Tracking von Schulkindern: Projekt Schutzranzen in Niedersachsen gestoppt

Die niedersächsische Landesschulbehörde hat das Projekt Schutzranzen an Wolfsburger Grundschulen endgültig gestoppt. In Ludwigsburg sucht die Stadt als Schulträger nun den Dialog mit den Projektverantwortlichen.

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Tracking von Schulkindern: Projekt Schutzranzen in Niedersachsen gestoppt

(Bild: schutzranzen.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Schon im Februar sollten Grundschulen in Wolfsburg das Projekt "Schutzranzen" drei Monate lang testen, bei dem über einen GPS-Sender die Bewegung und der Aufenthaltsort von Schulkindern aufgezeichnet und über eine Smartphone-App an Autofahrer übermittelt werden. Eltern können überdies die Position ihres Kindes feststellen, wenn das Kind die Funktion freischaltet. Nachdem die Stadt Wolfsburg als Schulträger vergangene Woche wegen "Klärungs- und Kommunikationsbedarf" vorerst ausgesetzt hatte, kam nun das endgültige Aus.

Bernd Kaufmann, Fachbereichsleiter Recht der niedersächsischen Landesschulbehörde, teilte dem Verein Digitalcourage gestern mit, dass die Landesschulbehörde die Kritik der niedersächsischen Landesdatenschützerin Barbara Thiel teile. Diese bezweifelt, dass die Daten der Kinder tatsächlich vollständig anonymisiert werden. Sie habe mit den Projektverantwortlichen Kontakt aufgenommen und die Projektschulen darüber informiert, dass sie "nicht an dem Projekt teilnehmen" werden. Die Projektverantwortlichen hätten der Behörde mitgeteilt, "dass das Projekt gestoppt sei".

Unklar ist die Beteiligung von Volkswagen an dem Projekt. Mittlerweile erklärte ein Volkswagen-Sprecher gegenüber Spiegel Online, dass der Konzern den "Schutzranzen" nicht einsetzen werde. Gleichwohl ist die Volkswagen AG noch über die Wolfsburg AG an der CooDriver GmbH beteiligt, die den "Schutzranzen" entwickelt.

CooDriver-Geschäftsführer Walter Bobby Hildebrandt sagte gegenüber heise online, dass mit dem Stopp des Wolfsburger Pilotprojekts zu einem frühen Zeitpunkt eine wichtige Chance für einen Lernprozess verspielt werde. Die Gesellschaft müsse sich früher oder später mit dem Thema des autonomen Fahrens auseinandersetzen. "Wir wollen es anonym und sicher gestalten. Wenn wir das jetzt aus der Hand gegeben, bekommen wir irgendwann von WhatsApp und Google eine Lösung vorgesetzt, bei der wir keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr haben", meinte Hildebrandt.

Auch in Ludwigsburg ist ein Feldversuch geplant, für den aber noch kein Starttermin feststeht. Das Staatliche Schulamt Ludwigsburg hält sich bislang zurück, da "das Projekt ausschließlich in der Hand der Stadt Ludwigsburg liegt". Die Stadt will zunächst Datenschützer, Polizei, ADAC, Schulen und Eltern an einen Tisch holen, um die aufgeworfenen Fragen zu diskutieren.

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung warnt "mit Nachdruck davor, sich trügerischen Sicherheiten im Tausch von Daten hinzugeben". Eltern müssten nicht ständig wissen, wo ihre Kinder seien, sondern müssten sie "fit für den Straßenverkehr machen". In Nordrhein-Westfalen kritisierte die Landeselternschaft der Gymnasien die Konzeption des Projekts. Unter dem Deckmantel nicht einlösbarer Sicherheit würden Daten von Kindern eingesammelt. Die NRW-Landesregierung müsse den Einsatz einer solchen Technologie rechtlich unterbinden.

Hildebrandt betonte, dass die App "keine personenbezogenen Daten von Kindern an Amazon, Google oder Microsoft weitergibt. Wir nutzen deren Infrastruktur, geben aber die Daten nicht weiter". Er habe Digitalcourage bereits mehrfach mündlich wie schriftlich vergeblich darum gebeten, "uns klar darüber aufzuklären, worin die angeblichen Sicherheitslücken bestehen". Denn nur so könnten die Lücken auch abgestellt werden.

Forscher der Universität Hamburg hätten bereits CooDriver auf eine Lücke hingewiesen, die auch sofort abgestellt worden sei, sagte Hildebrandt. "Das ist auch das übliche Verfahren." Padeluun von Digitalcourage sagte heise online, dass Digitalcourage den Chaos Computer Club gebeten habe, sich die Anwendung näher anzusehen. Er wies überdies darauf hin, dass es nicht die Aufgabe von Digitalcourage sei, Sicherheitsaudits durchzuführen. (anw)