Die staatstragenden Worte des Abends durfte Dorothee Bär sprechen. Live auf YouTube wurden am Montagabend die zwanzig besten Projekte des Hackathons WirVsVirus, den die Bundesregierung maßgeblich unterstützt hatte, geehrt. Es war an der Staatsministerin im Bundeskanzleramt für Digitales, in ihrer Ansprache den Einsatz zu loben und sich bei Teilnehmern, Mentorinnen und Initiatoren zu bedanken. Doch sie hatte da auch noch einen Appell: "Der Hackathon ist noch nicht zu Ende", sagte die CSU-Politikerin. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien nach der Preisverleihung noch nicht entlassen, die Ideen müssten jetzt auch auf die Straße gebracht werden. "Das war erst der Anfang."

Ein Wochenende lang, vom 22. bis zum 24. März, hatten Programmiererinnen, Designer und Tüftlerinnen nach technischen Lösungen für die aktuelle Krise gesucht. 28.000 Menschen nahmen deutschlandweit und digital an dem Hackathon teil, 1.500 Projekte entstanden: digitale Marktplätze, Netzwerke, Plattformen und Apps, vom digitalen Wartezimmer bis zur Einkaufshilfe für ältere Menschen. Viele Ideen, die im Alltag der Coronavirus-Pandemie helfen sollen. Nun steht die größte Herausforderung bevor: die vielen guten Einfälle auch wirklich umzusetzen.

Denn bei einem Hackathon geht es erst einmal nur darum, in kurzer Zeit viele pragmatische oder auch innovative Lösungsansätze zu einem Thema zu finden. Es entstehen sozusagen die Prototypen, also erste Modelle und noch keine marktreifen Lösungen. Was davon am Ende wirklich in unserem Alltag ankommt, entscheidet sich erst später. Bei Hackathons stehe "sehr viel Aktionismus und mehr Show und Kommunikation" im Vordergrund, sagte der Managementprofessor Julian Kawohl dem Spiegel. Wichtig sei, dass sich nun auch wirklich das am besten umsetzbare Angebot durchsetze.

Nicht mehr testen, sondern umsetzen

Immerhin: Die Ideen aus dem Hackathon klingen schon mal danach, als könne man sie in der Corona-Krise gut gebrauchen. Das Gewinnerprojekt Small Business Hero ist beispielsweise eine Plattform, auf der lokale Geschäfte online ihre Waren anbieten und verkaufen können, damit sie weiterhin Umsätze machen und überleben können. Remedy Match soll ein Marktplatz werden, auf dem etwa Restaurants ihre überschüssigen Einmalhandschuhe an medizinische Institutionen spenden können sollen, Freiwillige können sich für den Transport der Sachspenden melden. Meinegemeinde.digital soll Menschen ein digitales Gemeindeleben ermöglichen, mit Bibelkunde und verschlüsselter Chatfunktion für die Seelsorge. Manche Probleme wurden auch von mehreren Gruppen bearbeitet, etwa die Frage danach, wie man über Smartphones herausfinden kann, ob man sich in der Nähe von Infizierten befand, ohne gleich den Datenschutz über Bord zu werfen.

Doch den Teams hinter den Ideen stehen noch echte Herausforderungen bevor. Und zwar nicht allein technische. Denn: Wer spricht die Tausenden Einzelhändler in Deutschland an und überzeugt sie, auf einer Plattform ihre Produkte anzubieten? Wer fotografiert dann diese Produkte und stellt sie online? Wie stellt man sicher, dass es genügend Freiwillige gibt, die ein Produkt von Köln nach Siegburg transportieren? Dass sie die Produkte nicht selbst einstecken und meistbietend online verkaufen? Dass genügend Unternehmen von der Idee erfahren, um eine signifikante Anzahl an Spenden hinzubekommen? Wie sorgt man dafür, dass eine App auch wirklich genutzt wird?