Wie Computer bei Wahlmanipulationen helfen

Mit dem sogenannten Gerrymandering erschaffen sich US-Politiker aus ihren Wahlkreisen Dynastien. Algorithmen machen es möglich.

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Demokratien, die mit Wahlkreisabgeordneten und einem Mehrheitswahlrecht arbeiten, sind anfällig für das sogenannte Gerrymandering. Der Begriff stammt bereits aus dem vorletzten Jahrhundert: Elbridge Gerry, dem Gouverneur des US-Bundesstaates Massachusetts, war um 1812 eine Methode eingefallen, die Grenzen seines Wahlkreises so zu gestalten, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Mehrheit finden würde. Das daraus entstandene Gebilde sah auf der Karte aus wie ein Salamander.

Seither hat sich an der Methodik nicht viel geändert – und sie hat auch dazu geführt, dass das Zwei-Parteien-System in den USA in den letzten Jahrzehnten zementiert wurde. Republikaner wie Demokraten nutzen ihre gewonnene Macht immer wieder dazu aus, Wahlkreise neu festzulegen, manchmal mehr und manchmal weniger radikal. So kommt es, dass ein Senatorenposten oder eine Mitgliedschaft im Kongress in Washington quasi nicht zu verlieren ist, sollte es nicht Konkurrenten aus der eigenen Partei geben.

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Versuche, das Gerrymandering gesetzlich zu verbieten, gab es schon viele. Doch die Hoffnung, dass dies eines Tages wirklich erreicht wird – Wahlkreise also beispielsweise wieder Ortsgrenzen folgen – schwindet eher, als dass sie zunimmt. Der Grund ist moderne Technik. Die Parteien setzen inzwischen eine Software mit genauen Wählerkarten und den jüngsten Neigungen der Bürger ein, um das Gerrymandering zu perfektionieren.

In einer im September veröffentlichten Studie zeigten Forscher an der Duke University um den Mathematiker Gregory Herschlag, dass die Genauigkeit, mit der solche Programme arbeiten, eine neue Dimension erreicht hat. Am Beispiel des Bundesstaates Wisconsin zeigen sie auf, wie es die Wahlexperten der Republikaner geschafft haben, den eigentlich zur Hälfte demokratisch geprägten Staat für sich zu reklamieren. Im Parlament des Bundesstaates, der Wisconsin State Assembly, halten die Republikaner mittlerweile 65 Prozent der Sitze – laut "New York Times" ist das mehr als in konservativeren Staaten wie Texas oder Kentucky.

Doch nicht nur das: Herschlag und Kollegen führen vor, dass die Gerrymandering-Software es geschafft hat, dafür zu sorgen, dass die Demokraten mindestens einen Vorsprung von 8 bis 10 Prozentpunkten haben müssen, um die Republikaner vom Thron zu stoßen – ein Ding der Unmöglichkeit.

Die so erzeugte Karte der Wahlbezirke lässt sich nicht einmal mehr mit gutem Willen und republikanischem Parteibuch als "neutral" interpretieren – dafür ist ihre Struktur zu wild, eine mathematische Anomalie, wie Herschlag und Co. nachweisen.

Mittlerweile ist das Gerrymandering in Wisconsin auch Thema für das höchste Gericht der USA. Es muss entscheiden, ob die Änderung der Wahlkarte nach Parteien – ethnisches Gerrymandering oder Gerrymandering nach Rasse ist längst verboten – grundsätzlich erlaubt ist. Mit einer Entscheidung des Supreme Court ist allerdings nicht vor Mitte nächsten Jahres zu rechnen. (bsc)