.

Der wissenschaftliche Ansatz bestand also im Data Mining, darin, in Daten Korrelationen zu suchen. Sieben Mitarbeiter, Data Scientists und Soziologen, zogen kriminologische Theorien zur Kriminalitätsentstehung heran und entwickelten auf dieser Grundlage Hypothesen, wonach sich das Verhalten eines Täters richten könnte. Im nächsten Schritt bestimmten sie Indikatoren, die aussagen können, ob sich Täter entsprechend verhalten oder nicht. Dann beschafften sie sich die Daten, die etwas über die Ausprägung dieser Indikatoren aussagen könnten.

Bei den Daten handelte es sich um polizeiliche Daten "aus der ganz normalen Vorgangsbearbeitung", sagt Eschemann, alles sei "anonymisiert, also ohne Personendaten". Dazu kommen beim LKA NRW Infrastruktur- und sozioökonomische Daten auf statistischer Ebene: Kaufkraft, Autobahnen in der Nähe, Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, Bebauung (Einfamilien- oder Mehrfamilienhäuser), Sackgassen, Hauptverkehrsstraßen, Verkehrsaufkommen. Diese Daten haben die Beamten vom Statistikunternehmen Nexiga gekauft. Andere Daten wie etwa Wetterdaten wurden geprüft, aber das, meint Eschemann, hat "praktisch keinen Einfluss, außer Extremwetterlagen wie etwa Blitzeis. Das brauche ich aber nicht in Bezug auf Prognosen." Bewertet wurde das Ganze dann durch konkrete Erkenntnisse aus Ermittlungsverfahren.

Die Niedersachsen berücksichtigen in ihren Modellberechnungen Tatzeitpunkt, Tatort, Stehlgut, Tatörtlichkeit (Einfamilien- oder Mehrfamilienhaus), Tatmittel (Schraubenzieher, Brecheisen), Modus Operandi (Terrassentür mit Brecheisen oder Aufbruch Kellerfenster), versucht oder vollendet, "das sind alles Katalogwerte", sagt Alexander Gluba. Diese muss man nicht als Freitext eingeben, sondern wählt sie aus. So vermeide man Rechtschreibfehler, schließlich gäben 20.000 Mitarbeiter Daten ins Vorgangsbearbeitungssystem ein, manche besser, manche schlechter ...

Während manche Landeskriminalämter sozioökonomische Daten verwenden, beschränken sich die Niedersachsen, noch mehr als Berlin, auf die Fallbewertung und vergeben einen Score für entsprechende Merkmale. Alexander Glubas Kollega Oskar Neda verantwortet in Niedersachsen die Technik: "Wir hatten ursprünglich auch überlegt, sozioökonomische Daten wie Bevölkerungsdichte und Einkommen mitzuverwenden, und es gab auch Korrelationen zwischen Einbrüchen. Aber nach einer Diskussion mit der Landedatenschutzbeauftragten haben wir sie nicht genutzt, weil sich sonst vorschnell ein Stigmatisierungsgedanke hätte breitmachen können."

Auch die Bayern verzichten derzeit auf soziodemografische Daten sowie Wetter und Veranstaltungen, allerdings aus methodischen Gründen: "Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass diese Daten keine oder kaum signifikante Erkenntnisse liefern. Insofern sind sie als Indikatoren offensichtlich nicht geeignet. Informationen aus anderen Projektstandorten bestätigen das auch teilweise." Allerdings lege die IfmPt-Methodik (Precobs), erklärt Günter Okon, im Vergleich zu anderen Data Mining Projekten ein größeres Gewicht auf kriminologische Aspekte."

Welcher Modus Operandi auf Serientäter hindeutet, ist unter den Landeskriminalämtern teilweise umstritten: Scheiben einschmeißen kann für Berliner auf einen Serientäter hindeuten, bei den Bayern ist das Gegenteil der Fall.

Wie kommen die Prognosen aber nun zu den Streifenpolizisten, zu den Beamten in der täglichen Praxis?

In Berlin handelt es sich bei den Prognosen derzeit noch um Karten im pdf-Format mit einer Liste der Taten der vergangenen zehn Tage und der als gefährdet prognostizierten Gebiete, die farblich markiert sind. Diese Karten sind spätestens um 8 Uhr morgens fertig. "Noch nicht so toll", finden die Berliner: Nach einer zweiten Programmierrunde soll man die Karte bei der Auswertung interaktiv nutzen können, auch weitere Informationen wie etwa der Modus Operandi sollen gezeigt werden. Die Einsätze werden von den einzelnen Polizeidirektionen gesteuert.

In Hessen wird jeden Morgen die Lage des Vortages computerunterstützt aufgearbeitet, analysiert und auf einer Karte dargestellt. Auf dieser Grundlage werden Einsätze geplant und Bekämpfungskonzepte erstellt: Die Polizisten, erklärt der Pressesprecher, werden "sehr gezielt in ausgewiesenen Brennpunktregionen zu tatrelevanten Zeiten eingesetzt"; das Ganze werde zentral gesteuert, das sei effizienter.

Ähnlich in Bayern, hier werden täglich die Prognosen und Bewertungen an zentralen Dienststellen in München und Nürnberg durchgeführt. Dann, beschreibt Güner Okon die Vorgehesnweise, werden "die entsprechenden operativen Maßnahmen (präventiv oder repressiv)" geplant und umgesetzt.

In Nordrhein-Westfalen wird für jeden Wohnbezirk zu 400 bis 500 Wohneinheiten für jeweils 7 Tage im Voraus eine Wahrscheinlichkeitsaussage erstellt und den beteiligten Behörden mitgeteilt. Diese entscheiden dann, welche Maßnahmen sie in welchem Bezirk treffen.

In Niedersachsen wurden 35 Dienstfahrzeuge mit Tablets ausgestattet. So können die Polizisten das Ganze als Browser-Anwendung nutzen. Geplant ist aber eine App, die das ganze einfacher machen soll.

Sinkt die Geburtenrate wegen des Rückgangs der Storchenpopulation oder wegen des Aufkommens der Pille? Sind Gleichzeitigkeiten zufällig oder nicht? Die ewige Frage also bei Datenauswertungen: Liegt eine Koinzidenz vor oder eine Kausalität?

Genau diese Unsicherheit ist das Problem beim Predictive Policing. Es liegt ja in der Natur der Sache: Wenn die Polizei davon ausgeht, dass irgendwo eingebrochen werden soll, dann fährt sie dort Streife, um achtzugeben und womöglich einen Einbruch zu verhindern. Wenn dann aber nicht eingebrochen wird, woran liegt es? Daran, dass die Prognose falsch war und niemand dort hätte einbrechen wollen? Oder daran, dass die Prognose richtig war und die Polizei die Einbrecher abgeschreckt und vertrieben hat?

Die Polizeibehörden sind sich dieser Problematik bewusst und die meisten verschweigen es auch nicht. "Es ist sehr schwer, ein präventiv wirkendes abschreckendes System auf seine Wirksamkeit zu überprüfen", sagen die Berliner, "beweissicheres Belegen ist schwierig." Wissenschaftliche Untersuchungen und Aussagen liegen denn auch kaum vor, sagen sie. Eine Evaluationsstudie für Los Angeles, eine für Kent in Großbritannien: Da wurden Predictive Policing-Prognosen mit mit denen aus konventionellen Methoden verglichen; demzufolge hätten sie einen Kriminalitätsrückgang in betreffenden Gebieten bewirkt. Außerdem hat der Local Police Service Antwerpen ein Forschungsprojekt beauftragt; Sozialwissenschaftler in EU-Mitgliedsländern beschäftigten sich damit.

Diplomatischer als die Berliner äußert sich der Pressesprecher des LKA Hessen: Es "ist zu beachten, dass das ´KLB-operativ` im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls nicht separat betrachtet werden kann, sondern im Zusammenspiel mit weiteren kriminalpräventiven Aktivitäten der hessischen Polizei als Teil einer Gesamtstrategie gesehen werden muss." Man kann sich kostenlos beraten lassen, die Polizei informiert die Bürger durch eine "proaktive Medienarbeit im Bereich der Wohnungseinbruchsprävention". Klar, dass dann weniger eingebrochen wird: "Im ersten Testlauf (vom 26. Oktober bis 18. Dezember 2015 ) wurden bei einem Personalansatz von durchschnittlich 13 Polizeibeamtinnen und -beamten am Tag im Einsatzgebiet insgesamt 3.315 Personen- und 2.002 Fahrzeugkontrollen durchgeführt. Während in Hessen insgesamt die Anzahl der Wohnungseinbruchsdelikte in 2015 um 19 Prozent angestiegen war, konnte im Einsatzbereich des ´KLB-operativ` eine Reduktion um 14 Prozent erreicht werden."

Ähnlich die Bayern: "Man kann Erfolge keinesfalls allein an einem Faktor festmachen. Die Bekämpfungskonzepte, insbesondere im Phänomenbereich Wohnungseinbruchsdiebstahl, sind sehr komplex und vielschichtig", betont Günter Okon. Vorhersagetechniken wirkten nur im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen. "Aber man kann Effekte feststellen, beispielsweise einen Rückgang der Fallzahlen in den Near-Repeat-Areas, ohne jedoch einen Verdrängungseffekt in den umliegenden Bereichen zu haben." Und noch etwas: "In den Prognosegebieten wurden Personen kontrolliert, die genau der Zielgruppe (reisende Serieneinbrecher) entsprechen, darunter auch zur Festnahme ausgeschriebenen Einbrecher. Es gab auch Festnahmen auf frischer Tat, jedoch ist dies auch von Zufällen abhängig."

In Nordrhein-Westfalen wird das Projekt vor allem aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet; der Projektleiter wägt ab. So läuft eine projektbegleitende Evaluation bei der Zentralstelle Evaluation der Polizei selbst, mit derzeit fünf Mitarbeitern, die allerdings auch andere Projekte haben. Zusätzlich läuft eine externe Evaluation durch die Gesellschaft für Innovative Sozialforschung in Bremen (GISS e.V.) . Aber die Frage sei doch, was "erfolgreich" denn bedeute, gibt Joachim Eschemann zu bedenken: "Der Rückgang von Fallzahlen bedeutet nicht Kausalität. Alles in allem sind das soziale Prozesse, eine Vielzahl von Faktoren. Wir suchen immer noch die Antwort auf die Frage: Welche Parameter sind aussagekräftig?"

Wenn man frage, "was taugt die mathematische Prognose?", dann sehe man: Es ist erfolgversprechend, es funktioniert. Wenn man aber frage, "was taugt die mathematische Prognose für die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung?" "Wir als Polizei sind per se nicht in der Lage, überall präsent zu sein; wir sind immer gefordert zu entscheiden, wann und wo wir präsent sind." Alle anderen polizeilichen Aufgabenwahrnehmungen liefen ja weiter. "Wir haben der Behörde auch kein zusätzliches Personal gegeben, das würde ja das Bild verfälschen." Eschemann zitiert den Politikwissenschaftler Wolfgang Streeck: "Jede Betrachtung gesellschaftlicher Prozesse hat es mit Fallzahlen zu tun, die niedriger sind als die Zahl der Faktoren, die als Erklärung in Frage kommen." Anders ausgedrückt: Für eine Entwicklung, zum Beispiel weniger Einbrüche, kommen viele Gründe in Frage – aber welcher ist der entscheidende? Immerhin, es gebe Erfolge, "es ist ein Fingerzeig in die richtige Richtung, wir haben auch Festnahmen zu verzeichnen. Wir haben daher weiter Behörden hinzu genommen, um eine breitere Datenbasis zu erhalten."

Ähnlich sieht es Alexander Gluba, der Projektleiter in Niedersachsen: "Wir arbeiten ergebnisoffen; wir fahren in ausgewiesene Risikogebiete und wollen Straftaten durch Präsenz verhindern, und wenn wir Täter fangen, soll uns das auch recht sein. Aber es ist schwierig, eine Wirkung zu messen, eine Kausalität." Aber man könne vielleicht Erkenntnisbausteine sammeln und so eine gewisse Plausibilität gewinnen, vielleicht durch die Zusammenarbeit mehrerer Länder.

Immerhin, eine gewisse Plausibilität haben auch die Berliner errechnet: Sie haben die Trefferquoten ihrer Prognosen vom 17. Mai 2016. bis zum 13. November 2016 statistisch ausgewertet: Eine Prognose betrifft 1/1000 der Stadtfläche. Die statistische Zufallserwartung ließe 3 Treffer erwarten, eine Brennpunkterkennung 7 Treffer, und ihr Prognosetool ergab 21 Treffer. Das ist das siebenfache des Zufallswertes, also wohl kein Zufall ...

Prognostiziert wurde ja schon früher, sagen die Berliner. Nun wird gefragt: "Ist unsere Prognosegüte besser, als wie sie rein polizeilich-statistisch zu erwarten gewesen wäre?". Bis bis jetzt spreche einiges dafür. Man brauche halt einen längeren Zeitraum für den Vergleich. Oder eine Ausnahmesituation wie im Dezember 2016 nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt: "Da hatten wir einen Monat mit außergewöhnlich niedrigem Polizeieinsatz bezüglich Wohnungseinbruch – und die Prognosequalität wurde besser."

Ende Januar 2017 hat der angekündigte Workshop im BKA stattgefunden. Nun wird ein Papier erstellt, das auf dem Grund einer Bund-Länder-Ebene abgestimmt werden muss. "Predictive Policing hat grundsätzlich das Potential, sich zu einem nützlichen Instrument zu entwickeln", sagen die Berliner Beamten. Die Frage stellt sich: Wo? Und für welche Deliktsbereiche?

In Hessen besteht, erklärt der LKA-Pressesprecher, "die grundsätzliche Möglichkeit, den aktuellen Einsatzbereich (Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls) auf weitere Delikte auszuweiten."

Die Bayern gehen schon weiter: "Wir sind überzeugt, dass Predictive Analytics zukünftig auch bei der Polizei in Deutschland eingesetzt wird", glaubt Günter Okon: "Es ist eine wirksame Methode, unter Einbindung von Softwareprodukten die tägliche Arbeit der Polizei bei der Lagebewertung in die nahe Zukunft und den damit verbundenen notwendigen Schwerpunktsetzungen und Kräftedispositionen zu unterstützen." Eine Ausweitung scheint schon angefangen zu haben: "Derzeit wird die Software vorrangig im Zusammenhang mit dem Wohnungseinbruchsdiebstahl genutzt." Vorrangig.

In Nordrhein-Westfalen ging es zunächst nur um Wohnungseinbruchdiebstahl, im Jahr 2017 soll das Projekt auf weitere Kriminalität im öffentlichen Raum ausgeweitet werden, nämlich KFZ-Kriminalität, also Diebstahl von bzw. aus KFZ, Raubdelikte und Gewerbeeinbrüche.

Vielleicht zieht dann auch bald der "Tatort" nach. (mho)