Der Missbrauch von rund 50 Millionen Facebook-Profilen durch das Unternehmen Cambridge Analytica hat für starke Kritik an Facebook und undurchsichtigen Datenauswertungen geführt. Auch die deutsche Politik beschäftigt sich mit dem Fall und seinen Auswirkungen. Doch um wirklich etwas zu ändern, müsse die Politik eine neue Datenethik einführen, sagt Yannick Haan, Mitglied in der Netz- und Medienpolitischen Kommission des SPD-Parteivorstands.

Vor fast genau acht Jahren löschte die damalige Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner aus Protest gegen die Datenschutzbestimmungen ihr Facebook-Profil. Seitdem hat sich am Datenschutz des amerikanischen Netzwerks wenig getan. Auch Ilse Aigner hat mittlerweile wieder ein Facebook-Profil. So ganz ohne ging es dann offenbar doch nicht. Vergangene Woche lud die neue Verbraucherschutzministerin Katarina Barley (SPD) nach dem Datenskandal von Facebook einige Vertreter des Unternehmens öffentlichkeitswirksam ins Justizministerium ein. Ergebnis unbekannt.

Facebook, Google und die anderen großen Technologieunternehmen wissen genau, dass sie von der deutschen Politik wenig zu befürchten haben. Die Digitalpolitik ist gefangen in einer Empörungsschleife, die selten konkrete Änderungen hervorbringt. Solange Skandale in den Medien sind, so lange währt auch das Interesse vieler Politiker und Minister an der Datenpolitik.

Dabei erleben wir eine zunehmende wirtschaftliche Machtkonzentration von Technologieunternehmen im Hintergrund. Daten und deren Analysen verändern die Art und Weise, wie wir leben. Sie haben das Potenzial, die Öffentlichkeit zu verzerren und Menschen auszugrenzen. Im schlimmsten Fall haben sie Einfluss auf demokratische Entscheidungsprozesse. Gleichzeitig werden die politischen Herausforderungen an die Regulierung immer eminenter, und das längst nicht nur, was den Datenschutz und soziale Netzwerke betrifft, sondern auch algorithmische Entscheidungen und neue Technologien. Vor Kurzem hatte ein selbstfahrendes Uber-Auto in Las Vegas eine Frau überfahren. Wer trägt nun die Schuld an dem Unfall? Die Programmierer? Das Unternehmen? Oder doch die unachtsame Fußgängerin? Solche Fragen werden sich auch hierzulande häufen.

Datenmissbrauch - Wie man seine Daten auf Facebook besser schützen kann Die IT-Firma Cambridge Analytica steht im Mittelpunkt eines neuen Facebook-Skandals. Unser Video gibt drei Tipps, wie man seine Daten in dem sozialen Netzwerk besser schützen kann.

Es wird daher Zeit, dass wir in Deutschland eine neue Datenethik entwickeln. Fünf Vorschläge:

1. Ethische Grenzen für Datenvorhersagen

Datenvorhersagen sind kein Phänomen des digitalen Zeitalters. Viele Wissenschaften beruhen darauf, Daten zu sammeln und Prognosen zu erstellen. Die Wetterprognose etwa ist das Sammeln von Daten, auf deren Basis eine Vorhersage getroffen wird. Datenvorhersagen sind in vielen Fällen für unsere Gesellschaft nützlich. Doch Vorhersagen sind immer nur genau das: Vorhersagen, und die können auch schlicht falsch sein. Denn trotz aller verfügbaren Daten wird gerade der oft irrational handelnde Mensch von Daten nicht berücksichtigt. Daher dürfen Datenvorhersagen keine rechtlich bindenden Entscheidungen treffen.

2. Individualisierte Datenauswertungen nur bei gesellschaftlichem Nutzen

Yannick Haan engagiert sich seit mehreren Jahren politisch im Bereich Netzpolitik. Er ist unter anderem Mitglied in der Netz- und Medienpolitischen Kommission beim SPD-Parteivorstand und Autor des Buches "Gesellschaft im digitalen Wandel – ein Handbuch". © Marcel Maffei

Datenauswertungen werden immer individualisierbarer, wie die zurückliegenden Wahlkämpfe in den USA bewiesen haben. Bereits der bejubelte Wahlkampf von Barack Obama versuchte, den Wählern und Wählerinnen möglichst zielgenau durch Datenanalysen Werbung zu schalten. Cambridge Analytica und Donald Trump haben die Datenanalysen noch einen Schritt weitergebracht und unterschiedliche Öffentlichkeiten geschaffen – die Folgen für die Gesellschaft und Demokratie beginnen wir erst langsam zu verstehen. Der Jubel für moderne, datengetriebene Wahlkämpfe ist jetzt der Empörung über die Missbrauchsmöglichkeiten gewichen. Wir sollten individualisierte Datenauswertungen nicht in Gänze verteufeln, aber wir brauchen eine breite Debatte darüber, wo diese gesellschaftlichem Nutzen dienen – und wo sie vor allem schädlich sind.

3. Transparenz statt Datensparsamkeit

Der Datenschutz, auf deutscher und europäischer Ebene, war die letzten Jahre vor allem auf Datensparsamkeit ausgelegt. Die informationelle Selbstbestimmung, die eigentlich einmal Grundlage des Datenschutzes war, sagt aber, dass jeder eigenständig über den eigenen Datenschutz entscheiden kann. Es gibt auf individueller Basis gute Gründe, die eigenen Daten zu schützen. Aber auch gute Gründe, viele Daten zu produzieren. Ein Datenschutz, der einseitig auf Datensparsamkeit setzt, geht an der Realität von großen Teilen der Bevölkerung vorbei. Gerade bei den jüngeren Menschen, die in ihrem Alltag ganz bewusst immer mehr Daten untereinander teilen. Statt mehr Einschränkungen benötigen wir zukünftig eine höhere Transparenz darüber, welche Daten erhoben werden und was mit diesen passiert. Der Fall von Cambridge Analytica hat eindrücklich gezeigt, wie wenig die meisten Nutzer wissen, was mit ihren Daten wirklich passiert, und wie viele Nutzer den seitenlangen AGB der Netzwerke blind zustimmen.

4. Keine Akkumulation von Daten und ökonomischer Macht

Eine wichtige Konsequenz der digitalen Wirtschaft ist die Akkumulation von großen Datenmengen, was wiederum Wissen und eine große wirtschaftliche Macht bedeutet. Die digitale Wirtschaft konzentriert sich zunehmend auf wenige sehr mächtige Unternehmen. Während die Kartellbehörde in Deutschland einerseits die eher harmlose Fusion von Supermarktketten untersagt, warnt sie nur zaghaft vor dem gefährlichen Kauf von WhatsApp durch Facebook und einer möglichen Zusammenführung von Nutzerdaten. Das Kartellrecht muss schnell geändert werden und auch Datenmacht mit in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Wir dürfen auch vor Zerschlagungen nicht mehr zurückschrecken.

5. Der Staat darf nicht blind Daten sammeln

Der deutsche Staat ist in den letzten Jahren zunehmend zu einem Datenstaubsauger geworden. Mit einem neu geschaffenen Gesetz darf das Bundeskriminalamt seit vergangenem Jahr die Laptops von Bürgern und Bürgerinnen mit Staatstrojanern infiltrieren. Dieser kann dann unsere gesamte Kommunikation überwachen. Ein ganzes Bündel an weiteren Überwachungsgesetzen wurde allein in der zurückliegenden Legislaturperiode durch den Bundestag gebracht. Doch wie soll ein datensammelnder Staat noch glaubwürdig Technologiekonzerne im Bereich der Datenethik regulieren? Wir brauchen daher nicht zuletzt auch ein Umdenken in der Sicherheitspolitik.