Psychologie:Mein Kumpel, der Chatbot

Psychologie: Wer spricht? In der Konversation mit einem Gerät offenbaren Männer eine Vorliebe für Chat-Bots mit männlicher Stimme. Die sind ihnen am sympathischsten.

Wer spricht? In der Konversation mit einem Gerät offenbaren Männer eine Vorliebe für Chat-Bots mit männlicher Stimme. Die sind ihnen am sympathischsten.

(Foto: Erstudio via imago-images.de/IMAGO/Panthermedia)

Frauen und Männer reagieren unterschiedlich auf sprechende Geräte. Eine wesentliche Rolle spielt dabei, nach welchem Geschlecht die künstliche Stimme klingt.

Von Sebastian Herrmann

Eines Tages begannen die Geräte zu reden und das Wort an den Menschen zu richten. Die Bluetooth-Box zum Beispiel, die stets direkt nach dem Anschalten mit roboterhafter Frauenstimme verkündet, wie es um den Akku-Füllstand bestellt ist, um dann, nach manchmal längerer Pause, aufzusagen, mit welchen Geräten in der unmittelbaren Umgebung sie sich gerade verbunden hat. Die artifizielle Stimme löste zu Beginn der Beziehung mit dieser Musikbox vor allem Befremden aus. Siri, Alexa, Cortana und all die anderen Sprachassistenten der großen Tech-Konzerne klingen da schon deutlich menschlicher. Ein Phänomen, das Alltag geworden ist: Die labernden Geräte hören sich fast wie echte Menschen an. Neulich führte einen eine verbindlich-freundliche Männerstimme durch die Menüpunkte auf dem Touchscreen eines Fotoautomaten in einem Vorstadt-Einkaufszentrum. Das klappte so geschmeidig, dass sich eine kumpelhafte Nähe zum Maschinenmann aus dem digitalen Bauchraum der Passbildkabine einstellte.

Genau das ist ein Thema, das auch Wissenschaftler beschäftigt. Wenn nämlich die Geräte mit den Menschen sprechen, so die Grundfrage: Wie verstehen sich die Beteiligten dieser Konversation, und unter welchen Bedingungen entsteht ein positiver Austausch? Weizi Liu und Mike Yao von der University of Illinois Urbana-Champaign berichten nun im Fachjournal Computers in Human Behavior, dass das Geschlecht aller Beteiligten dabei ein wesentlicher Faktor ist. Frauen und Männer reagieren unterschiedlich auf sprechende Geräte - und vor allem spielt es eine Rolle, ob die künstliche Stimme wie eine Frau oder ein Mann klingt.

Frauen bewerteten den Austausch mit einem Chatbot grundsätzlich skeptischer und weniger positiv als Männer - egal, wie dieser konfiguriert war. Die schlechteste Bewertung gaben sie aber ab, wenn das Gerät mit einer weiblichen Stimme zu ihnen sprach. Ein Gerät, das klingt wie eine Frau, fanden sie im Durchschnitt am wenigstens sympathisch und wohlgesinnt. Männer bewerteten die Quasselgeräte durch die Bank deutlich positiver, egal ob die Stimme neutral, weiblich oder männlich klang. Die höchsten Sympathiewerte aber weckten bei ihnen Chatbots, die mit Männerstimme sprachen. In dieser Konstellation stimmte die Chemie einfach, so Liu und Yao. Ein Studienteilnehmer war von einem männlichen Chatbot gar so begeistert, dass die Wissenschaftler ihn mehrmals auffordern mussten, das Gespräch endlich einzustellen, weil der nächste Proband wartete.

Trotzdem gaben die meisten Probanden an, dass sie Alexa, Siri oder andere Redekisten bevorzugt mit einer Frauenstimme konfigurieren würden, wenn sie denn die Wahl hätten. Diese Haltung entspricht dem, was in der Psychologie lange als Lehrbuchwissen galt: Ansagen, Hotlines sowie Chatbots und andere Geräte sollten mit weiblicher Stimme sprechen, weil diese eher als warmherzig, vertrauens- und liebenswürdig bewertet würde. Männerstimmen weckten hingegen Assoziationen wie "aggressiv" oder "dominant" und seien deshalb zu meiden, hieß es lange. Stimmt das also doch nicht? Wer weiß. Klar ist: Früher, als die Geräte nur genderneutral gepiept haben, waren die Welt und die Beziehung zu den Geräten ein bisschen klarer - das hat einfach nur genervt.

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