Liebe Leserinnen und Leser,
wir melden uns heute aus unserer Sommerpause zurück. In dieser Ausgabe geht es darum, ob synthetische Models die Modewelt revolutionieren werden, wie man freie Software im Unternehmen rechtssicher einsetzt, wie sich Jugendliche im Netz radikalisieren, warum gerade die Gesichtserkennung wieder interessant wird und wie und ob der Breitbandausbau weitergeht. Das Thema im Fokus liefert einen Diskussionsbeitrag zu der Frage „Führt uns die Digitalisierung in die digitale Kolonie?“ In den GI-Mitteilungen laden wie Sie zum vorletzten Mal zu unserem Informatik Festival in Wiesbaden ein, erinnern noch einmal an unsere Mitgliederversammlung, freuen uns über eine Ehrung für unseren Junior-Fellow Elmar Jürgens, ermuntern Absolventinnen, sich um den den WITA-Preis der Fachgruppe Frauen zu bewerben und wollen Sie neugierig machen auf die diesjährigen Dissertationspreise. Das Fundstück analysiert, wie sich Science-Fiction-Filme im Laufe der Zeit verändert haben.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe.
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06.09.2024 - Model aus dem Rechner + Free and Open Source Software (FOSS) + Online-Radikalisierung + Gesichtserkennung + Glasfaserausbau + Digitale Souveränität + Informatik Festival + Mitgliederversammlung + Softwarequalität-Preis für Elmar Jürgens + WITA-Preis für Absolventinnen + GI-Dissertationspreise 2023 + Who killed the world?
KURZMITTEILUNGEN
Das Model aus dem Rechner: Warum eigentlich noch Menschen? (Golem). Die Bekleidungsindustrie boomt, Plakate, Anzeigen und Werbeclips für Kleidung sieht man allenthalben. Bei mehreren Kollektionen im Jahr braucht es eine Menge Menschen, die dabei als „Kleiderständer“ fungieren. Nun gibt es die ersten Rechner-generierten Models. Die Frage ist: sind sie genauso gut wie Menschen aus Fleisch und Blut, um Begehrlichkeiten zu wecken und was will die Kundschaft sehen? weiterlesen
Free and Open Source Software (FOSS): Fallstricke bei der Nutzung (Computerwoche). Offene Software hat viele Vorteile: sie ist transparent, sie wird von vielen Menschen weiterentwickelt und ist an die eigenen Bedürfnisse anpassbar. Wenn FOSS jedoch in einem Unternehmen eingesetzt wird, ist einiges zu beachten. weiterlesen
Online-Radikalisierung und was davor passiert (NZZ). In dem Moment, wo extremistisch motivierte Morde passieren, wird schnell der Einfluss der sozialen Medien auf junge Menschen thematisiert. Unbestritten ist, dass erst die einfache Vernetzung es Einzelnen ermöglicht, vergleichsweise leicht Gleichgesinnte zu finden und sich zu radikalisieren. Was davor passiert und wie Algorithmen Hass befeuern, analysieren ein Psychologe und zwei Tech-Fachleute. weiterlesen
Gesichtserkennung reloaded (ZEIT). Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner oder Gesichtserkennung: Themen mit hohem Zündstoff. Während die einen der Meinung sind, der Zweck heilige die Mittel, um Straftaten aufzuklären oder zu verhindern, machen sich andere dafür stark, Technologie nur sehr verhalten einzusetzen. Nun wird wieder über das Thema Gesichtserkennung diskutiert. Die Frage ist, welche Technologie zum Einsatz kommt und was im schlimmsten Fall passieren kann. weiterlesen
Glasfaser oder doch lieber DSL (Spiegel). Sofern Sie nicht sowieso schon schnelles Internet zu Hause haben, werden Sie sicherlich immer wieder von unterschiedlichen Anbietern mit Angeboten gelockt. Allerdings ist bislang gerade mal die Hälfte der Menschen in Deutschland an das Glasfasernetz angeschlossen. Woran das liegt und ob sich das in absehbarer Zeit ändern lässt? weiterlesen
THEMA IM FOKUS
Digitale Kolonie. Ja, sehr geehrte Leserinnen und Leser, Sie haben richtig gelesen: „DIGITALE KOLONIE“, ein Begriff, der wie ein großer, unsichtbarer Elefant im Raum steht. Fast alle wissen, dass er da ist, viele versuchen, ihn zu ignorieren. Inzwischen warnt sogar Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst: „Wir dürfen keine digitale Kolonie werden“ (rnd.de).
Das Präsidium der Gesellschaft für Informatik e.V. hat im Juni beschlossen, einen Präsidiums-Arbeitskreis „Digitale Souveränität“ einzurichten, der sich mit diesem Thema beschäftigt. Die GI Jahrestagung 2024, Motto „Lock-in or log out? Wie Digitale Souveränität gelingt”, wird sich ebenfalls mit dieser gesellschaftlichen Herausforderung befassen (gi.de). Ohne Digitale Souveränität keine Zukunft für unsere Gesellschaft! Im Folgenden werden einige Fakten vorgestellt, die die besorgniserregende Entwicklung verdeutlichen, und Lösungsansätze zur Diskussion gestellt.
Kommt die zunehmende Digitalisierung in erster Linie den digitalen Monopolen zugute und führt sie zu einer Verstärkung unserer digitalen Abhängigkeit? Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin ein überzeugter Befürworter der Digitalisierung zum Nutzen von Wirtschaft und Gesellschaft und versuche sie seit Jahrzehnten mit großem persönlichen Engagement voranzutreiben. Wir müssen aber aufpassen, dass wir uns nicht selbst den Ast absägen, auf dem wir sitzen, indem wir die Trends und Gefahren nicht ausreichend berücksichtigen. Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie muss der Gesellschaft dienen und darf weder unsere Rechte auf Informationsfreiheit einschränken noch uns in Abhängigkeiten führen, die erst unsere digitale Bewegungsfreiheit, dann die Wertschöpfung unserer Wirtschaft und schließlich unsere gesellschaftlichen Werte bedeutungslos werden lässt.
Prof. Manfred Broy, TU München, hat die sich abzeichnende Entwicklung bereits im Jahr 2020 auf den Punkt gebracht: „Deutschland ist auf dem Weg, ein digitales Entwicklungsland, eine digitale Kolonie zu werden (…) Letztendlich ist das nicht allein ein wirtschaftliches Problem (tum.de). Auf dem Spiel steht nichts weniger als die deutsche und europäische Identität. Wenn wir unsere Digitale Souveränität verlieren, verlieren wir einen wesentlichen Teil unserer kulturellen Werte und unserer Freiheit“. Inzwischen wird die Sorge immer größer und leider auch realer, dass wir durch die digitale Abhängigkeit unsere Wettbewerbsfähigkeit, unseren Wohlstand und in der Folge unseren diplomatischen Einfluss verlieren.
Dauerhafte Abhängigkeit. Im Vergleich zur Abhängigkeit (statista.com) von russischen Energielieferungen ist die digitale Abhängigkeit von Hyperscalern kritischer zu bewerten: Der Grad der Abhängigkeit ist deutlich höher und die digitale Abhängigkeit ist nahezu irreversibel (statista.com).
Marketing-Narrative „ver-führen“ in die digitale Kolonie: Die Marketingversprechen der großen Anbieter von Rechenzentrumsdienstleistungen, der „Hyperscaler Clouds“, sind gigantisch. Den Kunden wird ein nahezu ungebremstes Wachstum bei gleichzeitiger Flexibilität, Risikominimierung und Kostenersparnis suggeriert – und das alles unter Einhaltung bestehender Gesetze. Fast täglich werden Entscheider in Unternehmen mit dem Narrativ „Keine Server – keine Sorgen“ gelockt. Allen Verantwortlichen müsste klar sein, dass sie ihre Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit riskieren, wenn sie die Daten und Prozesse, das Herzstück ihres Unternehmens oder ihrer Organisation, in diese Rechenzentren verlagern, die zudem eben nicht europäischem Recht, sondern dem US-CLOUD Act (Overseas Use of Data, congress.gov) unterliegen. Den vermeintlichen kurzfristigen Vorteilen stehen bei näherer Betrachtung unkalkulierbare Risiken für die Zukunft gegenüber. Diese reichen von wirtschaftlicher Erpressbarkeit bis hin zur Existenzgefährdung.
Auf dem digitalen Markt ist der faire Wettbewerb weitgehend verschwunden. Es herrscht eine besorgniserregende Marktdominanz einiger weniger Big-Tech-Unternehmen, die die Regeln und Konditionen weitgehend bestimmen. So werden die Regelungen der DSGVO oft automatisch durch die Nutzung der Produkte ausgehebelt. DSGVO-widrige Nutzungsbedingungen ermöglichen eine unkontrollierbare Datenweitergabe an Dritte sowie die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen. Fallbeispiele dokumentieren den unvorstellbaren Datenmissbrauch (netzpolitik.org).
Hinzu kommt, dass digitale Monopole ihre Marktmacht zunehmend auf andere Wirtschaftsbereiche wie Medien, Banken, Logistik, Gesundheitswesen, Bildung etc. ausdehnen und auch dort immer dominanter werden (pharmazeutische-zeitung.de). Damit einher geht ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, Wertschöpfung, Wachstum und Wohlstand, der zwangsläufig zu sinkenden Steuereinnahmen und Einnahmen der Sozialkassen führt. Die negativen Effekte auf unser Sozialsystem werden unterschätzt.
Digitalisierung nicht auf Kurs: Nachsteuern dringend erforderlich. Sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Digitalstrategie 2022 hat die Bundesregierung sehr ambitionierte Ziele für die Digitalisierung in Deutschland angekündigt (bundesregierung.de, bund.de). Die Umsetzung ist jedoch weit von den gesetzten Zielen entfernt. Die milliardenschweren Ausgaben von Steuergeldern an digitale Monopolisten von Datenbanken, Bürokommunikation und Chips stehen im Widerspruch zu den strategischen Zielen, insbesondere dem Ziel, die digitale Souveränität Deutschlands stärken zu wollen (tagesspiegel.de, spiegel.de, tagesschau.de). Durch diese hohen Steuerausgaben wird die besorgniserregende Abhängigkeit von den bestehenden digitalen Monopolen zementiert und sogar noch verstärkt. Die Bundesregierung muss umgehend reagieren, um eine zukunftsorientierte Digitalisierung mit einer wettbewerbsfähigen deutschen Digitalwirtschaft zu gewährleisten. Auch die „smart verpackten“ Clouds von Hyperscalern sind geopolitisch bedenklich, erfüllen die „Mindestkriterien für Souveräne Clouds“ der Datenschutzkonferenz (DSK) nicht vollständig und zementiert die Vormachtstellung von Big Tech in der öffentlichen Verwaltung zu Lasten der Digitale Souveränität (datenschutz-berlin.de).
Dringender Handlungsbedarf! Das wirksamste Mittel gegen die Dominanz der Marktführer ist eine konzertierte Aktion auf staatlicher, unternehmerischer und bürgerschaftlicher Ebene: die „Allianz für Digitale Souveränität“. Sie ist ein im Aufbau befindlicher Zusammenschluss der unzähligen Einzelpersonen, kleinen und großen Gruppen, Vereinen, Organisationen und Verbänden, die sich bereits heute mit Digitaler Souveränität beschäftigen. Dazu gehören neben der großen Open-Source-Community insbesondere die Unternehmensleitungen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von IT-Unternehmen, die Software „Made in Germany/EU" erstellen und DSGVO-konformes Hosting anbieten.
Darüber hinaus sollten sich IT-Anwenderinnen und Anwender aus Unternehmen, staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen in diesem Verein engagieren, insbesondere Unternehmer, denen die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens am Herzen liegt.
Im Rahmen der GI-Jahrestagung 2024 findet am 26. September ab 9:00 Uhr die Tagesveranstaltung „Lock-in und digitale Kolonie verhindern durch Digitale Souveränität und Open Source“ statt. Im Anschluss an die Keynotes, Diskussionen und ein Panel soll ein Aktionsplan „Digitale Souveränität – Machen!“ erarbeitet werden. Wir freuen uns auf Ihr Interesse. Auch eine Online-Teilnahme ist möglich; Einwahllink: https://meet.gwdg.de/b/jul-yil-yvo-nqx.
Der Beitrag wurde von GI-Präsidiumsmitglied Harald Wehnes, Institut für Informatik der Universität Würzburg, beigesteuert. Wenn Sie der Inhalt des Beitrags anspricht und Sie im Präsidiumsarbeitskreis „Digitale Souveränität“ mitarbeiten möchten, wenden Sie sich bitte direkt an wehnes@informatik.uni-wuerzburg.de. Auch Rückmeldungen zu diesem Diskussionsbeitrag sind willkommen.
GI-MELDUNGEN
Informatik Festival in Wiesbaden. 18 mal werden wir noch wach … dann ist Festival-Tag. Am 24. September startet das diesjährige Informatik Festival in Wiesbaden mit einem Rekord von über 50 Workshops. Nach dem ersten Tag gibt es einen Empfang in der Henkell-Sektkellerei inklusive Führung. Am zweiten Tag erwarten Sie interessante Hauptvorträge und Panels und am Abend ein festliches Dinner in einem Bootshaus mit Blick auf den Rhein. weiterlesen
Ordentliche Mitgliederversammlung. Im Rahmen unserer Jahrestagung findet am Dienstag, dem 24. September, ab 16:00 Uhr die GI-Mitgliederversammlung statt. Hier steht Ihnen der Vorstand Rede und Antwort und Sie können die Kandidatinnen und Kandidaten für die diesjährige Präsidiumswahl begutachten. Alle Unterlagen finden sich im Mitgliederbereich. weiterlesen
Deutscher Preis für Softwarequalität (DPSQ 2024) für Dr. Elmar Jürgens. Der ASQF, die GI-Fachgruppe TAV und das German Testing Board (GTB) vergeben 2024 zum 4. Mal gemeinsam den „Deutschen Preis für Software-Qualität“. Preisträger des Jahres 2024 ist Dr. Elmar Jürgens, der sich seit vielen Jahren für das Thema Softwarequalität engagiert. Als Brückenbauer zwischen Wissenschaft und Praxis gelingt es ihm vortrefflich, seine Forschungsergebnisse und seine Praxiserfahrungen in die Community einzubringen. Wir gratulieren! weiterlesen
Fachgruppe Frauen und Informatik schreibt Preis WITA 2025 (Women Informatics Thesis Award) aus. Die Fachgruppe Frauen und Informatik zeichnet mit dem Preis WITA 2025 (Women Informatics Thesis Award) Absolventinnen mit herausragenden Bachelor- oder Masterarbeiten mit Informatik-Schwerpunkt aus. Preiswürdig sind Arbeiten mit einem innovativen Thema, die neue Einsatzmethoden der Informatik in einem Anwendungskontext oder ein Informatikthema mit gesellschaftlicher Relevanz behandeln. Einreichungsschluss ist der 15. November 2024. weiterlesen
GI-Dissertationspreis 2023. In diesem Jahr werden zwei herausragende Dissertationen ausgezeichnet. Mennatallah El-Assady von der ETH Zürich und Dominik Schreiber vom Karlsruher Institut für Technologie haben die Jury unter Leitung von Rüdiger Reischuk mit ihren herausragenden Forschungsergebnissen nachhaltig beeindruckt. Worum es geht und wann die beiden ausgezeichnet werden, lesen Sie hier. weiterlesen
Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues oder auch ältere Fundstücke.
FUNDSTÜCK
Who killed the world? Wie sich Science-Fiction-Filme verändert haben. Im letzten GI-Radar stand hier: Die Welt ist aus den Fugen. In vielen Science-Fiction-Filmen ist das die Ausgangslage. Ist Ihnen aufgefallen, dass sich in diesem Genre die Erzählmuster im Laufe der Zeit verändert haben? Heute geht es in Science-Fiction-Filmen oft um gesellschaftliche Krisen und Ungerechtigkeit – und häufig müssen die Protagonistinnen und Protagonisten ihre Schwächen überwinden, um die Welt zu retten. Das war aber nicht immer so, wie Alvin Chang in unserem Fundstück zeigt. Er hat mittels IMDB und ChatGPT aus jeder Dekade 200 beliebte Science-Fiction-Filme analysiert. Auf seiner Webseite pudding.cool präsentiert er Gemeinsamkeiten und Veränderungen im Zeitverlauf. Sehr interessant, finden wir! Zum Fundstück (pudding.cool)
Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!
Dies war Ausgabe 363 des GI-Radars vom 06.09.2024. Zusammengestellt hat diese Ausgabe Dominik Herrmann, der vor vielen Jahren im Englisch-Leistungskurs in seiner Facharbeit Stanley Kubricks Film „2001: A Space Odyssey“ analysiert hat. GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die Mitteilungen und Meldungen zusammengetragen. Das nächste Radar erscheint am 20. September.
Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch via X unter @informatikradar zukommen lassen.
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