Ein Hackerangriff auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld hat den ersten Cyber-Katastrophenfall in Deutschland ausgelöst. Die Verwaltung des Landkreises in Sachsen-Anhalt muss nach eigenen Angaben fast zwei Wochen lang ihre Arbeit weitgehend einstellen, weil Kriminelle das Computersystem am 6. Juli attackiert haben. 

"Wir sind praktisch vollkommen lahmgelegt – und das wird auch in der kommenden Woche so sein", sagte ein Sprecher. Der Landkreis mit rund 157.000 Einwohnerinnen und Einwohnern kann deshalb etwa keine Sozial- und Unterhaltsleistungen mehr auszahlen. Die Sicherheitsbehörden ermitteln. 

Kommunale IT-Infrastruktur ist vielerorts schwach

Um schneller reagieren zu können, wurde laut dem Landkreissprecher der Katastrophenfall ausgerufen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) teilte mit, dass es eingeschaltet und vor Ort sei. Es handle sich demnach um eine Premiere: "Es gab in Deutschland schon Angriffe auf Kommunen, aber keine, die daraufhin einen Katastrophenfall ausgerufen hat", sagte eine BSI-Sprecherin.

Die Gefährdung scheint bekannt zu sein: Sicherheitskreise verweisen darauf, dass die kommunale IT-Infrastruktur in Deutschland wahrscheinlich am schlechtesten gegen Cyberangriffe geschützt ist – obwohl dort sehr viele Daten der Bürgerinnen und Bürger anfallen. Kommunen nutzen häufig veraltete Hard- und Software, große Firmen und der Bund hingegen verfügen über umfangreiche IT-Abteilungen.

Beim BSI gibt es seit 2011 ein Nationales Cyberabwehrzentrum, das Angriffe vor allem auf die Bundesverwaltung registrieren und abwehren soll. Unternehmen der sogenannten kritischen Infrastruktur wie etwa der Energieversorgung unterliegen zudem einer Meldepflicht für Cyberangriffe.

Viele Hackerangriffe in vergangenen Monaten

Zu den Angreifern wollte der Landkreis Anhalt-Bitterfeld mit Verweis auf die polizeilichen Ermittlungen keine Angaben machen. In Sicherheitskreisen wird vermutet, dass es sich erneut um Erpressung handelt. In solchen Fällen verschlüsseln Angreifer Daten, die sie erst nach Zahlung einer geforderten Summe wieder freigeben.

In den vergangenen Monaten hatten sich die Angriffe krimineller Gruppen auf Netzwerke sowohl auf Firmen als auch öffentliche Einrichtungen gehäuft. So wurden etwa Medizinfirmen und das Klinikum Düsseldorf angegriffen, das danach Abteilungen vorübergehend schließen musste.

Erst vergangene Woche hatte ein Angriff einer Erpressergruppierung in den USA und anderen Staaten wie Deutschland Hunderte Firmen betroffen. Teilweise werden auch staatliche Akteure hinter den kriminellen Gruppen vermutet.