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20 Jahre OpenOffice Mit Gratis-Software gegen Microsoft

Tausende Freiwillige haben mitgearbeitet, um ein freies, offenes Gegenstück zum Microsoft-Standard zu schaffen. Das Ergebnis ist beeindruckend. Die Dominanz des Windows-Konzerns konnte es nicht brechen.
Das Büro-Paket läuft auch auf aktuellen Highend-Laptops

Das Büro-Paket läuft auch auf aktuellen Highend-Laptops

Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGEL

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Wenn man nach den bekanntesten Open-Source-Projekten fragt, dürfte OpenOffice neben Linux, Firefox und der Wikipedia wohl auf einem der oberen Plätze liegen. Am 1. Mai 2002 erschien die Version 1.0 des freien Office-Pakets, das die Software-Landschaft bis heute prägt.

Seine Existenz verdankt das Projekt dem Konkurrenzkampf der Konzerne. Der IT-Gigant Sun hatte den Hamburger Hersteller Star Division, Hersteller von Star Office, im Jahr 1999 aufgekauft und kurze Zeit später entschieden, dass man nicht mit Microsoft konkurrieren könne. Kurzerhand entschieden sich die Sun-Manager zu einem revolutionären Schritt: Sie stellten die 7,5 Millionen Zeilen Programmcode der Allgemeinheit bereit und fingen an, OpenOffice gemeinsam mit Freiwilligen weiterzuentwickeln.

Ein motivierendes Feindbild

In den 18 Monaten bis zur Veröffentlichung der ersten Version arbeiteten laut Sun mehr als 10.000 Menschen unentgeltlich an der Software mit. Ein wesentlicher Antrieb für die Community war die Dominanz von Microsoft. Der Konzern aus Redmond hatte mit Microsoft Office, insbesondere »Word« und »Excel«, seine Standards durchgesetzt und eine Gelddruckmaschine geschaffen. Als OpenOffice erschien, versuchte der Konzern gerade, mit seinem Internet Explorer dem Web seinen Stempel aufzudrücken.

Das damals noch junge Internet wurde jedoch von vielen bereits als Lebensraum verstanden, der vor der Dominanz durch große Konzerne bewahrt werden musste. »Schon damals war eine Hauptmotivation für viele Freiwillige, gemeinsam an einer Sache zu arbeiten«, sagt Florian Effenberger, der 2004 zum Projekt dazustieß. »Ich konnte schon sehr bald Verantwortung für Aufgaben übernehmen, was in der Hierarchie einer großen Firma so wohl kaum möglich gewesen wäre.« Zusammenarbeit via Internet als Gegenentwurf zu den erlösgetriebenen Modellen der Konzerne.

Der Großteil der Programmierarbeit wurde in den ersten Jahren aber vor allem von den beteiligten Firmen geleistet. Die Freiwilligen-Community veranstaltete hingegen Konferenzen, engagierte sich in der Qualitätssicherung, gab sogar Bücher und Zeitschriften heraus. Organisiert wurde diese Arbeit meist online.

Eigennutz und Zerwürfnis

Für Sun war das Engagement keine Wohltätigkeit. So versuchte der Konzern in den ersten Jahren noch, mit Star Office eine kostenpflichtige Version der Office-Software zu verkaufen. Zum anderen half das Paket Sun dabei, seine Programmiersprache Java zu verbreiten, die damals für viele Nutzer unverzichtbar wurde. Zum Dritten reduzierte das alternative Office-Paket den Druck auf die Nutzerinnen und Nutzer, Microsofts Betriebssystem zu installieren. So machte es nebenbei Suns eigenes Betriebssystem Solaris attraktiver.

Textverarbeitung, Präsentationssoftware und Tabellenkalkulation sind nur einige Bestandteile von OpenOffice

Textverarbeitung, Präsentationssoftware und Tabellenkalkulation sind nur einige Bestandteile von OpenOffice

Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGEL

Den Funktionsumfang fanden Softwaretester schon von Beginn an hervorragend. Probleme gab es in der Praxis aber vor allem beim Zusammenspiel mit dem Marktführer. Wer zu Hause in OpenOffice eine Datei öffnen wollte, die im Büro mit Microsoft Word geschrieben worden war, stand oft vor einem Scherbenhaufen: Absätze waren verschoben oder ganz verschwunden, Briefbögen erschienen in chaotischer Reihenfolge. Doch die Software wurde immer besser darin, Microsofts proprietäre Dateiformate zu lesen und zu interpretieren. Schließlich erklärte sich der IT-Konzern 2005 endlich bereit, seine Speicherformate für alle zu öffnen.

Nachdem Sun von Oracle übernommen worden war, kühlte das Verhältnis zur Freiwilligen-Community deutlich ab – 2010 kam es zum Zerwürfnis. Das Ergebnis war ein sogenannter »Fork«: Die Freiwilligen-Community entwickelte eine eigene OpenOffice-Version, die sie »LibreOffice« nannte, weiter, Oracle stellte die Zusammenarbeit ein. Mittlerweile ist die Stiftung »The Documents Foundation« (TDF) für die Weiterentwicklung der OpenOffice-Alternative zuständig.

Zwist und Zusammenarbeit

Die Rechte an OpenOffice sind inzwischen bei der Apache Foundation gelandet. Hier erscheinen alle paar Monate kleinere Updates für die Bürosoftware. Ansonsten ist es still geworden. LibreOffice wird aber ständig um neue Funktionen erweitert. Zum Vergleich: Die aktuelle Version von OpenOffice trägt die Versionsnummer 4.1.11, LibreOffice hingegen ist inzwischen schon bei Version 7.3.2 angelangt.

2020 schrieb die TDF daher einen offenen Brief , in dem die Führung des Projekts aufgefordert wurde, sich hinter LibreOffice zu stellen. Doch daraus wurde nichts. »Mittlerweile stellt sich die Frage einer Vereinigung beider Projekte vermutlich weniger, da sie sich technisch weit auseinander entwickelt haben«, sagt Effenberger, der heute die Stiftung leitet.

Auch wenn es OpenOffice nicht gelungen ist, Microsoft vom Office-Thron zu verstoßen, zeigte das Projekt, dass es möglich ist, professionelle Software auf freiwilliger Basis zu entwickeln und zu pflegen. Das Open-Source-Modell hilft dabei: So nutzen Firmen und Behörden den offenen Quellcode von OpenOffice, um das Office-Paket zielgenau an ihre Bedürfnisse anzupassen.

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