„Meine KI-Forschung hilft dabei, produktive Lernverläufe zu identifizieren und Kompetenzen zu verbessern.“

Wie bei digitalen Lerneinheiten entstehende Daten für personalisiertes Feedback genutzt werden können.

FRAGEN AN Daniele Di Mitri, der im April 2021 in der Kategorie Geistes- und Sozialwissenschaften zum AI-Newcomer des Jahres gewählt wurde. Am DIPF | Leibniz-Institut baut er gerade eine Forschungsgruppe zum Thema Künstliche Intelligenz auf, um verantwortungsvolle KI-Systeme für die Bildung zu entwickeln. Zurzeit konzentrieren sich seine Arbeiten auf praktische Lernaufgaben – und nicht auf allgemeine Lernsituationen im Klassenzimmer.

Herr Di Mitri, sind Sie stolz auf Ihre Auszeichnung als „AI Newcomer“ des Jahres 2021?

Ja, ich bin begeistert, dass ich im Rahmen des KI-Camps zum „AI Newcomer of 2021“ gewählt wurde. Das KI-Camp ist das nationale Event in Deutschland zur Künstlichen Intelligenz, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Gesellschaft für Informatik gemeinsam organisieren. Insbesondere mit dem Newcomer-Wettbewerb strebt das KI-Camp eine Sichtbarkeit neuer Akteure und Nachwuchstalente in der Künstlichen Intelligenz in Deutschland an. Ich verstehe meine Auszeichnung als einer der zehn “Newcomer” des KI-Camps als Belohnung für die harte Arbeit, die meine Kolleginnen und Kollegen und ich in den letzten Jahren geleistet haben.

Sie mussten für Ihre Bewerbung einen kurzen Beitrag erstellen. Können Sie uns schildern, worum es darin geht?

Für das KI-Camp habe ich mein Konzept eines multimodalen Tutors vorgestellt, also das Thema meiner Doktorarbeit. Der multimodale Tutor ist ein intelligentes Tutorensystem, das mithilfe von künstlicher Intelligenz und multimodalen Daten die Lernleistungen von Schülerinnen und Schülern erfasst und korrigiert. Die vorgeschlagenen Methoden wurden für die Ausbildung zur Herz-Lungen-Wiederbelebung eingesetzt (CPR Tutor). Der CPR Tutor erzeugt Echtzeit-Feedback infolge einer Kombination von multimodalen Quellen – dazu gehören auch Armbänder, so genannte „wearables“ und Videokameras.

Im DIPF arbeiten Sie an einem Projekt, bei dem es um die automatische Bewertung von Daten zu inhaltlichen Lernprozessen geht, die bei digitalen Lerneinheiten entstehen. Und diese Daten sollen den Lehrkräften beinahe in Echtzeit zur Verfügung stehen! Wie funktioniert das konkret?

Ich unterstütze mit meiner Arbeit zwei vom BMBF geförderte Projekte zur Frage, ob und wie wir die Spuren von Interaktionen, die die Schüler*innen bei der Arbeit mit digitalen Lernplattformen hinterlassen, nutzen können; ein Ziel ist es dabei, den Erwerb komplexer Konzepte der Physik und Biologie zu modellieren. Beide Projekte sind erst kürzlich an den Start gegangen. Momentan entwickeln wir ein Unterrichtsmodell, das „bottom up“-Prozesse und „data-driven“-Ansätze aus den Learning Analytics kombiniert mit „top-down“-Ansätzen und lehrkraftgesteuerten Bewertungen. Dieses Modell soll die Lehrkräfte dabei unterstützen, die Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler besser zu verfolgen, ihnen dabei helfen, produktive Lernverläufe zu identifizieren und zu fördern und auf diese Weise die Entwicklung von Kompetenzen verbessern.

Können Sie uns Beispiele für produktive beziehungsweise unproduktive Lernprozesse geben?

Ich denke, es kommt auf die Lernziele an – also auf die Erwartungen der Lehrenden sowie auf die Lernziele der Lernenden. Ein Lernziel kann beispielsweise darin bestehen, die Korrektheit von Testergebnissen zu maximieren. Allerdings führt das fehlerfreie Beantworten aller Testfragen vermutlich nicht zum besseren Lernen. Umgekehrt kann das Erzeugen von Fehlern durchaus produktiv sein, wir neigen dazu, aus dem Scheitern viel zu lernen. Das führt zur Reflektion und zum Überdenken von Strategien und zu neuen Lernkompetenzen. Unsere Ergebnisse sollen zur Entwicklung von Assistenzsystemen für Lehrkräfte und Schüler*innen beitragen – und damit das personalisierte Lernen im schulischen Kontext unterstützen.

Wann können die Assistenzsysteme eingesetzt werden? Was denken Sie?

Die beiden erwähnten Projekte befinden sich gerade im entscheidenden Stadium. In zwei oder drei Jahren wird ein solider Prototyp zur Verfügung stehen; den werden wir in einer groß angelegten Studie pilotieren, um die Wirksamkeit des Assistenzsystems zu überprüfen. Ich denke, dass es sich vor allem für den Fernunterricht und das Online-Lernen eignet, also die „neue Normalität“ in der Bildung. So ein System kann den Zugang zu Feedback automatisieren und verbessern – ein wichtiges Element, das Schülerinnen und Schüler oft vermissen, insbesondere, wenn sie selbstständig lernen.

Vielen Dank für das Gespräch, Daniele Dimitri!


Daniele Di Mitri habilitiert im Educational Technologies“ des Informationszentrums Bildung im DIPF und arbeitet im Projekt „Analyse und Förderung von Lernverläufen zur Entwicklung von Kompetenzen“.


Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Christine Schumann für Deutscher Bildungsserver


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