Wem gehört das Gedicht, das Chat-GPT geschrieben hat? Das sagen die Gesetze

Darf ich ein KI-Bild in der Werbung nutzen? Rund um die Verwendung von KI stellen sich viele Fragen. Die existierenden Gesetze liefern schon heute einige Antworten.

Philipp Gollmer 6 min
Drucken

Illustration Simon Tanner / NZZ

Auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Anwendungen sind derzeit in aller Munde und auf allen Bildschirmen. Es macht Spass, die Programme auszuprobieren, sie herauszufordern und ihre Grenzen zu erkunden. Es bestehen jedoch auch Unsicherheiten: Um Texte und Bilder nach unserem Geschmack zu generieren, greift die KI auf einen riesigen Fundus an Daten aus dem Internet zurück. Ist das erlaubt?

Teilweise werden solche Fragen bereits gerichtlich diskutiert. Die Bildagentur Getty Images hat Stability AI, die Firma hinter dem Bild-Generator Stable Diffusion, verklagt. Das Unternehmen soll zwölf Millionen Bilder aus der Getty-Datenbank verwendet haben, um ohne Erlaubnis oder dafür zu bezahlen, ihre KI zu trainieren. Weiter soll das Getty-Logo auf Bildern von Stable Diffusion zu sehen sein, und dadurch sollen die Markenrechte der Bildagentur verletzt worden sein.

Die Gerichte dürften sich in Zukunft vermehrt mit solchen oder ähnlichen Fällen beschäftigen müssen. Es geht um die Frage, wie wir mit der neuartigen Technologie umgehen, wer aus ihr Profit schlagen kann und inwiefern Maschinen etwas kreieren können.

UZH-Rechtsprofessor Peter Georg Picht

UZH-Rechtsprofessor Peter Georg Picht

zvg

Auch Peter Georg Picht von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich hat diese Fragen im Blick. Er leitet das Center for Intellectual Property and Competition Law (CIPCO), das sich mit Immaterialgüterrecht und Wettbewerbsrecht mit Blick auf Zukunftstechnologien beschäftigt. Wir erwischen ihn per Videoanruf in einem Café, während er wegen einer Konferenz in Japan weilt.

Laut Picht stellen sich bezüglich der Anwendung von KI auf drei Ebenen urheberrechtliche Fragen:

  • Input-Ebene: Hier geht es um die Daten, mit denen eine KI trainiert wird oder die sie verwendet, um Output zu generieren.
  • Ebene System: Hier blickt man auf die Funktionsweise einer KI, sozusagen auf den Code. Wird dabei einfach kopiert, oder wird ein neues Werk generiert?
  • Output-Ebene: Hier dreht sich alles um die Frage, wer nun der Urheber des mittels KI generierten Inhaltes ist.

Um Antworten zu finden, brauche es jedoch nicht unbedingt neue Gesetze, sagt der Rechtsprofessor überzeugt. «Ich glaube, dass man mit dem jetzt bestehenden Urheberrecht in der Schweiz eigentlich schon sehr, sehr weit kommt», sagt er im Gespräch. Und ergänzt: «Eine andere Frage ist, ob einem die Antworten gefallen.»

Dabei definiert Picht KI als eine komplexe algorithmische Software, die mit einer Hardware, das könne zum Beispiel ein Computer oder auch ein Roboterarm sein, verbunden sei.

Was für Daten werden von der KI verarbeitet?

Auf der Ebene Input muss man laut Picht zunächst einen Blick auf die Art der verarbeiteten Daten werfen. Handelt es sich um Personendaten, um Maschinendaten, um Geschäftsgeheimnisse, um einen Text oder ein Musikstück?

Im Anschluss gilt es, die dazugehörigen Schutzrechte zu identifizieren. Also Datenschutz und Personenrecht bei Personendaten, Urheber- oder Leistungsschutzrecht bei Texten, Bildern sowie Musik oder allenfalls gewisse Geschäftsgeheimnisse oder Besitzrechte bei Maschinendaten.

Weiss man, was für Daten man hat und welche Rechte daran bestehen, kann man Erlaubnis-Tatbestände identifizieren, die einem die Nutzung ermöglichen können. Hat man die Erlaubnis, auf Geschäftsgeheimnisse zuzugreifen? Gibt es ein berechtigtes Interesse im Sinne des Datenschutzrechts, Personendaten zu verarbeiten? Verfügt man über eine Lizenz des Rechteinhabers, oder kann man sich als Wissenschafter auf die Text- und Data-Mining-Schranke (TDM) berufen, um Daten zu verarbeiten?

«Bei ganz vielen Input- und Trainingsdaten weiss man eigentlich, wie die grossen Linien der Rechtslage sind», sagt Picht. «Man muss nicht alles neu erfinden, man muss die Datenkategorie identifizieren und das Recht anwenden, wobei natürlich einzelne Rechtsfragen komplex und klärungsbedürftig sind.»

Bei Getty Images gegen Stability AI geht es um Bilddaten, die in der Regel urheberrechtlich geschützt sind. Entscheidend für den Fall dürfte laut der Einschätzung von Picht sein, was für Erlaubnis-Tatbestände greifen könnten. «In Amerika existiert das Konzept des ‹fair use›, das es so im schweizerischen Recht oder in Deutschland nicht gibt», sagt er. Ein klassisches Kriterium für «fair use» sei, ob man den Rechteinhabern die Möglichkeit nehme, mit den Rechten Geld zu verdienen. Kaufen die Leute weiter Bilder bei Getty ein, oder nutzt man Stable Diffusion, um sie günstig zu generieren? «Das müsste man sich im Detail anschauen.»

Beim Verarbeiten von Daten von Dritten durch eine KI gelten dieselben Regeln wie sonst auch. Man muss prüfen, um was für Daten es sich handelt, wer welche Rechte daran hält und ob man sie allenfalls nutzen darf.

Wie intelligent ist die KI?

Bei der Beurteilung, ob eine Rechtsverletzung vorliegt, ist weiter die Funktionsweise einer KI zu beachten. Ein Kunststudent, der ein Bild im Stil von Gerhard Richter malt, begeht laut Picht keine Urheberrechtsverletzung. «Und ich glaube nicht, dass das anders zu beurteilen ist, nur weil er jetzt nicht mit der Hand gemalt, sondern ein technisches Werkzeug verwendet hat», ergänzt der Rechtsprofessor. Sich inspirieren zu lassen, sei erlaubt und gelte als transformative Nutzung.

Zwei Parameter gelte es dabei genauer zu untersuchen: Wie kommt die KI auf ihren Output, und wie ähnlich ist dieser der Vorlage? Picht sagt: «Je intelligenter die KI arbeitet, desto eher wird man ihr zutrauen, wirklich etwas Eigenständiges geschaffen zu haben.»

Wenn die KI relativ einfach aufgebaut sei, lediglich mit Versatzstücken von Richter-Bildern – Bergen oder Buchten aus den Vorlagen – gefüttert werde und diese nur wiedergebe, gegebenenfalls mit leichter Varianz, sei das problematisch. Wenn man der KI jedoch rechtmässig eine Idee davon gegeben habe, wie ein Berg oder eine Bucht bei Richter aussehen könnte, und sie aus diesem Bestand an Eindrücken ein Bild erstelle, stelle das eher keine Urheberrechtsverletzung dar.

Beim besprochenen Gerichtsfall kommt für Stability AI erschwerend hinzu, dass ihre KI teilweise Bilder generierte, die klar erkennbar das Wasserzeichen von Getty Images zeigen. «Das könnte problematisch sein», sagt Picht. «Da wird ja nichts transformiert, sondern einfach eins zu eins wiedergegeben.» Zusätzlich stelle das allenfalls ein markenrechtliches oder ein lauterkeitsrechtliches Problem dar, das über das Urheberrecht hinausgehe.

Mit der KI ist es wie beim Schreiben: Wer einfach Textpassagen kopiert und aneinanderreiht, bekommt Probleme. Wer jedoch viele Texte liest und darauf aufbauend seine Gedanken in eigene Worte fasst, hat etwas Neues geschaffen. Eine KI geht zwar anders vor als der Mensch, aber im Ergebnis können auch ihre Texte grundlegend anders sein als bestehende.

Kein Urheberrecht für Maschinen

Bei der Frage, wem der von einer KI generierte Inhalt gehört, muss man zunächst prüfen, ob es sich beim Output noch um eine menschliche Schöpfung handelt. «Wenn es gar keinen kreativen Beitrag eines Menschen gibt, dann sagt das geltende schweizerische Gesetz: Es gibt kein Urheberrecht, weil Maschinen keine tauglichen Urheberrechtsinhaber sind», so Picht. Gegenwärtig sei in den allermeisten Fällen der menschliche Einfluss jedoch noch sehr stark vorhanden.

«Hatte der Mensch einen genügend starken gestalterischen Einfluss und entsteht daher ein Urheberrecht, so besteht aus meiner Sicht derzeit eine grosse Rechtsunsicherheit über die Inhaberschaft an diesem Recht», so Picht. Es könne bei der Frage nach dem Urheber relevant sein, wer den Algorithmus programmiert, wer die KI trainiert oder wer die Input-Daten für das konkrete Projekt bereitgestellt habe. Es stelle sich auch die Frage, wer aus all den möglichen Outputs denjenigen auswähle, der Eingang in das Endprodukt finde. Zudem könne auch massgeblich sein, wer für die Betriebskosten aufkomme.

«Für jeden Fall muss man sich diese Kriterien anschauen und entscheiden, wo der schöpferische Schwerpunkt liegt.» Dieser könne auch bei mehreren Personen gleichzeitig liegen. Bis sich hier jedoch typische Fallgruppen herausbilden würden, brauche es mehr Entscheide von Gerichten und zusätzliche Forschung.

Bei der Verwendung von KI-generierten Inhalten muss man das Urheberrecht auf jeden Fall berücksichtigen. Wer den Output zum Beispiel kommerziell nutzen möchte, braucht dafür allenfalls eine Lizenz. Eine Verfehlung kann man also nicht einfach mit dem Hinweis, eine KI habe dieses Bild oder Logo vorgeschlagen, zur Seite wischen.

Ganz auf das Denken zu verzichten, ist beim Nutzen von KI also nicht ratsam – zum Glück.

Weitere Themen