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Liebe Leserinnen und Leser,
in dieser Ausgabe geht es um eine souveräne Cloudinfrastruktur für Europa, den Einsatz von KI-Tools bei der Bewertung von Prüfungsergebnissen, den Glasfaserausbau in Deutschland und die Zukunft der Softwareentwicklung. Im Thema im Fokus widmen wir uns der Frage, wie sich Musik durch Technik generieren lässt und wie gut das Produkt sein kann. In den GI-Mitteilungen verkünden wir stolz das Erscheinen des neuen Informatik-Monitors, weisen Sie auf einen höchst lebendigen Podcast zum Informatikunterricht mit Ira Diethelm hin, bitten Sie inständig, Ihre Adressdaten bei uns aktuell zu halten und listen für Sie die vielen Angebote unserer Regionalgruppen auf. Im Fundstück geht es um die Architektur von Open-Source-Anwendungen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe.
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Europäische Cloud + KI als Korrektor + Glasfaserausbau + Softwareentwicklung + KI-generierte Musik + Informatik-Monitor + Podcast zum Informatikunterricht mit Ira Diethelm + Ihre Postadresse + GI-Regionalgruppen + Architecture of Open Source Applications
KURZMITTEILUNGEN
Souveräne Cloud-Dienste für Europa (heise). Lange galt bei der IT-Infrastruktur die Devise „Hauptsache schnell, günstig, einfach“. Diese Sichtweise beginnt zu bröckeln, seitdem die Abhängigkeit von bestimmten Anbietern und/oder Ländern spürbar wird. Die EU will nun eine souveräne Cloud-Architektur ohne außereuropäische Anbieter aufbauen und hat dafür acht Souveränitätsziele definiert. weiterlesen
KI als Korrektor bei Prüfungen (Forschung & Lehre). Das Korrigieren von Klausuren kostet viel Zeit – erst recht, wenn es viele Freitextantworten gibt. Ein Team aus Wirtschaftswissenschaften und Informatik hat nun eine Studie veröffentlicht, in der die Korrekturergebnisse von Menschen und Tools verglichen werden. Dabei stellte sich heraus, dass die KI häufig ähnlich bewertet, aber mitunter auch nach oben abweicht. Fazit: für eine Zweitkorrektur ist KI durchaus geeignet. weiterlesen
Glasfaserausbau in Deutschland (ZEIT). Vielerorts ist DSL noch der Standard für das Internet. Bei zunehmenden Datenmengen wird dies jedoch zum Hemmschuh für weitere Entwicklungen. Die Bundesregierung will deshalb den flächendeckenden Glasfaserausbau forcieren und hat ihren Plan für 2026 vorgestellt. weiterlesen
Zukunft der Softwareentwicklung (Golem). Rund um die Zukunft der Softwareentwicklung gibt es viele Narrative: wahlweise geht sie unter oder sie verbessert sich massiv dank neuer Tools. In einer Studie gaben nun gut 24.000 Fachleute aus der Softwareentwicklung Auskunft, wie sie neue Technologien integrieren, wo sie Schwachstellen und wo Verbesserungen und Chancen sehen. Fazit: KI hilft, ist aber kein vollgültiger Ersatz für das eigene Hirn. weiterlesen
THEMA IM FOKUS
Musikgenerierung mit KI. Musik ist eine der ausdrucksstärksten Formen menschlicher Kreativität – und genau hier kann Künstliche Intelligenz ihre Stärken zeigen. Sie kann aus unzähligen Beispielen lernen, musikalische Muster erkennen und daraus eigenständige Stücke komponieren. Die Ergebnisse sind oftmals erschreckend gut - teilweise aber auch sehr offensichtlich durch KI erstellt.
Hello World – Hello Musik! Für ein erstes „Hello World“-Projekt in der KI-basierten Musikgenerierung eignet sich Johann Sebastian Bach besonders gut. Seine Kompositionen zeichnen sich durch eine klare, regelhafte Struktur und eine ausgeprägte Musterhaftigkeit aus, was sie zu einem idealen Ausgangspunkt für maschinelles Lernen macht (medium.com). Gleichzeitig arbeitet Bach häufig mit einer begrenzten Zahl an Stimmen, was die Komplexität reduziert und es KI-Modellen erleichtert, musikalische Zusammenhänge zu erkennen und zu reproduzieren.
Für die einfache Generierung von Musik mit KI eignet sich besonders das MIDI-Format (amazona.de). Es enthält keine Audiodaten, sondern beschreibt Musik in Form einzelner Noten und ihrer Eigenschaften – etwa Tonhöhe, Länge, Lautstärke und zeitliche Position. Dadurch ist es leicht zu verarbeiten und bietet eine kompakte Grundlage, aus der KI-Modelle musikalische Muster erkennen und neue Kompositionen ableiten können. Für Bach gibt es eine eigene MIDI-Sammlung (jsbach.net).
Auf dieser Grundlage lässt sich die Aufgabe als ein autoregressives Vorhersageproblem formulieren: Das Modell versucht, die jeweils nächste Note aus der Sequenz vorheriger Noten abzuleiten. Indem es Muster und Zusammenhänge in der Abfolge erkennt, kann es eine musikalisch sinnvolle Fortsetzung erzeugen – ganz ähnlich wie Sprachmodelle Wort für Wort neue Sätze bilden. Der Informatiker Dr. Tristan Behrens hat für diese Vorgehensweise ein eigenes Github-Repository zusammengestellt (github.com)
Stand der Technik. Neuere KI-Modelle wie Suno oder Udio gehen über die rein symbolische Musikgenerierung hinaus und arbeiten direkt mit Audiodaten statt mit Noten oder MIDI-Sequenzen. Sie basieren meist auf großen neuronalen Netzen mit Transformer- oder Diffusionsarchitekturen (towardsdatascience.com), die auf riesigen Datensätzen aus Musikaufnahmen und zugehörigen Beschreibungen trainiert werden. Dabei lernen sie, komplexe Zusammenhänge zwischen Klang, Struktur, Stil und Text zu erfassen und können so aus einer einfachen Textanweisung („Prompt“) vollständig neue Musikstücke erzeugen – inklusive Melodie, Harmonie, Rhythmus, Instrumentierung, Gesang und Produktionseffekten. Anders als frühere Systeme, die lediglich Notenfolgen vorhergesagt haben, modellieren solche Modelle die gesamte akustische Textur und erzeugen damit Musik, die oft kaum noch von menschlich komponierten Stücken zu unterscheiden ist.
Probieren wir einen solchen Service anhand von Suno aus mit folgendem Prompt:
„Erzeuge ein energiegeladenes Trash-Metal-Lied mit schnellen Gitarrenriffs, aggressivem Schlagzeug und kraftvollem Gesang. Der Text soll sich kritisch, aber humorvoll mit der digitalen Zukunft und der Rolle der Gesellschaft für Informatik auseinandersetzen. Verwende eine rebellische, aufrüttelnde Sprache, die zum Nachdenken über Technologie, Innovation und Verantwortung anregt. Der Song soll eingängig sein, mit einem mitreißenden Refrain und intensiver Atmosphäre.“
Der erzeugte, auf eine Minute beschränkte Musikabschnitt (suno.com) überzeugt bereits mit stimmigen und musikalisch gelungenen Passagen. Der Liedtext bleibt jedoch recht allgemein und geht kaum auf die Gesellschaft für Informatik ein. Um gezieltere und inhaltlich relevantere Texte zu erzeugen, könnte der Einsatz einer vorgeschalteten Text-KI hilfreich sein.
KI in den Charts. Am 9. August 2024 könnte tatsächlich ein neues Kapitel der Musikgeschichte begonnen haben – ob es sich dabei um ein Schauermärchen oder eine Erfolgsgeschichte handelt, wird sich jedoch erst zeigen. An diesem Tag erreichte der Song „Verknallt in einen Talahon“ (youtube.com) Platz 48 der deutschen Single-Charts – und schrieb damit Geschichte: Er wurde vollständig von einer KI erzeugt (Anbieter Udio). Musikalisch erinnert das Stück an die deutschen Schlager der 1960er-Jahre, kombiniert nostalgische Klänge mit moderner Technologie und traf damit offenbar einen Nerv. Mit über 12 Millionen Streams auf Spotify (Stand Oktober 2025) und einer riesigen Resonanz auf TikTok und Instagram, wo unzählige Videos den Song verwenden, entwickelte sich das Projekt zu einem viralen Phänomen. Für Produzent Josua Waghubinger, der den Titel unter dem Künstlernamen Butterbro zunächst als kleine Spielerei veröffentlichte, kam der Erfolg völlig unerwartet: „Dass ich damit in den Charts gelandet bin, darüber bin ich immer noch jeden Tag baff“, sagte er im Interview mit dem WDR (wdr.de). Dieses Beispiel zeigt, dass KI längst nicht mehr nur ein Werkzeug im Hintergrund ist – sie kann selbst zur treibenden kreativen Kraft werden und Musik schaffen, die Menschen berührt und Millionen erreicht.
Was sagt die Rechtslage? KI-generierte Werke stellen das Urheberrecht vor neue Herausforderungen. Da sie nicht auf einer persönlichen kreativen Leistung beruhen, gelten sie in der Regel nicht als schutzfähig (boardofmusic.de). Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass eine KI beim Erzeugen neuer Inhalte auf geschütztes Material zurückgreift oder dieses unbeabsichtigt imitiert. Deshalb sollten Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Privatpersonen genau prüfen, wie sie KI-generierte Inhalte verwenden, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Die meisten KI-Musikplattformen versuchen, Nachahmungen bekannter Künstler zu verhindern. Prompts, die etwa „im Stil von [Künstlername]“ lauten, werden oft automatisch blockiert. Doch nicht immer funktioniert dieser Schutz lückenlos: Manche Umformulierungen oder unerkannte Eingaben führen trotzdem zu Ergebnissen, die deutlich an bestimmte Musiker erinnern.
Woran wird abseits der Generierung geforscht? Mehrere europäische Forschungseinrichtungen widmen sich intensiv der Frage, wie Künstliche Intelligenz Musik verstehen, erzeugen und kreativ erweitern kann. An der University of Liverpool arbeitet die Forschungsgruppe AI+Music (liverpool.ac.uk) daran, KI-Systeme zu entwickeln, die musikalische Strukturen analysieren, Emotionen in Klängen erkennen und Künstlerinnen und Künstler bei der kreativen Arbeit unterstützen. Die Music Technology Group an der Universitat Pompeu Fabra (upf.edu) in Barcelona zählt zu den international führenden Zentren für Audioanalyse und Musiksignalverarbeitung: Hier entstehen KI-Modelle, die Klänge modellieren, neue Musikwerkzeuge ermöglichen und zugleich ethische Fragen der maschinellen Kreativität beleuchten. Das Institute of Electronic Music and Acoustics (IEM) (kug.ac.at) an der Kunstuniversität Graz wiederum erforscht den künstlerischen Einsatz von Algorithmen – etwa in Form von generativen Kompositionssystemen und interaktiven Mensch-Maschine-Performances.
Fazit. Künstliche Intelligenz revolutioniert die Musikproduktion – sie analysiert Stile, komponiert eigenständig und inspiriert neue Formen kreativer Zusammenarbeit. Maschinell erzeugte Musik hat bereits den Mainstream erreicht. Zugleich stellen Urheberrecht und Fragen nach Authentizität die Branche vor neue Herausforderungen. So entsteht ein neues Kapitel der Musikgeschichte, in dem Mensch und Maschine gemeinsam kreativ werden.
Diesen Text hat Burkhard Hoppenstedt, Professor für Digitalisierung an der HfWU Nürtingen-Geislingen, beigesteuert. Die Verbindung von KI und Musik fasziniert ihn seit Langem; als Organist komponierte und führte er damit co-kreierte Stücke auf.
GI-MELDUNGEN
Informatikunterricht in Deutschland: neuer Informatik-Monitor erschienen. Einmal im Jahr gibt die Gesellschaft für Informatik ihren „Informatik-Monitor“ heraus. Darin führt sie auf, wie es um den Informatikunterricht in den Bundesländern bestellt ist, was sich im letzten Jahr in welchen Bundesländern getan hat und wo es noch Lücken beim flächendeckenden Unterricht gibt. weiterlesen
Guter Informatikunterricht für alle: Ein Podcast mit Ira Diethelm. Unser ehemaliges GI-Präsidiumsmitglied Ira Diethelm erzählt in einem Podcast, wie sie zur Informatik gekommen ist, warum es so viel Spaß macht, Informatik zu unterrichten, wie man alle Kinder integriert und was sie sich für die Zukunft für den Informatikunterricht wünscht. weiterlesen
500 GI-Mitglieder nicht erreichbar: ist Ihre Adresse aktuell? Gerade haben wir die Wahlunterlagen verschickt und rund 500 (!) Rückläufer bekommen, weil 500 Adressen nicht aktuell waren. Normalerweise treten wir zwar in erster Linie per E-Mail mit Ihnen in Kontakt, aber ab und zu ist eben doch Briefpost nötig: bei der Wahl oder auch bei Zeitschriften etc. Daher unsere Bitte an Sie: schauen Sie bitte ab und zu in Ihre persönlichen Daten und aktualisieren Sie diese. Das geht ganz einfach online und erspart Ihnen den Verlust von Informationen und uns die zeitaufwändige Nachforschung nach Ihrem Verbleib. Vielen Dank. weiterlesen
Drohnenabwehr, Komplexe Systeme, Geschichte der Digitalisierung in Deutschland. So vielfältig die Themen, so vielfältig sind die Angebote unserer Regionalgruppen. In unserem Webkalender können Sie nach Veranstaltungen in Ihrer Umgebung filtern, und vielleicht gibt es bei Ihnen um die Ecke sogar eine aktive Regionalgruppe, wo Sie sich vernetzen können. weiterlesen
Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues oder auch ältere Fundstücke.
FUNDSTÜCK
Warum Software-Entwickler die Fehler anderer wiederholen: The Architecture of Open Source Applications. Architekten studieren tausende Gebäude und deren Kritiken, bevor sie selbst bauen. Entwickler kennen meist nur wenige große Programme – und die haben sie selbst geschrieben. Das Resultat: Jede Generation macht dieselben Designfehler neu. Ein kostenloses Buchprojekt will das ändern, indem die Macher von vier Dutzend Open-Source-Projekten erklären, wie ihre Software aufgebaut ist, warum – und was schiefging. Von nginx über LLVM bis Git: Einblicke, die man sonst nur nach Jahren im selben Codebase bekommt. Zum Fundstück (aosabook.org)
Dieses Fundstück hat Julian Dax vorgeschlagen – vielen Dank! Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!
Dies war Ausgabe 389 des GI-Radars vom 31. Oktober 2025. Zusammengestellt hat sie Dominik Herrmann, der es bedauert, dass er im Fundstück keine Hinweise zur Architektur der Software findet, mit der er das GI-Radar erstellt. Die Kurzmitteilungen und die GI-Meldungen haben GI-Mitglied Burkhard Hoppenstedt und GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste Radar erscheint am 14. November.
Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey.
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