Justizstatistik 2019Polizei nutzt Staatstrojaner vor allem bei Erpressung und Drogen

Polizei und Ermittlungsbehörden nutzen Staatstrojaner vor allem wegen Drogen und Eigentumsdelikten, nicht wegen Mord oder gar Terror. Das geht aus der korrigierten Justizstatistik hervor. Die Bundesländer hatten zunächst falsche Zahlen gemeldet, sie haben den Trojaner schlicht verwechselt.

Polizist mit Handys
Würden Sie der Polizei mal kurz ihr Handy geben? (Symbolbild) CC-BY-SA 2.0 Polizei West Midlands

Das Bundesjustizamt veröffentlicht jedes Jahr Statistiken zur Telekommunikationsüberwachung in Deutschland, die wir aufbereiten und visualisieren. Im Dezember waren für das Jahr 2019 erstmals Zahlen zu Staatstrojanern dabei, wir hatten darüber berichtet.

NDR und WDR haben bei den Bundesländern nachgefragt, das Ergebnis: Viele Staatsanwaltschaften haben falsche Angaben gemacht. Jetzt hat das Bundesamt für Justiz die Zahlen korrigiert.

Jeden Monat ein Staatstrojaner

Demnach haben Polizei und Ermittlungsbehörden im Jahr 2019 den „großen Staatstrojaner“ Online-Durchsuchung (also das Hacken zum Ausleiten sämtlicher Daten) in 21 Verfahren 33 Mal angeordnet und in 12 Fällen tatsächlich eingesetzt. Der „kleine Staatstrojaner“ Quellen-Telekommunikationsüberwachung (also das Hacken zum Abhören laufender Kommunikation) wurde 31 Mal im richterlichen Beschluss angeordnet und in drei Fällen tatsächlich eingesetzt.

Warum der Trojaner-Einsatz oft angeordnet, aber dann selten tatsächlich durchgeführt wird, geht aus den Zahlen nicht hervor. Die Infiltration eines IT-Geräts mit der staatlichen Spähsoftware ist technisch aufwändig und rechtlich heikel, aber das ist auch schon vor Antragstellung bekannt. Die Zahlen sind jedenfalls niedriger als vor zehn Jahren, 2009 wurden „jährlich rund 35 mal Trojaner eingesetzt“.

Vermögen und Drogen statt Terror und Mord

Das Bundesjustizamt hat die Einsätze der Online-Durchsuchung nach oben korrigiert. Ursprünglich hatte der Generalbundesanwalt angegeben, dass in keinem seiner Verfahren eine Online-Durchsuchung angeordnet wurde. Tatsächlich war das aber in einem Verfahren zum Hoch- und Landesverrat der Fall.

Die meisten Online-Durchsuchungen wurden wegen Vermögens- und Drogendelikten angeordnet. Das hatte das Bundeskriminalamt schon vor Jahren angekündigt. Auch die „klassische“ Telekommunikationsüberwachung von Telefon- und Internet-Anschlüssen wird vor allem gegen Drogen eingesetzt. So auch die Online-Durchsuchung:

Anzahl Straftat Prozent
13 Räuberische Erpressung 37%
12 Betäubungsmittelgesetz 34%
4 Persönliche Freiheit 11%
2 Kriminelle Vereinigung 6%
1 Hoch- und Landesverrat 3%
1 Sexuelle Selbstbestimmung 3%
1 Geldwäsche 3%
1 Kriegswaffenkontrollgesetz 3%
0 Kinderpornografische Schriften 0%
0 Mord und Totschlag 0%

Telefon und Trojaner verwechselt

Bei den Zahlen zur Quellen-TKÜ gab es die größten Korrekturen. Ursprünglich hatte das Justizamt verkündet, dass der kleine Staatstrojaner 368 mal eingesetzt wurde, jetzt sind nur noch drei Einsätze übrig. Aus den Statistiken geht nicht hervor bei welchen Straftaten.

Zehn Bundesländer und der Generalbundesanwalt hatten falsche Zahlen mitgeteilt. Die Begründung klingt abenteuerlich: Justizministerien und Staatsanwaltschaften hätten hundertfach „Kreuzchen/Häkchen versehentlich falsch gesetzt“ oder gar den Staatstrojaner mit einer normalen Telefon-Überwachung verwechselt.

Das liegt auch an der Wort-Schöpfung einer „Telekommunikationsüberwachung an der Quelle“, die staatliches Hacken verharmlost. Befürworter behaupten, der kleine Staatstrojaner sei nur eine normale Telefonüberwachung mit leicht moderneren Mitteln. Doch staatliches Hacken schwächt die innere Sicherheit, der Staat verhindert, dass Sicherheitslücken geschlossen werden. Darüber hinaus lassen sich Trojaner weder rechtlich noch technisch begrenzen auf die Überwachung laufender Kommunikation.

Trotz dieser Probleme und laufender Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht weitet die Große Koalition den Einsatz von Staatstrojanern kontinuierlich aus. Zum einen werden die Listen an Straftaten für Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ um neue Delikte erweitert. Zum anderen bekommen immer neue Behörden die Befugnis zum Hacken, wie alle 19 Geheimdienste und die Bundespolizei – sogar gegen Personen, die noch gar keine Straftat begangen haben.

2 Ergänzungen

  1. Ich hätte da was wodrüber berichtet werden könnte:

    Das ist euch sicherlich bekannt: (ging ja durch die sozialen netzwerke)

    https://www.drogenbeauftragte.de/presse/detail/aenderung-des-postgesetzes-verdaechtige-paeckchen-muessen-kuenftig-der-polizei-gemeldet-werden/

    Aber in Zusammenhang hiermit:
    https://www.paketda.de/news-gebrauchte-briefmarken-erkennung.html
    https://www.youtube.com/watch?v=cLwdEotYRAo

    Ergibt sich doch ein ganz anderes Bild

    plz kurze rückmeldung

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.