GI-Radar 380. Open-Source-Software auf Smartphones

 

Liebe Leserinnen und Leser,

in diesem Radar geht es um das Erbeuten von Steuernachzahlungen, die Entwicklung der IT-Dienstleistungen in Deutschland, KI-generierte Musik und Europas schnellsten Rechner. Das Thema im Fokus behandelt die Möglichkeit, Open-Source-Software auf Mobiltelefonen zu installieren. In den GI-Mitteilungen berichten wir von der Auszeichnung der diesjährigen „Jugend forscht“-Preisträgerin der GI, der Wahl von GI-Fellow Claudia Eckert zur acatech-Präsidentin und vom Tod unseres Fellows Heinrich Reinermann. Das Fundstück beschäftigt sich mit einem kleinen Rechner, dem PIC80.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe.

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Phishing bei britischer Steuerbehörde + IT-Dienstleistungen + artifizielle Musik + Superrechner + Open-Source-Software auf dem Mobiltelefon + „Jugend forscht“-Preisträgerin + GI-Fellow Claudia Eckert acatech-Präsidentin + GI-Fellow Reinermann verstorben + PIC80

KURZMITTEILUNGEN

Phishing: Britische Steuerrückzahlungen umgeleitet (Spiegel). In Großbritannien ist es durch einen großangelegten Phishing-Angriff gelungen, Steuerrückzahlungen der Bevölkerung umzuleiten. Kriminelle haben im Namen von Betroffenen deren Rückzahlungen angefordert und auf ihr eigenes Konto buchen lassen. Der Schaden beläuft sich auf 56 Millionen Euro.  weiterlesen

Umsatz mit IT-Dienstleistung rückläufig (Computerwoche). Einer aktuellen Studie zufolge ist der Umsatz mit IT-Dienstleistungen im vergangenen Jahr deutlich weniger gestiegen als im Vorjahr. Zwar legte die Branche im Jahr 2024 um 2,6 % zu, im Vorjahr betrug die Steigerung jedoch noch 9,4 %. Für die Jahre 2025 und 2026 wird ein deutliches Wachstum prognostiziert.  weiterlesen

KI-generierte Musik (Der Standard). Singen ohne zu atmen, keine Störgeräusche, alles läuft glatt und makellos – wenn der (Stör)faktor realer Mensch ersetzt wird. Stimme, Instrumentierung und Intonation werden mithilfe von KI generiert und zusammengebaut. Herauskommt vielleicht nicht der große Wurf, aber radiotaugliche Musik allemal. Was die einen sich schütteln lässt, empfinden andere als Demokratisierung der Musik: Es braucht keine großen finanziellen Ressourcen mehr, um Musik zu produzieren und unters Volk zu bringen.  weiterlesen

Europas schnellster Rechner steht in Jülich (Spiegel). In die Liste der schnellsten Computer der Welt hat es eine Anlage aus Deutschland geschafft: Der Computer „Jupiter“ aus Jülich steht nach drei Rechnern aus den USA auf Platz vier der Supercomputerliste TOP 500 – die seit 1993 regelmäßig aktualisiert wird.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Fair, sicher, nachhaltig: Open-Source-Software für Smartphones. Weltweit gibt es derzeit mehr Mobilfunkverträge als Menschen (web.archive.org). Im Jahr 2023 waren davon rund 6,9 Milliarden für Smartphones aktiv, Tendenz steigend (statista.com). Da diese Geräte sowohl für private, geschäftliche, als auch für politische Zwecke genutzt werden, enthalten sie sensible Informationen, die einen sorgsamen Umgang und besonderen Schutz erfordern. Ereignisse der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass diese Daten von Datenlecks betroffen sind und/oder weltweit zu monetären oder staatlichen Zwecken gesammelt und gehandelt werden – oft rechtswidrig und ohne ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen. Wird die Tatsache berücksichtigt, dass die populärsten Betriebssysteme, Systemdienste und Apps allesamt Closed Source sind, dürfte die Dunkelziffer deutlich höher liegen. Allein die Ungewissheit darüber, was mit den eigenen Daten darüber hinaus geschieht, sollte Grund genug sein, aktiv zu werden.

Wie kann ich mich schützen? Ein wesentlicher Beitrag kann bereits durch den Einsatz von Open-Source-Software (OSS) geleistet werden. Diese zeichnet sich im Gegensatz zu proprietärer Software durch ein hohes Maß an Transparenz aus. Jede Person hat die Möglichkeit, den Quellcode zu studieren und damit die Funktionsweise und den Umgang mit den eigenen Daten genau nachzuvollziehen. Bei der blinden Auswahl von OSS ist jedoch Vorsicht geboten. Ein Open-Source-Projekt ist nicht verpflichtet, den Datenschutz über geltende Gesetze hinaus zu respektieren oder die Sicherheit zu garantieren. Dies wäre insbesondere auch nicht sinnvoll, da selbst in gut gemeinten Projekten Fehler passieren können. Eine Bestrafung wäre ungerecht gegenüber den Personen, die meist unentgeltlich ihre Freizeit und Ressourcen investieren. Je größer jedoch die Unterstützung für bestimmte OSS ist, desto eher kann davon ausgegangen werden, dass Digitale Souveränität gewährleistet ist.

Es gibt Smartphones, die bereits ab Werk mit OSS ausgestattet sind. Projekte wie das FairPhone, Volla Phone, PinePhone,Murena Phone etc. haben sich zudem einer Philosophie verschrieben, die über die reine Software hinausgeht. So wird z. B. sowohl bei der Hardware als auch beim Produktionsprozess besonderer Wert auf Nachhaltigkeit und Fairness gelegt. Die große Konkurrenz hinterlässt jedoch Spuren bei diesen Projekten. Im Vergleich zu den Tech-Giganten ist das Budget für Forschung, Entwicklung und Produktion klein, sodass die Geräte relativ teuer sind und bei Hard- und Software hinterherhinken können.

Je nach Modell der großen Hersteller können jedoch auch proprietäre Betriebssysteme, Systemdienste und Anwendungen durch OSS-Alternativen ersetzt werden. Für den Austausch eines Betriebssystems muss der Bootloader des Gerätes entsperrt werden, damit die Bootkonfiguration geändert werden kann. Anschließend muss dieser jedoch wieder gesperrt werden, damit verschiedene Sicherheitsmechanismen greifen, um persönliche Nutzerdaten vor möglichen Manipulationen am Bootvorgang zu schützen. Während viele Hersteller von Android-Smartphones das Entsperren/Sperren unterstützen, bietet Apple keine offizielle Möglichkeit, den Bootloader von iPhones zu entsperren.

Welches OSS-Betriebssystem für mein Smartphone? Die Basis für das Android-Betriebssystem bildet das Android Open-Source-Project (AOSP), das – frei von proprietären Diensten, Bibliotheken, etc. – unter der Leitung von Google entwickelt wird. Darüber hinaus wird die Kommunikation mit der Hardware über den Linux-Kernel gesteuert, welcher bekanntlich einen wesentlichen Beitrag zur digitalen Freiheit leistet und eine breite Palette an Firmware unterstützt. Die Reife, Offenheit und Kompatibilität bewegt damit nicht nur Smartphone-Hersteller, sondern auch zahlreiche Open-Source-Projekte dazu, Betriebssysteme auf Basis von AOSP zu entwickeln. Projekte wie GrapheneOS, LineageOS, CalyxOS, etc. teilen neben derselben Kernarchitektur (insbesondere das Android-App-Ökosystem), grundsätzlich auch ähnliche Philosophien hinsichtlich Digitaler Souveränität. Die genaue Art und Weise der Implementierung macht jedes Projekt für sich genommen dennoch einzigartig, wobei GrapheneOS hervorzuheben ist, da dieses System besonders gehärtet gegen Sicherheitsrisiken ist und fortschrittliche Datenschutz-Features bereitstellt. Vielversprechende Alternativen zu AOSP-basierten System bilden herkömmliche mobile Linux-Distributionen wie Ubuntu Touch, postmarketOS, Plasma Mobile, etc. Allerdings stecken jene Projekte noch in den Kinderschuhen und sollten daher lediglich für Entwicklungszwecke genutzt werden.

Welche OSS-Systemdienste kann ich nutzen? Systemdienste sind Sammlungen von Apps und Programmierschnittstellen, die tief in das Betriebssystem integriert sind und daher privilegierte Rechte besitzen. Sie stellen grundlegende Funktionen bereit, auf die verschiedene (Dritt-)Apps komfortabel, d. h. ohne eigenen Entwicklungsaufwand, zugreifen können. Beispiele hierfür sind die Bereitstellung von Push-Benachrichtigungen, Lokalisierungsdiensten, Zahlungsabwicklungen, Cloud Storage, virtuellen Assistenten oder App Stores. Bei mobilen Linux-Distributionen besteht in der Regel kein Handlungsbedarf, da diese bereits ab Werk mit Open-Source-Diensten ausgestattet sind.

Bei AOSP-basierten Systemen übernehmen die proprietären Google Mobile Services (GMS) einen Großteil der Funktionen. Es sei darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Apps (auch Closed Source) gibt, die nicht auf GMS angewiesen sind. Für bestimmte Funktionen bietet AOSP an sich bereits zahlreiche Schnittstellen (z. B. Standortzugriff über GPS-Daten), die von Apps aufgerufen werden können. Darüber hinaus implementieren einige Apps eine eigene Codebasis oder greifen auf Open-Source-Lösungen für einzelne GMS-Funktionen zurück (z. B. UnifiedPush, OpenStreetMap, Nextcloud, etc.). Insgesamt ist es ratsam, individuell benötigte Anwendungen zunächst ohne GMS auf ihre Funktionalität hin zu überprüfen, wobei ein gewisser Funktionsverlust ggf. zu verschmerzen ist. Sollen dennoch GMS-Funktionen genutzt werden, kann auf das Open-Source-Projekt Sandboxed Google Play (unter GrapheneOS) oder microG zurückgegriffen werden. Alternativ zum Google Play Store können die Projekte Aurora Store, F-Droid (Empfehlung: Droid-ify als Client mit dem IzzyOnDroid-Repository) oder Obtainium konsultiert werden.

Die Tatsache, dass iOS Closed Source ist, macht den Ersatz proprietärer System-Dienste schwierig. Zudem gibt es für iPhones kein verwendbares Open-Source-Betriebssystem (wie im Fall von AOSP), das einen Großteil der Funktionalitäten für Drittanwendungen und Schnittstellen im Apple-Ökosystem bereitstellt. Im Vergleich zu GMS müssten daher viele weitere Funktionalitäten auf einen möglichen Ersatz hin untersucht werden, was einen eigenen Beitrag erfordern würde. Durch jüngste EU-Regulierungen wurde zumindest im EU-Raum der Weg für Alternativen (z. B. Zahlungsabwicklungen, App Stores, etc.) geebnet. Apple stellt sich jedoch quer, sodass abschließende Urteile abzuwarten bleiben (europa.eu).

Welche OSS-Anwendungen kann ich verwenden? Grundsätzlich gibt es für (fast) alle Kategorien Open-Source-Anwendungen. Alle Interessierten dürfen sich diesbezüglich auf Entdeckungsreise begeben. Unter mobilen Linux-Distributionen sind die standardmäßig vorinstallierten Apps bereits Open Source und austauschbar. Unter iOS sind derzeit einige Apps wie die Start-, Telefon-, SMS- oder Kamera-App aus bereits angedeuteten Gründen nicht ersetzbar. Unter Android gibt es hierfür Alternativen, die grundsätzlich problemlos installiert werden können.

Für weitere Kategorien folgt ein plattformübergreifender Serviervorschlag, wobei zu beachten ist, dass es vereinzelt bessere, jedoch plattformabhängige Alternativen gibt: Signal (Messenger), ProtonMail und Tuta (E-Mail-Dienste), Brave- und Tor-Browser (Internet-Browser), OsmAnd (Navigation), Nextcloud und Syncthing (Datensicherung), Mastodon und Pixelfed (Social Media).

Fazit Zahlreiche OSS-EntwicklerInnen und die Gemeinschaft hinter diesen Projekten ermöglichen bereits heute eine digital souveräne Smartphone-Nutzung. Der Masse ist diese in Teilen jedoch noch unzugänglich. Für eine breitflächige Umsetzung müssen jene Projekte von Person zu Person überliefert und insbesondere durch Unternehmen und Staaten mit finanziellen Mitteln unterstützt werden.

Beigesteuert wurde dieser Beitrag von Viktor Charin, Fakultät für Mathematik und Informatik der Universität Würzburg. Vielen Dank!

GI-MELDUNGEN

GI-Sonderpreis für Ampelsteuerung bei „Jugend forscht“ verliehen. Wie in jedem Jahr hat die GI einen Preis für eine besonders beeindruckende Arbeit in der Informatik beim Exzellenzwettbewerb „Jugend forscht“ ausgelobt. In diesem Jahr gewann Leonie Weiß aus Lappersdorf mit einer Arbeit zur Steuerung von Baustellenampeln. Wir gratulieren!  weiterlesen

GI-Fellow Claudia Eckert zur acatech-Präsidentin gewählt. Claudia Eckert, Professorin in München und GI-Fellow, ist zur neuen Präsidentin der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) gewählt worden. Sie steht der Akademie künftig gemeinsam mit Thomas Weber vor. Wir gratulieren!  weiterlesen

GI-Fellow Heinrich Reinermann verstorben. Der langjährige Sprecher des GI-Fachbereichs „Informatik in Recht und Öffentlicher Verwaltung (RVI)“ und GI-Fellow Heinrich Reinermann ist im Alter von 88 Jahren verstorben. Heinrich Reinermann war mit dem Fachbereich gemeinsam einer der ersten, der das Thema E-Government und Verwaltungsinformatik in die breite Öffentlichkeit gebracht hat.  weiterlesen

 

Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Beispielsweise hat GI-Präsidentin Christine Regitz der ARD gerade ein ausführliches Interview gegeben zum Thema Digitalisierung, Arbeitsplätze und Ausbildung (ab Minute 21:25). Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues oder auch ältere Fundstücke.

FUNDSTÜCK

Kreatives Spielen statt lernen – oder beides kombiniert? Der PIC80 ist ein virtueller 8-Bit-Computer für kreative Spielideen. Als virtueller Home-Computer ist er inspiriert von Klassikern wie C64 oder Atari und hat den Vorteil, viel einfacher als moderne Systeme aufgebaut zu sein und einen leichten Einstieg in maschinennahe Programmierung zu bieten. Er verfügt über eine integrierte Entwicklungsumgebung samt Code-, Grafik-, Sound- und Karteneditor, womit sich kleine Spiele und Demos komplett im Browser oder auf dem eigenen Rechner erstellen lassen – inklusive Exportoptionen für viele Plattformen. Also los! Und wer erfolgreich ist: wir freuen uns über Ihre Ergebnisse – vielleicht stellen wir sie sogar in einem der nächsten Radare vor.   Zum Fundstück (tic80.com)

Dieses Fundstück hat uns Julian Dax vorgeschlagen. Vielen Dank! Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 380 des GI-Radars vom 13.06.2025. Zusammengestellt hat diese Ausgabe Dominik Herrmann, dieses Mal mit Unterstützung von Julian Dax – vielen Dank! GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die Mitteilungen zusammengetragen. Das nächste Radar erscheint am Freitag, dem 27. Juni.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch via X unter @informatikradar zukommen lassen.