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Bundesdatenschutzbeauftragter Bundesregierung soll ihre Facebook-Seiten schließen

Der datenschutzkonforme Betrieb einer Facebook-Fanpage sei nicht möglich – also haben Bundesbehörden dort nichts verloren, sagt der Bundesbeauftragte für Datenschutz. Er droht mit Zwangsmaßnahmen.
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber

Foto: Jens Krick / picture alliance / Flashpic

Wenn es nach dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber geht, wird die Bundesregierung in absehbarer Zeit einen wesentlichen Kommunikationskanal verlieren. Mit einem nun bekannt gewordenen Rundschreiben  fordert er die Bundesregierung und die Bundesbehörden auf, ihre Facebook-Präsenzen abzuschalten. Nur neue Zugeständnisse von Facebook könnten den Weiterbetrieb ermöglichen.

Bereits im Mai 2019 hatte Kelber die Bundesbehörden darauf aufmerksam gemacht, dass »ein datenschutzkonformer Betrieb einer Facebook-Fanpage gegenwärtig nicht möglich« sei. Damals sah der Behördenchef noch die Möglichkeit, dass Facebook seine Praxis der Datenverarbeitung zumindest für die Regierungsaccounts und deren Facebook-Fans änderte.

Doch trotz einer Initiative des Bundespresseamts bewegte sich der amerikanische Konzern nicht. Ein nachgereichtes »Addendum« von Facebook genüge nicht, den Betrieb der Fanpages wieder zu ermöglichen, schreibt die Aufsichtsbehörde.

Eine Million Abonnenten

Das Abschalten der Facebook-Präsenzen könnte die Bundesregierung erhebliche Reichweite kosten. Allein die zentrale Fanpage der Bundesregierung hat 870.000 Fans und über eine Million Abonnenten auf Facebook. Das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn kommt auf 391.000 Fans, das Auswärtige Amt von Heiko Maas auf 305.000. Andere Ministerien wie das Innenministerium und das Finanzministerium sind nur auf anderen sozialen Netzwerken vertreten.

Der Rückzug käme für die Institutionen doppelt ungelegen: Wenn eine Institution keine eigene Facebook-Präsenz betreibt, verlinkt Facebook die betreffende Organisation als »Ort«. Folge: Die Ministerien könnten keine eigenen Botschaften absetzen, Kritik an ihrem Vorgehen wäre in der Facebook-Suche aber weiterhin prominent sichtbar.

Ein Sprecher der Bundesregierung bestätigt auf Anfrage des SPIEGEL den Eingang des Schreibens: »Die Bundesregierung hat die mitgeteilten Einschätzungen und Empfehlungen des Bundesdatenschutzbeauftragten zur Kenntnis genommen und wird sie nun prüfen.« Wann mit Konsequenzen zu rechnen ist, teilt die Bundesregierung allerdings nicht mit.

Noch online: Die Facebook-Fanpage der Bundesregierung

Noch online: Die Facebook-Fanpage der Bundesregierung

Foto: Facebook

Kelber schreibt, dass er wegen der großen Bedeutung von Facebook für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung »unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zunächst von Abhilfemaßnahmen abgesehen« habe. Nun will er aber einen Schlussstrich ziehen. Er empfiehlt den Bundesbehörden, bis Ende dieses Jahres ihre Facebook-Präsenzen abzuschalten. Ab Januar 2022 will er im Rahmen seiner Zuständigkeit zu Zwangsmaßnahmen greifen. Damit können die Bundesbehörden zumindest noch im Wahlkampf für ihre Politik werben.

Für die Datenschutzverstöße von Facebook ist die irische Datenschutzbehörde zuständig. In der Vergangenheit hatte Kelber das langsame Vorgehen seiner dortigen Kollegin immer wieder kritisiert, weil diese zwar für viele US-Konzerne offiziell zuständig ist, aber kaum Verfahren abgeschlossen hat. Ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt Landesbehörden zumindest in Ausnahmefällen die Möglichkeiten, die Internetkonzerne ohne Abstimmung mit den irischen Behörden zu verklagen.

Dennoch kann sich Facebook freuen. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar, ein erbitterter Gegner von Facebooks Datenspeicherung, scheidet heute nach zwei Amtsperioden aus dem Amt. Ein Nachfolger soll erst im August ernannt werden.

Kelber hat unterdessen ein Problem im eigenen Haus: Wie die Behörde heute bekannt gab, gab es einen Fehler bei der Neugestaltung der Homepage. Folge: Datenschutzbeschwerden, die über die Website eingereicht wurden, wurden von einem falsch konfigurierten Spamfilter als Fälschungen eingestuft und gelöscht. Wer zwischen dem 9. und 18. Juni eine Beschwerde über die Web-Formulare eingereicht hat, soll diese deshalb noch mal einreichen.

tmk