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WLAN-Trends erklärt Was Wi-Fi 6 und seine Nachfolger können

Die WLAN-Entwicklung läuft seit 25 Jahren, für viele ist die Nahfunktechnik inzwischen unverzichtbar. Und bis heute wird sie weiter verbessert: Wi-Fi 6 ist da, Wi-Fi 7 kommt. Was genau ändert sich?
Von Ernst Ahlers und Jennifer Li aus der »c’t«-Redaktion
WLAN (Symbolbild): Für viele Menschen ist die Technik ein wichtiger Teil ihres Alltags

WLAN (Symbolbild): Für viele Menschen ist die Technik ein wichtiger Teil ihres Alltags

Foto: c't

Vor einigen Jahren war Wi-Fi 6, wie die aktuelle IEEE-Norm 802.11ax üblicherweise genannt wird, noch Zukunftsmusik. Mittlerweile aber ist der neue WLAN-Standard definitiv bei den Kunden angekommen: Die ersten Geräte mit Wi-Fi 6 fanden schon im Frühling 2019 ihren Weg ins »c’t«-Testlabor. Und spätestens seit Herbst 2020 kann man die Technik bei WLAN-Routern, Repeatern und Mesh-Systemen als Standardausstattung ansehen. Die preisgünstigsten Wi-Fi-6-Router bekommt man gelegentlich schon für unter 40 Euro. USB-Sticks für Wi-Fi 6 zum Aufrüsten älterer Rechner, die unter Windows wie Linux funktionieren, sind inzwischen in kleiner Auswahl ebenfalls erhältlich .

Der Standard bringt wenige große Verbesserungen gegenüber Wi-Fi 5: Eine feinstufigere Modulation (1024QAM statt 256QAM) treibt mit weiteren Optimierungen den Durchsatz im Bestfall um knapp 40 Prozent hoch . Wichtiger sind aber die Übertragungstechniken Orthogonal Frequency Division Multiple Access (OFDMA) und Spatial Reuse mit BSS Coloring. Letzteres könnte sich mit zunehmender Verbreitung von Wi-Fi-6-Geräten in den nächsten Jahren als Killerfeature für einen flotteren Datenfunk entpuppen.

Mit OFDMA kann eine WLAN-Basis mehrere Endgeräte in verschiedenen Frequenzabschnitten ihres Sendesignals gleichzeitig mit unterschiedlichen Datenraten bedienen. Das steigert indirekt den Gesamtdurchsatz einer Wi-Fi-6-Funkzelle, weil die Basis ihre Daten schneller verteilt und so weniger Sendezeit belegen muss.

Anhand des früh im WLAN-Datenpaket gesendeten Merkmals BSS Color erkennen Wi-Fi-6-Stationen, zu welchem Funknetz Konkurrenten auf demselben Kanal gehören. Ist es ein fremdes Netz und ihr Signal vergleichsweise schwach, dann muss eine Station nicht warten, bis der Funkkanal wieder frei ist, sondern darf parallel senden.

Von BSS Coloring profitieren besonders WLAN-Nutzer in dicht besiedelten Gegenden. Selbst wenn ein halbes Dutzend Nachbarnetze denselben Funkkanal nutzt, erkennt die eigene WLAN-Hardware das Spektrum häufiger als frei und lässt sich seltener ausbremsen.

Schließlich hilft Wi-Fi 6 mit seiner Funktion Target Wake Time (TWT) mobilen Geräten, länger im stromsparenden Stand-by zu bleiben. Das verlängert die Akkustandzeit. Insgesamt bringt Wi-Fi 6 genügend Vorteile, die dafür sprechen, es veralteten Wi-Fi-5-Routern, -Repeatern und -Mesh-Systemen vorzuziehen.

Wi-Fi 6E als Zwischenschritt

Im Sommer 2021 hat die Bundesnetzagentur in Deutschland das 6-GHz-Band zwischen 5,945 und 6,425 Gigahertz für die Allgemeinheit freigegeben. Wi-Fi-6E-fähige Geräte dürfen es jetzt zusätzlich zu den angestammten Bereichen bei 2,4 und 5 GHz nutzen. WLAN-Basen brauchen folglich ein drittes Funkmodul, damit sie Clients in allen drei Bändern gleichzeitig bedienen können. Dadurch steigt die Leistungsaufnahme von Routern entgegen dem Trend zum Energiesparen im Idle-Betrieb leicht an.

WLAN-Router beziehungsweise Mesh-Systeme mit einem Funkmodul für 6 GHz sind bereits im Handel, beispielsweise Asus’ GT-AXE11000  und Netgears Orbi RBK963 . Ebenso gibt es einige Smartphones und Notebooks, die WLAN auch bei 6 GHz nutzen können.

In den ersten Tests funkte ein umgebautes älteres Notebook überraschenderweise bei 6,4 GHz auch über 20 Meter durch Wände kaum langsamer als im 5-GHz-Band, gelegentlich sogar etwas schneller. Wegen der nur bis 5,7 GHz ausgelegten Notebook-Antennen hatten wir erwartet, dass das Sendesignal aufgrund von Fehlanpassung schwächer wird und deshalb der Durchsatz auf höheren Frequenzen über größere Distanzen spürbar einbricht.

Wi-Fi 6E hat das Potenzial, die älteren WLAN-Bänder zu entlasten, besonders in Mesh-WLAN-Systemen, die mehrere Basen über einen drahtlosen Backbone koppeln. Von manchen Herstellern war aber zu hören, dass sie den Zwischenschritt Wi-Fi 6E auslassen und fürs 6-GHz-Band auf den nächsten WLAN-Standard warten.

Wi-Fi 7 kommt

Die ersten Geräte, die gemäß dem nächsten WLAN-Standard Wi-Fi 7 alias IEEE 802.11be funken, werden wohl schon 2023 erscheinen – fünf Jahre nachdem das Normierungsprojekt den Arbeitstitel Extremely High Throughput (EHT) bekam. Laut aktuellem Stand der Spezifikation soll Wi-Fi 7 im Maximalausbau mit einem 320 MHz breiten Funksignal bei 6 Gigahertz mit der 4096QAM-Kodierung über acht Mimo-Streams brutto 23 Gigabit pro Sekunde transportieren.

Die wichtigste weitere Neuerung wird Multi-Link Operation (MLO) sein. Mit MLO können eine WLAN-Basis und ein Client gleichzeitige Verbindungen über mehrere Funkbänder halten. So muss der Client nicht zwischen 2,4 und 5 und 6 GHz wechseln. Das steigert entweder den Durchsatz oder verbessert die Zuverlässigkeit (das gleiche Datenpaket wird in mehreren Bändern gesendet). Generell sollte es den Funkzellenwechsel erleichtern.

Foto: Mediatek / c't

Time Sensitive Networking (TSN) der IEEE-Gruppe 802.1. TSN soll Feldbusse in Industrieanlagen wie Modbus, Profinet oder CAN durch echtzeitfähiges Ethernet ersetzen. Mit r-TWT dürfen zu bestimmten Zeiten nur bestimmte Datendienste senden. Damit kann Wi-Fi 7 sicherstellen, dass Pakete zeitkritischer Dienste fristgerecht eintreffen. Das dürfte Firmennutzer interessieren , die für Echtzeitanwendungen bisher auf Mobilfunktechnik in Gestalt teurer Campusnetze setzen müssen.

Beim Votum im Juli 2022 verfehlte der 11be-Entwurf 2.0 die erforderlichen 75 Prozent Zustimmung; die IEEE-Arbeitsgruppe musste eine weitere Runde drehen. Gleichwohl arbeitet die Herstellervereinigung Wi-Fi Alliance (WFA) Insidern zufolge bereits an einem Wi-Fi-7-Prüfprogramm, das vermutlich Anfang 2024 zur Fachmesse CES vorgestellt wird. Deshalb wird sich bis zum finalen Standard wohl nicht mehr viel ändern.

So hat der Chipfabrikant Mediatek im Oktober 2022 schon zwei Bausteine für Wi-Fi-7-Basen angekündigt. Mitte November zog der Gerätehersteller TP-Link nach und hat gleich 16 Modelle in fünf Kategorien (WLAN-Router, 5G-Router, Mesh-Systeme, Firmen-APs, Providergeräte) mit Wi-Fi 7 angekündigt.

Der fetteste WLAN-Router BE900 soll mit gleich vier Wi-Fi-7-Modulen in drei Bändern über jeweils vier Mimo-Streams gleichzeitig funken (2,4 und 2 × 5 und 6 GHz). Aus den maximalen Bruttoraten der einzelnen Blöcke von 1376, 2 mal 5760 und 11.520 Mbit/s summiert TP-Link stolze 24 Gbit/s. Diese WLAN-Wucht bringt der Router über zwei 10-Gbit/s-Ports und vier für 2,5 Gbit/s ins LAN. Billig wird der Spaß nicht: Der im ersten Quartal 2023 in den USA erscheinende Router soll satte 700 US-Dollar kosten.

Wi-Fi 7++

Und es geht noch weiter: Die Study Group Ultra High Reliability (SG UHR) soll den Normungsrahmen für den übernächsten WLAN-Standard Wi-Fi 8 festlegen. Beim ersten Treffen im September trudelten eine Menge Vorschläge ein.

Der einst für Wi-Fi 7 Release 2 geplante Multi-AP-Betrieb – auf mehrere Basen verteiltes Mimo – gilt als gesetzt. Dabei entsteht eine große virtuelle Basis, deren Antennen gerichtet an einzelne Clients (Beamforming) oder separat an mehrere gleichzeitig (MU-Mimo) senden. Damit das Verfahren einen Vorteil bringt, muss ein nennenswerter Übertragungsgewinn entstehen, was hardwaremäßig aufwendig ist.

Ferner kursiert die Idee, Wi-Fi 8 auch in dem in vielen Ländern lizenzfrei nutzbaren 60-GHz-Bereich funken zu lassen. Dort könnte es eine abermals auf 640 MHz verdoppelte Signalbreite nutzen. Manche sehen darin das indirekte Eingeständnis, dass die 60-GHz-Normen 802.11ad und 11ay – als WiGig von der WFA vermarktet – trotz Metas Engagement mit Terragraph  Misserfolge ohne Marktrelevanz sind.

Ein Teil der UHR Study Group wandte sich gegen den Ausflug ins 60-GHz-Band, weil der Zimmerfunk schlicht nicht in der Lage sei, die Erwartungen der WLAN-Kundschaft zu erfüllen. Von allen Verbesserungen bisheriger WLAN-Generationen brachte stets nur mehr Signalbreite den Anwendern spürbar mehr Durchsatz, hieß es von der Gegenseite. Ob die 60-GHz-Superbreitspur in Wi-Fi 8 kommt, bleibt vorerst offen.

Verschwiegenes WLAN

Neben der Beschleunigung hält die WLAN-Zukunft weitere Verbesserungen für einen reibungsärmeren Datenfunk bereit. Schon seit Längerem verwürfeln Windows, Android und iOS die MAC-Adresse ihrer WLAN-Schnittstelle (MAC Address Randomization), damit die Geräte und ihre Nutzer in verschiedenen Funknetzen nicht so leicht wiederzuerkennen sind. Bisher handelt es sich um proprietäre Methoden. Doch nun will die IEEE-Gruppe 802.11bh (Randomized and Changing MAC Addresses) einen übergreifenden Standard erarbeiten.

Er soll auch klären, wie man Nachteile des Verfahrens vermeiden kann. Würde sich ein Gerät beispielsweise mit jedem Funkzellwechsel eine neue MAC-Adresse erwürfeln, müsste man sich beim Roaming in einem größeren WLAN-Hotspot mit mehreren Basen jedes Mal neu anmelden.

Energieernte und KI

Eine neue Topic Interest Group (TIG) untersucht unter dem Titel Ambient Power for IoT (AMP), wie WLAN-Geräte Energie aus der Umgebung beziehen könnten, um abseits von Stromsteckdosen und ohne Batterien gelegentlich Daten zu senden. Sie könnten dem Funkfeld Energie entziehen oder mechanische Energie (Rütteln, Vibrationen) zu Strom wandeln.

Eine weitere TIG hat das Hypethema Artificial Intelligence und Machine Learning (AIML) im Fokus. WLAN-Systeme für Unternehmen setzen schon heute auf künstliche Intelligenz. KI soll unter anderem die automatische Kanalwahl verbessern und die beste Kombination aus Signalbreite und Bruttodatenrate finden. Fraglich ist bislang, welche Aspekte normiert werden sollen, sodass künstliche Intelligenzen Informationen zum Funkbetrieb austauschen könnten.

Ob neue Standards aus den TIG-Arbeiten entstehen, entscheidet die steuernde 802.11 Working Group, wenn die Abschlussberichte vorliegen. Diese Hürde hat eine andere Gruppe bereits genommen: Der kommende Standard 802.11bf soll regeln, wie WLAN-Basen aus Änderungen des Funkkanals auf Änderungen in der Umgebung schließen (Sensing).

So könnte ein WLAN-System feststellen, wie viele Personen sich in einem Raum aufhalten, ob sie sitzen oder stehen, ob eine Person gestürzt ist oder sogar, wie viele Herzschläge und Atemzüge ein Schlafender macht. Derartiges Wi-Fi Sensing leisten heute schon Produkte der von Renesas übernommenen Firma Celeno. Sicherzustellen, dass WLAN-Nutzer unerwünschtes Ausspähen durch Wi-Fi Sensing vermeiden können, gehört auch zu den Aufgaben von 11bf.

Fazit

Wi-Fi 6 hat sich im Markt etabliert, doch seine Vorteile wird es erst bei steigender Verbreitung voll ausspielen können. Wer einen alten Router oder Repeater ersetzen will, sollte jetzt das veraltete Wi-Fi 5 links liegen lassen.

Mit Wi-Fi 7 kommt schon ab 2023 nicht nur abermals mehr Speed. Der Nachfolger zu Wi-Fi 6 bringt auch schlaue neue Funktionen mit, die für stabilere WLAN-Verbindungen und echtzeitfähigen Datenfunk sorgen.