GI-Radar 374: Neue Empfehlung für den Informatikunterricht

 

Liebe Leserinnen und Leser,

nach einer kurzen Pause melden wir uns mit dieser Ausgabe gut erholt zurück. Dieses Mal geht es um die elektronische Patientenakte, deren flächendeckender Start näher rückt, 25 Jahre USB-Stick, Leitlinien zum Einsatz von KI an Hochschulen und eine Richtlinie zum Schutz vor aggressiver Werbung im Netz. In unserem Thema im Fokus stellen wir Ihnen die neuen Bildungsstandards für die Sekundarstufe I ausführlich vor. In den GI-Mitteilungen finden Sie Informationen zu einer Publikation aus unserem Projekt NFDIxCS mit Praxisbeispielen, eine Stellungnahme zum geplanten Gesetz gegen digitale Gewalt und den Hinweis, dass es jenseits des GI-Radars noch andere spannende Newsletter in der GI gibt.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe.

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Elektronische Patientenakte + 25 Jahre USB-Stick + Leitlinien für den Einsatz von KI an Hochschulen + Digital Fairness Act + neue Bildungsstandards für die Sekundarstufe I + NFDIxCS-Publikation zu Erfahrungswerten + Stellungnahme zum Gesetz gegen Digitale Gewalt + GI-Newsletter + Fake-Bilder identifizieren

KURZMITTEILUNGEN

Elektronische Patientenakte: Anwendung zwischen Himmel und Hölle? (ZEIT). Unnötige Doppeluntersuchungen vermeiden und Risiken durch Wechselwirkungen bei Medikamenten minimieren – was dem einen als sinnvoll erscheint, ruft bei der anderen Unwohlsein hervor: die Speicherung der Gesundheitsdaten in der elektronischen Patientenakte. Derzeit laufen Pilotprojekte; ab Mitte des Jahres soll die Akte flächendeckend ausgerollt werden. Pro und contra und die Veränderung der Sicht auf eine Anwendung, die alle betrifft.  weiterlesen

25 Jahre USB-Stick – eine Erfolgsgeschichte (Spiegel). Nutzen Sie noch USB-Sticks oder geht bei Ihnen mittlerweile der gesamte Datenaustausch über eine Cloud? Vor 25 Jahren hat der USB-Stick den Datentransfer revolutioniert. Ganz am Anfang musste man dazu allerdings noch von einer Diskette oder einer CD einen Treiber installieren (sagt Ihnen das überhaupt noch etwas?), doch relativ rasch klappte „Plug and Play“. Auch Speicherkapazität und Geschwindigkeit nahmen rasant zu. Und auch heute gibt es noch einen großen Markt für die kleinen Helfer.  weiterlesen

KI-Kompetenz an Hochschulen: Vorgabe der Europäischen KI-Verordnung und Forderung nach Leitlinien (Forschung & Lehre). Hochschulleitungen sind qua EU-Verordnung verpflichtet, Beschäftigten und Studierenden Kompetenzen für die Arbeit mit KI zu vermitteln. Hierzu sollen die Hochschulen Leitlinien erarbeiten und zur Verfügung stellen. Mittlerweile gibt es einige Beispiele, jedoch noch nicht überall.  weiterlesen

Digital Fairness Act: Schutz vor aggressiver Werbung und Beeinflussung im Netz (taz). Nach dem Digital Service Act soll nun eine entsprechende Leitlinie zum Thema Fairness folgen. Diese soll unethische Geschäftspraktiken wie „Dark Patterns“ einschränken und die süchtig machende Gestaltung digitaler Produkte sowie Online-Profiling zwecks personalisierter Werbung unterbinden.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Bildungsstandards: Neue Empfehlung für den Informatikunterricht.  Am 31.01.2025 hat das GI-Präsidium den vom Arbeitskreis „Bildungsstandards Sekundarstufe I“ erarbeiteten Entwurf nach kurzer Beratung und Diskussion als Empfehlung für den Informatikunterricht verabschiedet. Die Bildungsstandards ersetzen die „Grundsätze und Standards für die Informatik in der Schule“ vom 24.01.2008. Letztere hatten in der Vergangenheit großen Einfluss auf die Erarbeitung von Curricula in den Bundesländern. Mit den Jahren wuchs jedoch der Bedarf für eine Überarbeitung der Standards. Die stürmische Entwicklung der Informatik macht vor der Schule nicht Halt und führt zwangsläufig zu notwendigen Veränderungen und Anpassungen der Curricula. Mit der neuen Empfehlung hat die GI zeitgemäße Bildungsstandards formuliert, an denen sich die Bundesländer bei der Überarbeitung ihrer Curricula orientieren können.

Bildungsstandards definieren Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe erreichen sollen. Sie legen fest, was sie in einem Fach wissen und können sollen. Im Unterschied zur Orientierung an Inhalten und Methoden in früher üblichen Lehrplänen sind Bildungsstandards kompetenzorientiert. Sie basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und pädagogischen Zielsetzungen und beschreiben Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler in Bezug auf Inhalte und fachliche Methoden entwickeln sollen. Es geht nicht darum, was und wie gelernt werden soll, sondern was die Schülerinnen und Schüler am Ende der Sekundarstufe I können sollen.

Das Kompetenzmodell der Bildungsstandards. Den neuen Bildungsstandards liegt ein Kompetenzmodell zu Grunde, das aus einer Verknüpfung von jeweils fünf Prozess- und Inhaltsbereichen sowie drei Anforderungsbereichen besteht. 

In den Prozessbereichen wird beschrieben, auf welche Art und Weise die Schülerinnen und Schüler mit Fachinhalten umgehen sollen. Die Prozessbereiche sind „Modellieren und Implementieren“, „Begründen und Bewerten“, „Strukturieren und Vernetzen“, „Kommunizieren und Kooperieren“ und „Darstellen und Interpretieren“. Für jeden Prozessbereich sind zwischen sieben und neun Kompetenzen formuliert. „Die Schülerinnen und Schüler testen eine Implementierung nach vorgegebenen Kriterien“ ist ein Beispiel dieser Kompetenzen. 

Durch die Inhaltsbereiche wird festgelegt, in welchen Gebieten der Informatik die Schülerinnen und Schüler Kompetenzen erwerben und über welches fachliche Wissen und Können sie dazu in diesen Gebieten verfügen sollen. Sie heißen „Information und Daten“, „Algorithmen“, „Sprachen und Automaten“, „Informatiksysteme“ und „Informatik, Mensch und Gesellschaft“. Die Anzahl der Kompetenzen eines Inhaltsbereichs beträgt zwischen vier bei „Sprachen und Automaten“ und zwölf bei „Information und Daten“. Beispielsweise ist „Die Schülerinnen und Schüler beschreiben den Einfluss der verwendeten Daten bei Anwendung eines Verfahrens des maschinellen Lernens“ eine Kompetenz aus dem Inhaltsbereich „Information und Daten“.

Die in den Prozess- und Inhaltsbereichen beschriebenen Kompetenzen werden im Verbund erworben und angewendet. Prozessbezogene Kompetenzen werden in Auseinandersetzung mit informatischen Inhalten erworben und Fachinhalte über prozessbezogene Aktivitäten erschlossen.

Die Anforderungsbereiche beschreiben unterschiedliche kognitive Ansprüche in den drei Stufen „Reproduktion“, „Reorganisation und Transfer“ sowie „Reflexion und Problemlösung“. Sie entsprechen den „Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Informatik“ der Kultusministerkonferenz von 2004. Aufgrund ihrer allgemeinen und jahrgangsunabhängigen Formulierung sind sie auch in der Sekundarstufe I anwendbar. Sie werden im Kompetenzmodell zur Strukturierung der Prozessbereiche benutzt. Die Strukturierung der Inhaltsbereiche erfolgt nach den Jahrgangsstufen 5 bis 6 und 7 bis 10.

Das selbe Kompetenzmodell liegt den GI-Bildungsstandards für die Sekundarstufe II von 2016 zugrunde. Die Empfehlungen für den Primarbereich von 2019 beschränken sich auf die Prozess- und Inhaltsbereiche. Durch die Nutzung eines einheitlichen Kompetenzmodells beschreiben die Standards der Gesellschaft für Informatik konsistent die Qualifikationsziele für den allgemeinbildenden Informatikunterricht. 

Von PISA zu den Bildungsstandards Informatik. Eine Folge der PISA-Untersuchungen Anfang der 2000er Jahre war die Entwicklung von Bildungsstandards für die Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik und später für die Naturwissenschaften. Damit verband sich die Hoffnung auf eine bundesweite Standardisierung und Qualitätsentwicklung in der schulischen Bildung. In Folge dessen haben die Verantwortlichen die Bildungspläne in den Bundesländern kompetenzorientiert formuliert und jeweils Zentralabiture eingeführt.

Zugleich legt die Erarbeitung von Bildungsstandards für ausgewählte Fächer den Schluss nahe, die verbleibenden Fächer – wie Informatik – als zweitrangig zu betrachten. Das führte in der fachdidaktischen Gemeinschaft zu Diskussionen und zum Impuls, eigene Standards der GI zu veröffentlichen. Damit haben wir den Anspruch des Schulfaches Informatik unterstrichen, unverzichtbarer Teil der Allgemeinbildung zu sein. Diese Diskussion mündete im Jahr 2005 in einer Konstituierung einer Arbeitsgruppe, die daraufhin einen Entwurf für derartige Bildungsstandards formulierte.

Diesen Entwurf hat die Arbeitsgruppe in zahlreichen bundesweiten, fachöffentlichen Diskussionen weiter ausgearbeitet und schlussendlich 2008 von der GI unter dem Titel „Grundsätze und Standards für die Informatik in der Schule – Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe I“ verabschieden lassen.

Wenig Erfahrung mit Informatikunterricht in der Sekundarstufe I und unterschiedliche Vorstellungen zu den Zielen eines allgemeinbildenden Informatikunterricht bewogen die Autorinnen und Autoren seinerzeit, die Standards mit einer Darstellung zu „Grundsätzen eines guten Informatikunterrichts“ einzuleiten. Hervorgehoben wurde, dass aus Gründen der Chancengleichheit ein qualifizierter Informatikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler unabdingbar ist. Dies wurde durch die Formulierung von Mindeststandards anstelle von Regelstandards unterstrichen.

Die Situation hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten geändert: Zwischenzeitlich ist Informatik in der Sekundarstufe I zumindest in einigen Bundesländern Pflichtfach geworden. Damit erübrigt sich die Notwendigkeit, dieses Fach vor unterschiedlichen Adressaten zu rechtfertigen. 

Neue Zeiten, neue Standards. Für die Neuauflage der Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe I durch die Gesellschaft für Informatik im Jahr 2025 spielten mehrere Überlegungen eine Rolle. 

Als wohl weitreichendste Wirkung der Bildungsstandards Informatik hat sich bislang der Einfluss auf die Arbeit der Bildungsplankommissionen in den Bundesländern erwiesen. Die Neuauflage der Bildungsstandards trägt diesem Umstand Rechnung und adressiert darum ausdrücklich Bildungsplankommissionen als primäre Zielgruppe.

Anders als noch 2008 bedarf es keiner Rechtfertigung eines Pflichtfachs Informatik für alle Schülerinnen und Schüler. Die Empfehlung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK aus dem Jahr 2022, das Fach Informatik in der Stundentafel der Sekundarstufe I mit mindestens vier und mittelfristig sechs Unterrichtsstunden zu verankern, unterstreicht dies eindrücklich. 

Mit zunehmenden Erfahrungen im Informatikunterricht der Sekundarstufe I wurde die Angemessenheit der 2008 oftmals sehr ambitionierten, als Mindeststandards deklarierten Kompetenzbeschreibungen kritisch beurteilt und in Teilen relativiert, besonders für Schülerinnen und Schüler, die ihren Schulabschluss am Ende der Sekundarstufe I anstreben. Der Arbeitskreis hat dabei dankbar auf eine Vielzahl kritisch-konstruktiver Hinweise von Expertinnen und Experten aus Schulpraxis und Wissenschaft zurückgegriffen, die in mehreren Workshops auf der INFOS 2023, den Fachdidaktischen Gesprächen zur Schulinformatik in Königstein zwischen 2021 und 2024 sowie über eine Online-Umfrage erhoben wurden.

Großen Raum nahm die Prüfung der Standards auf Aktualität und Vollständigkeit unter Berücksichtigung des Bildungswertes für Schülerinnen und Schüler ein. Wichtige und aktuelle Themen wie Internet, Kryptologie oder Künstliche Intelligenz seien exemplarisch als neue, bzw. ausgebaute Aspekte der Bildungsstandards genannt. Die gesellschaftliche Bedeutung informatischer Bildung haben wir durch eine differenzierte Beschreibung von Kompetenzen im Inhaltsbereich „Informatik, Mensch und Gesellschaft“ und die Einbeziehung von Aspekten der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) berücksichtigt.

Wir gehen davon aus, dass die neuen Bildungsstandards für die Sekundarstufe I einen ebenso positiven Einfluss wie die bisherigen Empfehlungen auf die Lehrpläne für Informatik in den Bundesländern haben und den Unterricht im Schulfach Informatik in den nächsten Jahrzehnten prägen werden.

Wir danken Steffen Burk (Studienseminar Darmstadt), Lutz Hellmig (Universität Rostock), Arno Pasternak (TU Dortmund) und GI-Fellow Gerhard Röhner für diesen Beitrag. Sie haben sich in der GI im Arbeitskreis „Bildungsstandards“ des Fachausschusses „Informatische Bildung in Schulen“ (https://fa-ibs.gi.de) engagiert.

Haben auch Sie ein Thema im Fokus, das Sie interessiert? Wir freuen uns auf Ihre Ideen!

GI-MELDUNGEN

NFDIxCS Publikation zu Best Practices im Forschungsdaten- und Softwaremanagement veröffentlicht. Im Rahmen des NFDI-Projektes hat die GI eine Sammlung von 13 Interviews veröffentlicht, in denen Fachleute über ihre Erfahrungen mit Forschungsdaten- und Softwaremanagement berichten. Das Projekt NFDIxCS läuft bis 2028 und hat den Aufbau einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur zum Ziel.  weiterlesen

GI-Stellungnahme zum Diskussionspapier des Bundesministeriums der Justiz zum Gesetz gegen digitale Gewalt (GgdG). Digitale Gewalt hat viele Facetten und ist häufig schwer zu verfolgen. Unter anderem dies zu erleichtern, hat das geplante Gesetz gegen digitale Gewalt zum Ziel. Hierzu wurde nun ein Diskussionspapier veröffentlicht, zu dem die GI Stellung nimmt und Nachbesserungen fordert.  weiterlesen

GI-Newsletter: mehr als das Radar. Ein Überblick. Gerade lesen Sie unser Radar – wie schön! Aber in der GI haben wir noch etliche weitere Newsletter, die für Sie interessant sein könnten: zu unseren Projekten, den Veranstaltungen, und unser Magazin .inf hat auch einen. Wir haben Ihnen alles komplett in einem Überblick zusammengestellt.  weiterlesen

 
Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues oder auch ältere Fundstücke.

FUNDSTÜCK

Beobachtungsgabe schulen und Fake-Bilder identifizieren: lernende Systeme und lernender Mensch. Manch ein gefälschtes Bild lässt sich ohne Schwierigkeiten erkennen. Häufig braucht es aber durchaus ein sehr scharfes Auge. Dieses Quiz, das auf der vom BMBF und der acatech zur Verfügung gestellten Plattform „Lernende Systeme“ läuft, stellt jeweils zwei Bilder von Menschen gegenüber. Sie müssen anschließend entscheiden, welches der beiden Bilder KI-generiert ist. Bei der Auflösung wird erklärt, an welchen Details man KI-generierte Bilder erkennen kann. Macht man dieses Quiz einmal durch, hat man ein deutlich geschulteres Auge als vorher.  Zum Fundstück (plattform-lernende-systeme.de)

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 374 des GI-Radars vom 21.03.2025. Zusammengestellt hat diese Ausgabe Dominik Herrmann, der hofft, dass Ihnen unsere handverlesenen Meldungen besser gefallen als die vollautomatisch erstellten News-Zusammenfassungen, die es inzwischen an vielen Orten im Netz gibt. GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die Mitteilungen und Meldungen zusammengetragen. Das nächste Radar erscheint am 4. April.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch via X unter @informatikradar zukommen lassen.