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Ins Netz gegangen. Ein künstliches Gehirn, vom Computer entworfen.

© imago/Science Photo Library

Kreative KI: Wenn Computer Kunst schaffen

Künstliche Intelligenz komponiert Lieder, malt Bilder und schreibt Gedichte. Aber wer besitzt das Urheberrecht an dieser Kunst? Der Bund sieht keinen Regelungsbedarf – fördert aber KI-Projekte.

Am 28. April soll sie endlich zu hören sein: Beethovens 10. Sinfonie – und zwar vollendet, dank künstlicher Intelligenz (KI). Bis zu seinem Tod 1827 hatte der Komponist nur einige Skizzen fertiggestellt, zu seinem 250. Geburtstag soll nun die Uraufführung gespielt werden vom Beethoven Orchester Bonn.

Erarbeitet wird das Stück von Matthias Röder, Direktor des Karajan Instituts in Salzburg, der eine Software mit den Skizzen sowie weiteren Stücken von Beethoven und Komponisten seiner Zeit füttert.

Ein KI-Bild bei Christie's

Wie viel Beethoven steckt in einer von KI komponierten Sinfonie? Die Frage der Urheberschaft stellt sich nicht nur in der Musik zunehmend, wo Firmen wie Aiva (Artificial Intelligence Virtual Artist) KI- Musik für Filme, Werbung und Videospiele anbieten. Sondern auch in der Literatur, wo etwa die Firma Botnik ein maschinell verfasstes Harry-Potter-Kapitel veröffentlicht hat und die Brentano-Gesellschaft das KI-Gedicht „Sonnenblicke auf der Flucht“ in die „Frankfurter Bibliothek“ aufnahm.

In der Malerei gab es einen Durchbruch mit dem KI-Gemälde „Edmond de Belamy“, das 2018 vom Auktionshaus Christie’s statt für die geschätzten 10 000 Dollar für 432 500 US-Dollar (rund 398 000 Euro) versteigert wurde.

Wer aber ist der Urheber, „wenn eine Arbeit von einem Menschen erdacht, aber von einer Maschine erzeugt wurde“, fragte das Magazin „Art Newspaper“ anlässlich der Auktion. Müssen alle bisher geschaffenen Werke quasi als Open Source betrachtet werden, mit der die künstliche Intelligenz so programmiert werden kann, dass ein eigenes, neues Werk entsteht? Und würde die KI das alleinige Urheberrecht besitzen, wenn kein Menschen mehr eingreift?

Keine Kennzeichnungspflicht für KI-Kunst geplant

Trotz des fortschreitenden Einsatzes von KI in der Kunst sieht die Regierung keinen Anlass für eine Neuregulierung. Schlicht „nein“ lautet die Antwort von Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf die Frage, ob es besonderer Regeln für die Feststellung der Urheberschaft und somit auch der Verantwortlichkeit bei von KI-produzierter Kunst bedarf. Erkundigt danach hatte sich Anna Christmann, Sprecherin für Innovations- und Technologiepolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, im Rahmen einer Kleinen Anfrage.

Die Regierung plant laut Grütters auch keine Einführung einer Kennzeichnungspflicht von Kunstprodukten, die mithilfe von KI entstanden sind. „Das geltende internationale Urheberrecht lässt Förmlichkeiten für den Urheberrechtsschutz nicht zu“, schreibt die Kulturstaatsministerin. Die aktuellen urheberrechtlichen Rahmenbedingungen würden „auch für das kreative Schaffen unter Einsatz künstlicher Intelligenz“ gelten. Die urhebervertragsrechtlichen Bestimmungen würden „gesetzliche Ansprüche zur fairen Beteiligung der Kreativen an der Verwertung kreativer Leistungen“ vorsehen.

Wie kreativ darf KI sein?

Dass die Regierung „nicht einmal prüft, ob Probleme entstehen könnten, etwa durch die verschwimmenden Grenzen von menschlicher und maschineller Leistung“, ist für Christmann und ihren Fraktionskollegen Erhard Grund, Sprecher für Kulturpolitik, nicht nachvollziehbar: „Wenn Deutschland nicht den Anschluss in der Kreativwirtschaft von morgen verlieren will – oder noch schlimmer: seine Künstlerinnen und Künstler –, erwarten wir hier deutlich mehr Initiative von Frau Grütters und der Bundesregierung.“

Tatsächlich könnten die Künstlerinnen und Künstler ihre Rechte ja überhaupt nur dann geltend machen, wenn sie von der Nutzung ihrer Werke für ein KI-Kunstwerk erfahren. Das dürfte schwierig sein, wenn es keine Nachweispflicht für die verwendeten Datensätze gibt. Wie kreativ darf KI also sein?

Die deutschen Kunsthändler fordern eine Dokumentation

Auch Branchenexperten sind sich in dieser Frage nicht einig. „Wenn KI Kunst erzeugt und somit jemand einen Anspruch auf deren Wertschätzung erhebt, müssen auch für diese Kunstwerke natürlich Regeln gelten“, fordert Kristian Jarmuschek, Berliner Galerist (Jarmuschek + Partner) und Chef des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler. Kunstwerken früherer Epochen müssten schließlich auch meist Provenienznachweise beiliegen, wenn sie verkauft oder öffentlich gezeigt werden sollen.

Entscheidend bei der Diskussion sei aber die Frage: „Ist das Kunst? Beziehungsweise in welcher Form ist etwas mit Kunst vergleichbar?“ Fall die Antwort „ja“ laute, „sollte es Regeln für alle geben oder zumindest solche, die den Verhältnismäßigkeiten entsprechen“, meint Jarmuschek. Und er fügt dem rechtlichen Aspekt noch einen weiteren hinzu: „Auch im Sinne künftiger Forschung wäre besonders in der Entwicklungsphase eines solchen neuen beziehungsweise zumindest neu ansetzenden Zweiges unserer Bildwelt eine genaue Dokumentation sehr wichtig.“

Kunstmarktexperte Magnus Resch, der an der Columbia University und der Universität St. Gallen Kulturmanagement unterrichtet, spricht sich hingegen klar gegen eine Neuregulierung der Urheberschaft sowie eine Kennzeichnung aus. „Wenn ich heute eine Fotografie kaufe, habe ich auch keine Ahnung, wie viel Photoshop beteiligt war“, sagte er. Auch ein Künstler wie Jeff Koons baue seine Hasen beispielsweise nicht selber, sondern dies würden die zahlreichen Angestellten tun.

Die Musikindustrie warnt vor Naivität

„Diese Copyright-Bedenken hindern und blockieren den Fortschritt nur“, ist Resch überzeugt. Niemand brauche Angst vor KI zu haben. „Lasst die Künstler einfach machen“, plädiert er. „Jede Regulierung der Kunst ist überflüssig – Künstler und Galeristen werden sich sowieso nicht daran halten, denn was im Studio passiert, sieht eh keiner.“ Statt mehr Paragrafen brauche die Kunst Käuferinnen und Käufer: „Vielleicht hilft KI als neue Kunstform, neue Käufergruppen zu motivieren, Kunst zu kaufen“, so Resch.

Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie erwartet durch KI ebenfalls einen Schub für den kreativen Schaffensprozess. Dabei sei es jedoch wichtig, „nicht naiv zu sein“, betont er. Das Verhältnis zwischen menschlichem Schaffensprozess und KI sowie geistigem Eigentum auf der rechtlichen Ebene müsse „sehr genau“ betrachtet werden, auch dahingehend, wo die Wertschöpfung liege: „Wenn es dann auch noch gelingt, dass wir Menschen die KI als Instrument nutzen und uns nicht in ein Abhängigkeitsverhältnis begeben, wird das ein sehr spannender und kreativ bereichernder Weg sein. Das gilt für alle Lebensbereiche, nicht nur für die Musikbranche“, sagt er.

Grütters fördert KI in der Kunst mit einer weiteren Millionen

Ein Weg, den die Regierung künftig verstärkt fördern will. Insgesamt eine Million Euro stellt Monika Grütters im Rahmen ihrer „Digialisierungsoffensive“ für neue Projekte zu KI in der Kunst zur Verfügung. Wie am Montag bekannt gegeben wurde, werden drei Projekte gefördert.

So soll das Bonner Haus der Geschichte in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut IAIS ein KI-basiertes Verfahren zur Analyse der mehr als 1000 Interviews des Zeitzeugenportals entwickeln. Dabei soll eine neuartige KI-Anwendung zur Emotionserkennung erarbeitet werden, deren Algorithmen Gefühle wie Trauer, Freude, Ärger recherchierbar machen. Von den Ergebnissen könnten sowohl Nutzerinnen und Nutzer des Zeitzeugenportals als auch die historische Forschung profitieren. 500.000 Euro sind dafür vorgesehen.

App zur Identifizierung von Raubgrabungen

Im Projekt „KI gegen Desinformation“ will die Deutsche Welle mithilfe eines KI-Moduls automatisiert Fehlinformationen und Propaganda identifizieren. Die Methode soll auch bei Medientrainings genutzt werden. Für dieses Projekt ist eine Förderung von rund 250.000 Euro geplant. Die gleiche Summe erhält das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie zur Weiterentwicklung einer App. Sie soll den Ermittlungs- und Kulturbehörden bei der Identifizierung archäologischer Kulturgüter helfen, die möglicherweise aus Raubgrabungen stammen.

Bereits angelaufen ist das Sonderprogramm Autonom des Fonds Darstellende Künste e. V., das Produktionen aus verschiedenen Feldern der Freien Darstellenden Künste fördert. „Gerade der Kultur- und Medienbereich leistet zur anspruchsvollen Weiterentwicklung der Technologie und zur fundierten öffentlichen Debatte über künstliche Intelligenz einen wichtigen Beitrag“, sagte Grütters vorab.

Wie gut die Vollendung von Beethovens 10. Sinfonie mit KI gelungen ist, wird bald zu hören sein – unabhängig vom Ergebnis sieht Magnus Resch den Einsatz der Technologie auch hier ausschließlich als Chance: „Als die Fotografie auf den Markt kam, waren auch alle besorgt. Die Malerei wird aber nie sterben, KI-Kunst kommt lediglich als neues Medium dazu“, erklärt er. Das würde auch für Beethoven gelten: „KI ersetzt hier nicht den Künstler, sondern ist sein Seelenverwandter.“

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