Die Verwandlung des Mark Zuckerberg ist beachtlich. Nerdig, schüchtern und ein wenig verschroben hatte der Gründer noch vor zehn Jahren die Bühne betreten, bei Facebooks erster Entwicklerkonferenz. All das hat der 32-Jährige inzwischen abgelegt. Locker und charismatisch spaziert der Unternehmer zu elektronischen Beats über die Bühne im City National Civic in San Jose, einer Konzert- und Sportarena mit 2850 Sitzen, von denen an diesem Morgen nur etwa die Hälfte besetzt ist, und verbreitet gute Laune.

 

Zuckerbergs lockere Anmutung ist umso wichtiger, weil der Fall Steve Stephens seine Keynote überschattet. Der hatte am Ostersonntag in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio einen 74-jährigen Mann erschossen und anschließend ein Video der Tat auf der Plattform hochgeladen. Kurz vor Beginn von Facebooks großer Entwicklerkonferenz gab die Polizei bekannt, dass der Mann sich nach einer landesweiten Fahndung selbst getötet hatte.

"Wir tun weiterhin alles, um solche Tragödien künftig zu verhindern", kommentiert Zuckerberg den Fall und verweist auf sein viel diskutiertes Manifest und die darin niedergeschriebenen Werte für die globale Gemeinschaft. Das zeigt: Facebook kämpft mal wieder mit sich selbst und seinem Anspruch, ein globales Netzwerk für inzwischen fast zwei Milliarden Menschen weltweit zu sein und dabei nicht verhindern kann, dass einige dieser Stimmen böse, dunkel und kriminell sind.

Die Kritik, das Netzwerk tue zu wenig gegen entsprechende Inhalte, auch im aktuellen Fall, reißt nicht ab. Zwar verschwand das Video vom Cleveland-Mord 23 Minuten nachdem es auf der Plattform gepostet worden war. Doch der Täter hatte seine Tat lange zuvor angekündigt.

Für Zuckerberg sind solche Fälle ein Problem. Seine wichtigste Währung ist Vertrauen. Fühlen sich die Nutzer bei Facebook nicht sicher, geben sie keine Daten über sich preis. Gewaltexzesse trüben das Ideal der freien, schönen und sicheren Kommunikation, mit dessen Vermarktung Facebook Geld verdient. Das Unternehmen will vermeiden, Probleme wie YouTube zu bekommen. Das Video-Portal verlor zuletzt wichtige Anzeigenbudgets von Kunden wie JP Morgan oder Johnson & Johnson, nachdem deren Spots vor rassistischen oder antisemitischen Videos gezeigt wurden.

"Die virtuelle mit der analogen Welt verschmelzen"

Dessen ungeachtet verfolgen alle Technologien, die Zuckerberg an diesem Tag neu vorstellt, den Zweck, die Hemmschwellen und Hürden für das Teilen von Inhalten noch weiter zu senken. "Lass die Kamera reden", lautet das Motto.

Facebook erklärt die Knipsfunktion des Smartphones zum neuen zentralen Kommunikationswerkzeug, vor allem mit neuen Funktionen für Augmented Reality (AR). Dabei legen sich aus Nutzersicht zusätzliche digitale Inhalte wie eine zweite Ebene über die Realität. "Augmented Reality hilft uns dabei, die virtuelle mit der analogen Welt zu verschmelzen", sagt Zuckerberg. "Wir sehen das als den Beginn einer neuen Plattform."

Nutzer können eigene Fotos und Videos künftig mit Inhalten schmücken, wie etwa das Zauberschloss aus Harry Potter in die eigene Häusersiedlung einbauen oder Comic-Haie um das Müsli tanzen lassen. Um die Spezialeffekte auf Fotos und Videos genau justieren zu können, nutzt Facebook künstliche Intelligenz. Neuronale Netzwerke analysieren dabei den Kontext der Aufnahme und die gezeigten Gegenstände. All das erinnert an den jungen Konkurrenten Snap. Doch Zuckerberg zeigt an diesem Tag wieder einmal, dass er das Netzwerk aus Los Angeles so erfolgreich zu kopieren vermag, dass Snap-Gründer Evan Spiegel kaum mehr als eine ernsthafte Gefahr erscheint.