GI-Radar 348: Informatikkompetenzen für Lehrkräfte

 

Liebe Leserinnen und Leser, 

in unseren Kurzmitteilungen geht es in dieser Woche gleich zweimal um KI: einmal um deren Regulierung auf europäischer Ebene und einmal um die Weiterentwicklung hin zu genereller Intelligenz. Des Weiteren gibt es eine Sicht auf die Einführung der elektronischen Patientenakte und eine Betrachtung zum Einsatz von Programmen bei der Kreditvergabe. Das Thema im Fokus behandelt die GI-Empfehlungen zu Informatikkompetenzen für Lehrkräfte. In den GI-Mitteilungen können Sie nachlesen, wen die GI-Mitglieder in Vorstand und Präsidium gewählt haben, wir bitten Sie, weiter am Forschungsprojekt Wahlverifikation mitzuarbeiten und hoffen auf Ihr Engagement im Beirat „Junge Wissenschaft“.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe und verabschieden uns bis zum 12. Januar in die Weihnachts- und Winterpause!

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KI-Regulierung in Europa + Entwicklung von genereller Intelligenz + Elektronische Patientenakte + Kreditvergabe via Roberta + Informatikkompetenzen für Lehrkräfte + Wahlergebnis + Evaluierung der Wahlverifikation + Beirat „Junge Wissenschaft“ sucht Verstärkung + The Coming Wave

KURZMITTEILUNGEN

KI wird auf europäischer Ebene geregelt (Spiegel). Mit dem AI Act reguliert Europa künftig KI-Anwendungen. Nach langen Diskussionen hat man sich geeinigt, KI-Anwendungen je nach Risiko der Anwendungsform unterschiedlich strengen Regeln zu unterwerfen. Die Zustimmung der Staaten und des Europaparlaments steht noch aus, das gilt aber als Formsache.  weiterlesen

Von AI zu AGI: wann wir es für die Menschheit gefährlich? (ZEIT). Nach dem Schlagwort AI (Artificial Intelligence) gibt es einen erweiterten Begriff: AGI (Artificial General Intelligence). Forschende arbeiten derzeit daran herauszufinden, wo Programme „nur“ große Datenmengen verarbeiten (AI) und wo sie anfangen, tatsächlich selbstständig Dinge zu tun, die bislang dem Menschen vorbehalten waren (AGI) – bis hin zu der Frage, ob ein Computer ein Kleinkind trösten kann. Wird der Mensch dann irgendwann tatsächlich ersetzbar? Eine philosophische Frage.  weiterlesen

Elektronische Patientenakte (ePA) kommt: Vor- und Nachteile (taz). Im kommenden Jahr soll die elektronische Patientenakte in Deutschland eingeführt werden. Patientinnen und Patienten haben ein Widerspruchsrecht; wer sich nicht äußert, stimmt zu. Auch wenn diese gesammelten Daten möglicherweise Vorteile für die Kranken haben und der Ärzteschaft Diagnosen erleichtern, ist die ePA in Datenschutzkreisen nicht unumstritten, kommentiert die taz.  weiterlesen

Kreditberatung via „Roberta“: wie ein Programm die richtige Ansprechperson aussucht (Tagesschau). Einen Immobilienkredit zu beantragen, ist wahrscheinlich für die meisten Menschen aufregend. Das machen sich  Banken zunutze, indem sie die Beratung auf die Persönlichkeit der Interessierten zuschneiden, und das via Programm. Dabei werden häufig auch weitere Daten ausgetauscht – was problematisch sein kann.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Digital kompetente Lehrkräfte brauchen auch Informatikkompetenzen. Seit Ende November 2023 sind in der Digitalen Bibliothek der GI Empfehlungen zu Informatikkompetenzen für alle Lehrkräfte verfügbar, die in den vergangenen Jahren vom GI-Arbeitskreis „Lehrkräftebildung Informatik“ erarbeitet wurden. 

In Folge der für Deutschland ernüchternden Ergebnisse der International Computer and Information Literacy Study (ICILS 2013, vgl. Bos u. a. 2014) und der auch dadurch geprägten KMK-Strategie zur Bildung in der digitalen Welt (Sekretariat der KMK 2016) wurde der Erwerb digitalisierungsbezogener Kompetenzen in den schulischen Lehrplänen und in allen Phasen der Lehrkräftebildung verankert. Dies geschah jedoch in der Breite mit einem Fokus auf die Einbeziehung digitaler Medien in den Unterricht und die Schulentwicklung aus der Perspektive der jeweiligen Fächer und der Bildungswissenschaften. Inzwischen nutzen Lehrkräfte aller Fächer und Schulstufen zunehmend Informatiksysteme für ihren Unterricht und andere professionsbezogene Tätigkeiten und gelangen bei deren Auswahl und Anwendung stets in Entscheidungssituationen, die auch aus Informatikperspektive kompetentes Handeln erfordern (unter anderem im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit, Algorithmen, Netzwerke und Künstliche Intelligenz). Deshalb erscheint es unumgänglich, dass zukünftig alle (angehenden) Lehrkräfte auch mindestens grundlegende Informatikkompetenzen erwerben.

Zur Konkretisierung, welche Informatikkompetenzen alle Lehrkräfte deshalb zukünftig in ihrer Aus- bzw. Fortbildung erwerben sollten, wurde folgender Ansatz gewählt: Ausgehend von Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz für das professionsbezogene Handeln von Lehrkräften, in denen die Tätigkeiten Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren differenziert werden, wurden diesen Tätigkeiten zugeordnete Kompetenzanforderungen mit explizitem oder implizitem Bezug zur digitalen Transformation aus einer Informatikperspektive heraus analysiert. Dies erfolgte mittels der sog. Persona-Methode, indem für o. g. Kompetenzanforderungen anhand der fiktiven Lehrkraft Kim auch aus Informatikperspektive kompetentes Verhalten exemplarisch beschrieben wurde. Diese Beschreibungen stellen die Grundlage für 53 daraus abgeleitete, von allen Lehrkräften für die Bewältigung ausgewählter Handlungssituationen ihres beruflichen Alltags benötigten Informatikkompetenzen dar. Dieser Weg der Orientierung am Lehrkräftehandeln wurde gewählt, um zu verdeutlichen, dass wirklich alle Lehrkräfte unabhängig von ihren jeweiligen Unterrichtsfächernzukünftig solche Kompetenzen benötigen.

Zur Einordnung in den innerinformatischen Kompetenzdiskurs und zur Sicherung der Vollständigkeit wurden anschließend die in den GI-Empfehlungen für Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe I (GI 2008) enthaltenen Kompetenzbereiche genutzt, die aus den Handlungssituationen abgeleiteten Informatikkompetenzen zu ordnen. Die Empfehlungen für die Sekundarstufe I wurden gewählt, da sie eine informatische Allgemeinbildung für alle Schüler*innen beschreiben, was gut zum Ziel einer informatischen Bildung aller Lehrkräfte passt. Bei dieser Vorgehensweise zeigte sich, dass die aus den Handlungssituationen abgeleiteten und die in den GI-Empfehlungen für die Sekundarstufe I enthaltenen Informatikkompetenzen in etwa vergleichbaren Umfang haben.

Frühere Empfehlungen für informatische Bildung der Gesellschaft für Informatik haben in der Vergangenheit bei der Gestaltung von Informatikunterrichts in Schulen sowie bei der Konkretisierung von Informatikstudiengängen große Beachtung gefunden und wurden und werden als Referenzdokumente bei der Gestaltung von Kernlehrplänen für Informatikunterricht sowie auch im Rahmen von Informatik-Studiengangsakkreditierungen herangezogen. Da die Verankerung des Erwerbs von Informatikkompetenzen im gesamten nationalen System der Lehrkräftebildung vom Studium bis in die Fortbildung, in allen Schulformen und für Lehrkräfte aller Schulfächer eine sehr große Aufgabe und Herausforderung ist, empfiehlt das Dokument zur Umsetzung eine Reihe von Maßnahmen. Hervorgehoben werden u. a. die Notwendigkeit zur Verankerung in Rahmenvorgaben für die Lehrkräftebildung auf Bundes- und Bundeslandebene sowie in den Leitdokumenten von Institutionen im Bereich der Lehrkräftebildung aller Phasen. Dazu gehört auch das Schaffen verpflichtender Lerngelegenheiten im Umfang von ca. 5 bis 10 ECTS-Punkten. 

Begleitend zur Arbeit sammelte der Arbeitskreis gute Beispiele zur Umsetzung von informatischer Bildung für alle Lehrkräfte im Studium. Diese konkretisieren die Position und können als Inspirationsquelle für alle dienen, die ebenfalls Studienangebote mit diesem Ziel etablieren möchten.

Die Empfehlungen wurden am 30.06.2023 vom Präsidium der GI beschlossen und sind (zusammen mit allen anderen Empfehlungen der GI) online verfügbar. Sie werden kurzfristig im Rahmen eines Webtalks vorgestellt, zu dem noch separat eingeladen wird. 

Nachbemerkung: Im GI-Radar war Anfang Dezember 2023 eine Meldung enthalten, die den Eindruck erweckte, es sei eine neue GI-Empfehlung für das Unterrichten von Informatik erschienen. Hierbei handelte es sich um einen redaktionellen Irrtum. Die jetzt erschienene Empfehlung konkretisiert Informatikkompetenzen, die insbesondere auch Nicht-Informatik-Lehrkräfte in ihrem Schulalltag (auch außerhalb des Unterrichtens) benötigen.

Referenzen

Bos, Wilfried u. a. (2014). ICILS 2013. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der 8. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. ger. Münster [u.a.]: Waxmann. ISBN: 978-3-8309-3131-7. DOI.

Gesellschaft für Informatik e. V., Hrsg. (2008). Grundsätze und Standards für die Informatik in der Schule – Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe I. Empfehlungen der Gesellschaft für Informatik e. V. Erarbeitet vom Arbeitskreis »Bildungsstandards« – Beschluss des gi-Präsidiums vom 24. Januar 2008 – veröffentlicht als Beilage zu LOG IN 28 (2008) Heft 150/151. https://t1p.de/7wru (besucht am 30.11.2023).

Sekretariat der KMK Hrsg. (2016). Bildung in der digitalen Welt: Strategie der Kultusministerkonferenz. Kultusministerkonferenz (8. Dez. 2016). Taubenstraße 10, 10117 Berlin: KMK Berlin. https://t1p.de/y65o.

Diesen Beitrag hat der Arbeitskreis „Lehrkräftebildung Informatik“ geschrieben. Vielen Dank! Welches Thema im Fokus finden Sie wichtig? Melden Sie sich bei uns – ganz einfach per Antwort auf diese E-Mail.

GI-MELDUNGEN

GI-Wahlen: die Spitze steht. Am vergangenen Freitag hat der Wahlausschuss unter Leitung von Gerrit Hornung die GI-Wahlen ausgezählt. Christine Regitz wird weitere zwei Jahre an der Spitze der GI stehen, gemeinsam mit Erhard Rahm, Katharina Weitz und Martin Wolf. Ins Präsidium gewählt wurden Carolin Neumann, Harald Wehnes und Maria Wimmer. Wir gratulieren und freuen uns auf die Zusammenarbeit. weiterlesen

Verifikation der GI-Wahlen: Ihre Erfahrungen? In diesem Jahr haben wir zum ersten Mal die Verifikation der Wahl angeboten, um mehr Transparenz zu schaffen. Eine Forschungsgruppe des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) untersucht nun, wie die GI-Mitglieder die Funktionalität der Verifikation der Stimmabgabe wahrgenommen haben. Dazu hat das Team eine kurze, anonyme Umfrage (ca. 10 Minuten) erstellt und lädt alle Onlinewählerinnen und -Wähler herzlich ein, hieran teilzunehmen. Die Ergebnisse der Studie werden wir in einer zukünftigen Ausgabe des GI-Radars teilen.  weiterlesen

GI-Beirat für den wissenschaftlichen Nachwuchs sucht Verstärkung! Wissenschaftszeitvertragsgesetz, Lehre, Promotion … es gibt etliche Themen, die den wissenschaftlichen Nachwuchs (Doktorandinnen und Doktoranden, PostDocs und Junior-Profs) umtreiben und wo es sinnvoll ist, sich gemeinsam zu äußern. Um die Stimme des Nachwuchses hörbarer zu machen, braucht der Beirat Verstärkung. Bitte melden bei der Leitung.  weiterlesen

  

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FUNDSTÜCK

The Coming Wave. Wer über die Weihnachtsfeiertage etwas zum Schmökern sucht, dem sei Mustafa Suleymans 'The Coming Wave: Technology, Power, and the Twenty-first Century's Greatest Dilemma' empfohlen. Das Buch regt zum Nachdenken über aktuelle technologische Entwicklungen und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen an - eine gute Grundlage für anregende Diskussionen im neuen Jahr. Auf der verlinkten Webseite gibt es auch ein Erklärvideo, das einige der Probleme und Erkenntnisse visuell ansprechend darstellt.   Zum Fundstück (the-coming-wave.com, engl.)

Dieses Fundstück hat Detlef Heinze vorgeschlagen. Vielen Dank! Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 348 des GI-Radars vom 15.12.2023. Zusammengestellt hat diese Ausgabe – übrigens die 23. und damit die letzte in diesem Jahr – wie immer Dominik Herrmann, der nun den alljährlichen vorweihnachtlichen Produktivitätsendspurt hinlegt. GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die Mitteilungen und Meldungen zusammengetragen. Das nächste Radar erscheint am 12. Januar 2024.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch via X (vormals Twitter) unter @informatikradar zukommen lassen.