Hintergrund: ROBASO in der Bundesagentur für Arbeit – ein agiles Ende

60 Millionen Euro und fünf Jahre Entwicklungszeit in den Sand gesetzt: Das 2010 von der Bundesagentur für Arbeit gestartete Softwareprojekt einer "rollenbasierten Oberfläche" erwies sich als Flop.

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Arbeitsagentur, Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsamt
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Das von der Bundesagentur für Arbeit gestoppte IT-Projekt "ROBASO", die 2010 gestartete Eigenentwicklung einer "ROllenBASierten Oberfläche" für 14.000 Mitarbeiter der Agentur, sollte 14 Fachverfahren unter einer einheitlichen Nutzeroberfläche zusammenführen. Darunter sind so wichtige Verfahren wie VERBIS (das Vermittlungs-, Beratungs- und Informationssystem der Sachbearbeiter), VAM (der virtuelle Arbeitsmarkt für Arbeitssuchende) und ZPDV (die zentrale Personendatenverwaltung).

Ein Ende 2015 begonnener Pilottest brachte ans Licht, dass die Software nicht für die Praxis taugt. In einem Audit wurde dann festgestellt, dass die im Pilottest erkannten Mängel nicht "zeitnah und wirtschaftlich" abgestellt werden können. Die Kosten: 60 Millionen Euro, davon 42 Millionen für externe Dienstleister. Zeitweilig sollen 500 Entwickler versucht haben, ROBASO so zu entwickeln, dass "die Komplexität der Kundenanliegen" in einer einheitlichen Oberfläche abgebildet sind, wie es die Agentur in ihrer Mitteilung zum Entwicklungsstopp formulierte.

Die Bundesagentur für Arbeit ist eine Behörde mit umfangreicher IT: Drei große Rechenzentren und elf regionale Rechenzentren mit über 9000 Servern (unter Linux) und 160.000 PCs im Netz werden von 2500 Mitarbeitern betreut, die in einem "IT-Systemhaus" virtuell zusammengefasst sind. In dieser IT-Landschaft laufen insgesamt 120 Fachverfahren von der Terminverwaltung bis zur Kommunikation mit den Krankenkassen oder der Rentenversicherung. Jeden Monat werden 16 Millionen Überweisungen in Höhe von 8 Milliarden Euro getätigt.

So stellte man sich 2012 ROBASO vor.

(Bild: Bundesagentur für Arbeit)

Der Entschluss, 14 Verfahren unter einer Oberfläche so zusammenzufassen, dass die Betroffenen nicht von Programm zu Programm hüpfen müssen, wurde gefällt, als der heutige Bundes-CIO Klaus Vitt die IT-Leitung der Agentur übernahm. Als Vorbild für die Entwicklung galt ALLEGRO, das "ALg II – LEistungsverfahren GRundsicherung Online", dass die fehlerbehaftete Software A2ALL ablöste. ALLEGRO wurde mit den Methoden der agilen Softwareentwicklung erstellt und war nach Darstellung von Mitarbeitern ein erfolgreiches Projekt.

ALLEGRO gehört wie COLIBRI (Computerunterstütztes Leistungsberechnungs- und Informationssystem für das Arbeitslosengeld), die eAKTE, VAM/VERBIS, und ZPDV zu den Verfahren, für die ROBASO eine einheitliche Benutzeroberfläche bereitstellen sollte, damit Doppeleingaben vermieden werden und der ständige Wechsel zwischen den Verfahren für Sachbearbeiter entfällt. Beispielsweise muss bei der Arbeitsaufnahme eines Arbeitslosen dieser als Kunde abgemeldet werden, müssen nacheinander bis zu sechs Fachverfahren aufgerufen und dort Daten geändert werden. Offensichtlich konnte die rollenbasierte Oberfläche nicht so gestaltet werden, dass Fallbearbeiter wirklich auf alle Fachverfahren durchgegriffen werden konnte.

Agile Projektentwicklung in der Behörde.

Was die Anwendung im einzelnen so unbrauchbar machte, führte die Behörde nicht weiter aus. In den Berichten machte das Problem bei der Korrektur einer Kontonummer die Runde – der Anwender hätte den Satz mit sämtlichen Leistungs- und Vermittlungsdaten komplett neu eingeben müssen. Dieses publikumswirksame Problem wollte ein Pressesprecher gegenüber heise online nur als "symbolisches Beispiel für eine Änderung" verstanden wissen. Überhaupt gibt sich die Bundesagentur für Arbeit auf Nachfragen kryptisch, ROBASO-Projektverantwortliche reagierten bislang gar nicht auf Kontaktversuche.

Die Methode der agilen Softwareentwicklung will die Agentur jedenfalls beibehalten. Wir schickten eine Abbildung mit aktuellen IT-Projekten und wollten wissen, ob diese von dem Aus für ROBASO betroffen sind. Die Antwort: "Es sind keine weiteren Projekte vom Stopp des Projekts ROBASO betroffen. ROBASO war ein in sich geschlossenes Projekt, das wir ohne Einfluss auf die anderen stoppen konnten. Das Bild sagt ja auch 'nur' aus, dass wir in Zukunft bei allen diesen Projekten flexibler (sprich: agil) vorgehen wollen. Bei ROBASO hat sich dann herausgestellt, dass das nach so langer Projektzeit nicht mehr möglich war. Dafür hatte man beim Projektbeginn 2010 einfach noch nicht die richtigen Weichen stellen können."

Doch was ist, wenn man noch einmal nicht rechtzeitig die "richtigen Weichen" stellen kann? Die Politik hat sich jedenfalls schon zu Worte gemeldet. "Es gilt jetzt, begangene Fehler aufzuarbeiten und darüber hinaus sicherzustellen, dass die Bundesagentur die richtigen Schlussfolgerungen für die Zukunft aus dem Fehlschlag zieht", sagt die Grünen-Politikerin Ekin Deligöz gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Sie ist Mitglied des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Der will den Bundesrechnungshof beauftragen, sich um den Problemfall ROBASO zu kümmern. (axk)