Zschabers Börsenblick
Ein 300-Millimeter-Wafer in der Halbleiterfabrik von Bosch Quelle: dpa

Halbleiter hui, Aktien pfui? Ein Widerspruch, der Chancen eröffnet

Die Nachfrage nach Halbleitern ist hoch – nicht aber die nach den Aktien ihrer Produzenten. Welche Gründe das hat und wie Anleger das sogar für sich nutzen können.

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An und für sich sind Halbleiter so etwas wie die Dinosaurier der Technologiebranche, quasi die Old Economy innerhalb der New Economy. Vor einigen Jahren waren unter Fans von Technologieaktien die Papiere von Chipherstellern förmlich verpönt: Wenn man in spektakuläre KI-Software und schrille Social-Media-Plattformen investieren kann, warum sollte man sich dann für schnöde Siliziumplättchen interessieren?

Die Aufmerksamkeit für Halbleiter ist im Laufe der Zeit aber wieder größer geworden – spätestens als man gemerkt hat, welch tragende Rolle Chips für die von allen Seiten geforderte Digitalisierung von Homeoffice bis Elektromobilität spielen. Wenn man so will, sind Halbleiter der Rohstoff für die Industrien der Zukunft. Und allein deshalb stehen sie mittlerweile wieder stärker im Blickpunkt – wenn auch nicht auf den Kauflisten der Börsianer. Aber fangen wir von vorne an.

So sind wie in anderen Branchen auch im Halbleitersegment die vergangenen zwei Jahre geprägt gewesen von der Coronapandemie und damit verbundenen Lockdowns in für die Produktion entscheidenden Regionen etwa in Asien. Letzteres hat einen erheblichen Einfluss auf die Lieferketten gehabt und damit das Angebot reduziert. Das hat die Preise nach oben getrieben – was sich wiederum in Form steigender Aktienkurse geäußert hat. Seit rund einem halben Jahr ist es nun aber auch schon wieder vorbei mit der Euphorie.

Die Turbulenzen der Branche und wie Börsianer darauf reagieren, lässt sich gut am Beispiel des deutschen Chip-Primus Infineon zeigen. Nach dem Blitzcrash im Frühling des ersten Corona-Jahres 2020 legte der Aktienkurs des bayrischen Unternehmens wie der Gesamtmarkt zu – allerdings noch einmal deutlich dynamischer: Um rund 300 Prozent ging es für die Notierung innerhalb von nur 20 Monaten nach dem historischen Absturz gen Norden. Doch obwohl Infineon auch zuletzt starke Zahlen vermeldete – der Umsatz im jüngsten Quartal (per Ende März) legte gegenüber dem Vorjahresquartal um mehr als 20 Prozent auf knapp 3,3 Milliarden Euro zu, das Ergebnis nach Steuern sogar um über 130 Prozent auf 469 Millionen – und obwohl damit sowohl die eigenen Erwartungen als auch die der Analysten übertroffen wurden, ging die Korrektur weiter. In den vergangenen sechs Monaten hat das Infineon-Papier rund 40 Prozent seines Werts eingebüßt.

Auf den ersten Blick mag das irritierend wirken. Doch dass ein ähnliches Bild sich auch bei Wettbewerbern wie STMicroelectronics und AMD zeigt, hat Gründe. So ist bekannt, dass die Börse die Zukunft vorwegnimmt – und die Marktteilnehmer gehen für die nahe Zukunft schlicht schon seit Monaten davon aus, dass der Chip-Boom ein baldiges Ende finden wird.

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Ihr Gedankengang: Die Lieferengpässe könnten sich bald auflösen und das Angebot sich allmählich wieder der Nachfrage annähern; damit würden die Preise fallen und zudem Margen sowie Aktienkurse. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit: Hört man in die Branche tief hinein und wirft einen Blick gen Asien, so wird von hohen Preissteigerungen in den kommenden zwölf Monaten gesprochen und die Nachfrage bleibt weiter wesentlich höher als die möglichen Produktionskapazitäten. Kurzum: Lieferzeiten verlängern sich, die Nachfrage bleibt hoch, die Preise steigen.

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Zurück zur Börse: Manchmal entwickelt ein kurzfristiger Negativtrend, wie wir ihn gerade sehen, auch eine Eigendynamik, die in einer wirklichen Übertreibung nach unten mündet. Für langfristig orientierte Anleger ist ein solches Umfeld ein attraktives. Denn auf lange Sicht ist die Halbleiterindustrie ein Segment, das aufgrund seiner Zukunftsaussichten in jedem Portfolio berücksichtigt werden sollte, von Anlegern, die nicht so markt- und branchenerfahren sind, idealerweise mit einer breiten Streuung etwa in Form eines Branchen-ETFs.

Wenn es wie jetzt zu signifikanten Kursrücksetzern kommt, die eine zuvor astronomische Bewertung wieder auf ein halbwegs sinnvolles Niveau drücken, kann es durchaus Sinn ergeben, erste Positionen auf- und diese bei Gelegenheit sukzessive auszubauen. Denn daran, dass Halbleiter ein wichtiger Treiber unserer Zukunft sein werden und diverse neue technische Errungenschaften auf Chipkomponenten warten, daran dürfte es keinen Zweifel geben. Technologie-Dinosaurier hin oder her.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

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