GI-Radar 213: Rundfunk mitbestimmen

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

im Thema im Fokus befassen wir uns dieses Mal mit dem Thema Rundfunk. In den Kurzmitteilungen präsentieren wir unter anderem die Ergebnisse der aktuellen Stack-Overflow-Befragung. Im Fundstück geht es um die Komprimierbarkeit von Songtexten.

Auf der GI-Homepage haben Sie weiterhin die Möglichkeit, die Ethischen Leitlinien der GI zu kommentieren (Direktlink). Bitte bringen Sie sich dort in die Diskussion ein! 

Viel Spaß mit der Lektüre dieser Ausgabe!

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Bento-Browser + Stack-Overflow-Umfrage + Roboter in der Pflege + Interview: 25 Jahre WWW + Rundfunk + GI-DevCamp in München + GI-Regionalgruppentreffen + GI-Fellows gesucht + Positionspapier zu Data Literacy + Wiederholungen in Song-Texten

KURZMITTEILUNGEN

Übersicht bewahren mit dem Bento-Browser (cmu.edu, engl.). Recherchen im Internet werden schnell unübersichtlich. Zwischenzeitlich sammeln sich dutzende Webseiten in der Tab-Leiste des Browsers, deren Relevanz noch nicht endgültig geklärt ist. Auf mobilen Endgeräten ist Abhilfe in Sicht. Auf der Konferenz CHI 2018 wurde nun der neue Browser „Bento“ vorgestellt, der an der Carnegie Mellon University entwickelt wird.  weiterlesen

Ergebnisse der StackOverflow-Umfrage 2018 (Medium, engl.). StackOverflow ist die populärste Frage-Antwort-Plattform für Software-Entwickler. Jedes Jahr befragen die Betreiber ihre Nutzer. Wir verlinken auf einen Artikel mit ausgewählten, teilweise überraschenden Ergebnissen. Dazu zählt: (nur) 59% der Befragten weigern sich, Software für ein ethisch fragwürdiges Ziel zu entwickeln.  weiterlesen

Roboter und der Pflegenotstand (ZEIT). In Japan sind Roboter allgegenwärtig. Im verlinkten Artikel werden verschiedene Arten von Robotern vorgestellt. Da stellt sich die Frage: Würde ich mich lieber von einem Roboter oder einem Pfleger pflegen lassen? Interessant sind insbesondere die Kommentare zur (möglichen) Akzeptanz.  weiterlesen

25 Jahre WWW: Interview mit Anja Feldmann (SZ). Für viele Menschen gehört das Internet inzwischen zur Grundversorgung. Tatsächlich ist es ein zunehmend kommerziell betriebener Dienst mit allen Chancen und Risiken.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Rundfunk mitbestimmen! Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sieht sich derzeit verschiedenen Debatten ausgesetzt. Neben der Diskussion über die Umstellung des Beitragsmodells (monatlich ein pauschaler Beitrag von 17,50 € statt einer Gebühr pro Gerät) und Regelungen zum Depublizieren spielen auch Fakenews und deren Einordnung eine bedeutende Rolle. Zudem steht die Frage im Raum, welche Bedeutung öffentlich-rechtlichem Rundfunk im digitalen Zeitalter zufällt.

Die Meinungen gehen bei der tatsächlichen Ausgestaltung bekanntlich auseinander. Einer aktuellen Studie zufolge sind 39% für die Abschaffung von ARD/ZDF (FAZ). Die knappe Mehrheit (55%) ist für den Erhalt von ARD/ZDF. Auch unter den Befürwortern der öffentlich-rechtlichen Sender sind viele, die eine Reform in dem Bereich für notwendig halten, um unter anderem den digitalen Herausforderungen Rechnung zu tragen und bürokratische Strukturen zu beseitigen.

Neuer Rundfunkbeitrag wird geprüft. Der im Jahr 2013 neu geschaffene Rundfunkbeitrag wird am 16. und 17. Mai 2018 durch das Bundesverfassungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit geprüft (Stern). In der Verfassungsbeschwerde wird insbesondere kritisiert, dass auch ohne Radio oder TV-Gerät Beiträge erhoben werden. Des Weiteren würden Unternehmen und Single-Haushalte benachteiligt. Das Urteil könnte massive Auswirkungen auf den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag haben und somit letztlich auch die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender beeinflussen. Neben der finanziellen Ausgestaltung, welcher in der medialen Berichterstattung meist viel Platz eingeräumt wird, stellen sich allerdings auch inhaltlich bedeutende Fragen: Wie kann Rundfunk im digitalen Zeitalter aussehen? Und auf welche Weise wird dabei den Beitragszahlenden ein Mitspracherecht eingeräumt?

Fehlende Mitsprachemöglichkeit und undurchsichtige Strukturen. Bislang ist die Organisation des Rundfunks in Deutschland eine unübersichtliche Angelegenheit, bei der es an Transparenz und Mitsprachemöglichkeiten mangelt. Gemäß dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag ist vorgesehen, dass eine „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF) eingesetzt wird, die, wie der Name bereits vermuten lässt, entsprechende Finanzbedarfe des öffentlichen Rundfunks prüft und Anpassung der Finanzierung vorschlägt. Die KEF hat 16 Mitglieder, jedes Bundesland kann ein Mitglied berufen. Die Kommission besteht zurzeit aus 15 Männern und nur einer Frau und ist auf Grund einer massiven Unterbesetzung an Frauen als nicht repräsentativ zu betrachten. Auch Änderungen und Vorgänge in Bezug auf die Rundfunkverträge sind undurchsichtig und finden weit entfernt von den eigentlichen Beitragszahlenden statt. Entsprechende Änderungen sind durch die Rundfunkkommission der Länder möglich, diese wiederum betrachten den Finanzbericht der KEF und die verschiedene medienpolitischen Interessen einzelner Akteure. Letztlich läuft es meist darauf hinaus, dass einzelne Interessenvertreter, wie etwa der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV) oder der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) dort ihre Interessen platzieren und wie sich an den bislang noch geltenden Regeln zur Depublikation zeigt – auch durchsetzen. Eine Interessenvertretung der Beitragszahlenden findet nur indirekt statt und lässt sich im Endergebnis selten feststellen.

Open Data und digitale Erhebungen – Fehlanzeige. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hält sich auch in anderen Belangen bedeckt. So sind Sendepläne beispielsweise nicht in verarbeitungsfreundlichen Formaten abrufbar. Die Verwendung der Rundfunkbeiträge sind für den Endverbraucher zwar dank einer Transparenzoffensive der ARD mittlerweile öffentlich, allerdings hat man keinerlei Einfluss auf die Verwendung des Geldes. Des Weiteren findet nur bedingt eine Interessenerhebung bei den Zuschauern statt. Es gibt de facto keinen Abgleich zwischen dem Interesse des Zuschauers und den Sendungen die produziert werden, obwohl dies technisch mittlerweile durchaus machbar wäre. Die Quotenermittlung in Deutschland verfolgt aktuell allerdings einen grundlegend anderen Zweck, den der quantitativen Reichweitenmessung. Dass dieser Zweck höchst fragwürdig und nicht zwangsläufig zielführend ist, wird beispielsweise in der Dokumentation „Die Macht der Zuschauer“ aufgezeigt. Des Weiteren werden die Reichweiten der Onlineangebote (in den Mediatheken) nicht öffentlich angegeben, obwohl diese Daten rein technisch ohnehin anfallen müssten. Kritiker fordern deswegen mehr Transparenz und die Förderung von Ansätzen, wie „Open Data“.

Rundfunk muss sich neu erfinden und die Bürger müssen mithelfen können. Ein klares Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wie es zuletzt in der Schweiz vorlag, wird es in Deutschland vermutlich nur dann geben, wenn auch die Bürgerinnen und Bürger einen klaren Mehrwert im Rundfunk sehen und ein Bewusstsein für den von ihnen finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk entwickeln. Am Ende bleibt es bei der Frage, welchen Rundfunk sich die Bürger wünschen und wie sie diesen Rundfunk unter vorliegenden Bedingungen überhaupt mitbestimmen können.

Dieser Beitrag wurde von Junior-Fellow Tim Philipp Schäfers beigesteuert. Herr Schäfers führt derzeit mit verschiedenen Personen aus der GI, der Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft Videointerviews zur Informatik und damit verbundenen Themen durch. Die erste Folge des Videoformates wurde mit Robert Schäfer von der Initiative „Rundfunk mitbestimmen“ am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam aufgenommen. Sie behandelt genau das Fokus-Thema dieses GI-Radars und ist auf Youtube abrufbar.

Themenvorschläge für das Thema im Fokus nehmen wir unter redaktion@gi-radar.de gerne entgegen.

GI-MELDUNGEN

GI-DevCamp in München. Zum 18. DevCamp in München versammelten sich Ende April Studierende zu Vorträgen, Workshops und Gruppenarbeit. Von Machine Learning über Chatbots und Softwareentwicklung spannte sich ein breiter Bogen von Themen.  weiterlesen

GI-Regionalgruppen in Leipzig. Ende April trafen sich die Leitungen der GI/GChACM-Regionalgruppen zum Erfahrungsaustausch. Unter anderem ging es darum, wie das Angebot ausgebaut werden kann und wie man weitere (noch von der GI unerschlossene Landstriche) mobilisieren kann. Falls Sie Interesse haben bei sich eine Regionalgruppe ins Leben zu rufen: Sprechen Sie uns an. Wir helfen gerne und bringen Sie mit anderen Interessierten in Kontakt.  weiterlesen

GI-Fellows gesucht. Bis zum 25. Mai können Sie besondere, informatikaffine Persönlichkeiten als GI-Fellow vorschlagen. Wir suchen spannende Persönlichkeiten, die Besonderes für die Informatik und am besten auch für die GI geleistet haben.  weiterlesen

Publikation zu Data Literacy veröffentlicht. Data Literacy ist ein viel zitiertes Schlagwort. Gemeint ist damit ist die Fähigkeit des planvollen Umgangs mit Daten. Hierzu hat die GI gemeinsam mit befreundeten Organisationen ein Positionspapier herausgegeben.  weiterlesen

FUNDSTÜCK

Haben Songtexte heute mehr Wiederholungen als früher? Schon im Jahr 1977 hat Informatikpionier Donald Knuth in einem Aufsatz kritisiert, dass die Texte in „moderner“ Musik immer mehr Wiederholungen enthielten. Aber ist das wirklich so? Unser Fundstück ist ein gut aufgemachter interaktiver Artikel, der diese Frage anhand empirischer Daten aus dem Zeitraum 1958 bis 2017 klärt. Clever: Als Maß für das Ausmaß der Wiederholungen in den Lyrics wird einfach die Kompressionsrate verwendet, die der Lempel-Ziv-Algorithmus erzielt. Die Grundidee des Algorithmus wird dazu am Anfang des Textes an einem Beispiel anschaulich erklärt.   Zum Artikel (pudding.cool)

Dieses Fundstück hat GI-Mitglied Fabiola Buschendorf vorgeschlagen. Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 213 des GI-Radars. Diese Ausgabe wurde von Dominik Herrmann erstellt, der die 27 Browser-Tabs mit potenziellen Beiträgen für dieses GI-Radar inzwischen wieder geschlossen hat. Die GI-Mitteilungen hat GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 18. Mai 2018.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) oder Facebook zukommen lassen.