Neugierige Roboter: Intrinsisch motiviertes ergebnisoffenes Lernen für starke KI

Roboter sollen beim autonomen Lernen eigenständig agieren und so die Welt spielerisch begreifen. Ein Interview mit dem Forscher Georg Martius.

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(Bild: Tatiana Shepeleva/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Georg Martius leitet am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Tübingen die Forschungsgruppe zu autonomem Lernen. "Autonom" bedeutet dabei, dass ein Agent selbst bestimmt, was er wie lernen will, und den Lernerfolg ebenfalls selbstständig einschätzen kann. Im Grunde geht es darum, Roboter neugierig auf die Welt zu machen, sodass sie sie eigenständig erkunden und dabei immer besser kennenlernen.

Vor Kurzem hat Martius an seinem Forschungsinstitut den Workshop on Intrinsically Motivated Open-ended Learning veranstaltet. Eine günstige Gelegenheit, so dachte ich, um sich über den neuesten Stand auf diesem Forschungsgebiet zu informieren. Immerhin geht es dabei letztlich um nichts Geringeres als um eine Allgemeine Künstliche Intelligenz, die auf Deutsch zumeist etwas unglücklich als "starke KI" (im Unterschied zur "schwachen", auf konkrete Anwendungen bezogenen KI) bezeichnet wird.

Schon früher hatte ich von den Playful Machines erfahren, die Martius gemeinsam mit Ralf Der entwickelt hat. Das sind künstliche Agenten, die vorab über keinerlei Informationen über ihre Umwelt oder den eigenen Körper verfügen, sondern ausschließlich durch Betätigen ihrer Aktuatoren und der dabei erhobenen Sensordaten nach und nach ein Verhalten entwickeln. Martius und Der haben einen regelrechten Zoo virtueller Kreaturen geschaffen. Anders als bei Robotern oder virtuellen Agenten, die eine spezifische, eng definierte Aufgabe erfüllen sollen, war diesen Kreaturen nichts weiter vorgegeben als ein "Durst nach Information", wie dieses Video erläutert.

Ich war neugierig zu erfahren, was aus diesen Forschungen geworden ist, konnte aber nicht nach Tübingen reisen, sondern den Workshop nur über eine Videoverbindung verfolgen – und erlebte die Enttäuschung meines Berufslebens. Etwa nach der Hälfte der Vorträge schaute ich mir meine bis dahin gesammelten Notizen an und fühlte mich so ratlos wie nie zuvor. All die Stichworte, Phrasen und Zitate kamen mir vor wie die völlig zusammenhanglosen Teile eines Puzzles, das ich nie und nimmer zu einem stimmigen Bild würde zusammensetzen können. Ich gab auf. Nach vielen Jahren als Wissenschaftsreporter würde dies also die erste Konferenz sein, zu der ich nicht mal einen einzigen Artikel verfassen konnte.

Ich hätte es dabei bewenden lassen können. So ein Scheitern ist bitter, aber nicht das Ende der Welt. Zumal klar war, dass es viel mit der Online-Teilnahme zu tun hatte, bei der der Informationsfluss nun einmal erheblich reduziert ist und in diesem Fall offenbar ein kritisches Maß unterschritten hatte. Doch dann erinnerte ich mich an ein Interview mit Nihat Ay, einem Forschungskollegen von Martius, der gesagt hatte, er suche bei seinen Forschungen zu Allgemeiner Künstlicher Intelligenz nach einem "Phasenübergang der Informationsintegration". Ich fragte mich: Ist so ein kognitives Scheitern auf ganzer Linie, wie ich es erlebt hatte, nicht auch eine Art Phasenübergang, aus dem man etwas lernen lassen könnte? Ließe sich womöglich mit den beim Workshop diskutierten Begrifflichkeiten und Konzepten besser verstehen, was da schiefgelaufen war?

Ich fragte Georg Martius, ob er bereit wäre, solche Fragen in einem Interview zu erörtern – und erfreulicherweise war er es. Endgültige Antworten haben wir in dem 27-minütigen Gespräch zwar nicht gefunden, aber das wäre wohl auch zu viel der Erwartungen gewesen – und auch nicht unbedingt nötig. Das unterstreicht ein Ausspruch des Kampfkünstlers und Schauspielers Bruce Lee, den Daniel Polani in seinem Workshop-Vortrag zitierte: "A goal is not always meant to be reached, it often serves simply as something to aim at." (Ein Ziel muss nicht immer erreicht werden, häufig gibt es einfach nur die Richtung vor.)

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(tiw)