Der Konsument ist manchmal schon ein sehr widersprüchliches Geschöpf. Natürlich will er irgendwie Plastik vermeiden, aber bitte nicht, wenn er gerade im Supermarkt steht und ein Sechserpack Wasserflaschen kauft. Und natürlich will er gutes Fleisch, aber bitte nicht, wenn es zwei Euro teurer ist

Auch im Netz ist diese Widersprüchlichkeit zu beobachten. Das zeigt einmal mehr eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Universität Bristol, die ZEIT ONLINE vorab vorliegt (Kozyreva, Herzog et al., 2020). Ein Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat 1.065 Menschen in Deutschland zu ihren Einstellungen zu Datenschutz, personalisierten Botschaften und automatisiert generierten Empfehlungen im Netz befragt. Die Ergebnisse zeigen: Vielen Menschen scheint nicht bewusst zu sein, welche Daten Unternehmen über sie erheben und wofür sie sie nutzen.

Die meisten Befragten gaben etwa an, dass es sie für akzeptabel hielten, wenn man ihnen auf Grundlage ihrer persönlichen Daten und ihres Verhaltens automatisiert Restaurants oder Geschäfte, Veranstaltungen, Filme oder Musik empfehlen würde. Dass das aber basierend auf Informationen wie dem Beziehungsstatus, der sexuellen Orientierung oder des Haushaltseinkommens passierte, fanden sie in großen Teilen nicht in Ordnung. Auch das eigene Verhalten im Netz wollten die meisten Befragten nicht dokumentiert wissen: Sie lehnten es ab, dass man Informationen wie die Kaufhistorie, angeschaute Videos, Standort oder Inhalte von E-Mails sowie Onlinenachrichten speichert oder weiterverwendet.

Bloß nicht für politische Zwecke!

"Die Menschen stellen aufgrund des intransparenten Designs der Dienste offenbar keine Verbindung zwischen der Nutzung von Dienstleistungen und der Nutzung von Daten her", sagt die Wissenschaftlerin Anastasia Kozyreva, die am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung forscht. Vielen sei scheinbar nicht klar, welche persönlichen Daten Unternehmen verwenden, um passende Empfehlungen anzuzeigen. Dass etwa der Standort abgefragt wird, damit Google passende Restaurants in der Nähe anzeigen kann. Dass die Kaufhistorie beeinflussen könnte, welche Filme Amazon empfiehlt. Oder dass Facebook auf Basis angeschauter Videos auf Veranstaltungen hinweisen könnte.

Bestimmte Personalisierungen lehnen die befragten Nutzerinnen und Nutzer deutlich ab. Sie wollen laut Umfrage nicht, dass ihre Daten für politische Zwecke verwendet werden. Die Befragten sprachen sich mehrheitlich gegen personalisierte politische Werbung, gegen maßgeschneiderte Social-Media-Feeds und gegen eine Personalisierung in Onlinezeitungen aus. Das zeige, dass Menschen realisierten, das für das Funktionieren einer Gesellschaft eine unabhängige politische Meinungsbildung wichtig sei, so Kozyreva.

Einmal mehr zeigt die Studie auch, dass der Wunsch nach mehr Datenschutz jedoch nicht unbedingt zu einer Verhaltensänderung bei den Nutzerinnen und Nutzern führt. Zwar bereitet das Thema laut Umfrage 82 Prozent der Befragten Sorgen. Dennoch gab jede Fünfte an, im vergangenen Jahr weder Einstellungen auf Websites oder in sozialen Netzwerken geändert zu haben noch digitale Werkzeuge zu verwenden, mit denen sich Daten schützen ließen – wie beispielsweise einen Inkognito-Modus im Browser oder datensparsame Suchmaschinen wie DuckDuckGo.

In der Wissenschaft bezeichnet man dieses Verhalten auch als Datenschutz-Paradox: Zwar geben die Menschen in Umfragen stets an, dass sie nicht wollen, dass ihre Daten für unternehmerische Zwecke oder Empfehlungen verwendet werden. Im Alltag wiegt der Nutzen datenintensiver Anwendung dann aber die Risiken auf (zum Beispiel Telematics and Informatics: Barth, Jong, 2017).

Hinzu kommt: "Selbst wenn es einer Person wirklich wichtig ist, die eigenen Daten zu schützen, ist das wahnsinnig schwer", sagt Studienautorin Kozyreva. Es sei nicht transparent, welche Daten die Unternehmen zu welchen Zwecken auswerteten. Sie wünscht sich daher regulatorische Maßnahmen von der Bundesregierung und von der Europäischen Union: Nutzerinnen und Nutzer müssten einfacher verstehen können, was für Daten gesammelt und wofür sie verwendet würden. "Wir können das nicht den Unternehmen überlassen", so Kozyreva.

Die Studienautorinnen und -autoren fragten auch danach, was für Begriffe Nutzerinnen und Nutzer kennen. Eine große Mehrheit gab an, dass sie mehr oder weniger wisse, was Worte wie künstliche Intelligenz oder personalisierte Werbung bedeuteten (ja, es ist in der Umfrage wirklich so vage formuliert). Weniger bekannt schienen die Begriffe Computer-Algorithmen und maschinelles Lernen zu sein. Was leider nicht aus der Befragung hervorgeht: was die Menschen unter diesen Worten eigentlich genau verstehen.