Das Maggi Kochstudio: seriös wie die Blend-a-Med-Forschung, freundlich wie der Dentagard-Biber und so wertvoll wie ein kleines Steak. Jahrzehntelang diente es als Werbekulisse, doch irgendwann joggten die Leute nicht mehr mit übergroßen Kaugummiverpackungen über der Schulter durch den Park, irgendwann wurde die Rama-Familie erwachsen und irgendwann geriet so auch das Maggi-Kochstudio in Vergessenheit, dieser kulinarische Sehnsuchtsort, an dem beträchtliche Teile der bundesdeutschen Bevölkerung behutsam herangeführt wurden an Premiumprodukte wie Maggi Fix für Geschnetzeltes, Maggi Fix für Bolognese, Maggi Fix für Gyros und natürlich die berühmte Maggi-Chinapfanne.

In den letzten Jahren schienen sich in etwa so viele Leute für das Maggi Kochstudio zu interessieren wie für den bedauernswerten Angestellten aus der Obstgarten-Werbung, der an seinem Arbeitsplatz in den Boden eingebrochen war, weil er etwas zu Schweres gegessen hatte und deswegen vermutlich heute immer noch im Keller eines schmucklosen Bürogebäudes liegt. Doch seit 2017 ist es wieder da, das Maggi Kochstudio, und zwar als, Zitat, "begehbarer Foodblog" in Frankfurt, wie der Deutschlandchef von Maggi wissen lässt. Und um dieses epochale Ereignis auch angemessen zu würdigen, hat der Konzern gleich auch einen Song in Auftrag gegeben, voll cool, mit Hip-Hop und so, und mit dem catchy Refrain "Schmeck it out"!

Auf der Maggi-Seite wiederum gibt es jetzt (nicht begehbare) Foodblogger (Isabella, Anke, Lisa, Nadja und Susanne), die einem Rezepte vorschlagen, die mindestens so cool sounden wie der Milka-Man: "Pimp your Freeekadelle! Du stehst total auf Frikadellen? Wir zeigen, wie du ein Frikadellen-Brötchen so aufpimpst, dass ein leckerer Chili-Burger daraus wird." 

Ich will Wurst!

Und es gibt Kim. Kim ("Kitchen Intelligence by Maggi") ist der Chatbot des Maggi-Küchenstudios, denn Chatbots sind total "in", die CSU hat einen, Opel hat einen, Jägermeister hat einen und Meister Proper hätte bestimmt auch einen, wenn er nicht tagein, tagaus damit beschäftigt wäre, hartnäckigsten Schmutz zu entfernen. Auf jeden Fall gehört ein Chatbot heute zu einem hippen Unternehmen wie Maggi eben genauso dazu wie der Gillette-Rasierer zum Besten im Mann.

Die Installation des Maggi-Chatbots im Facebook Messenger gelingt in Sekundenschnelle und ja, sie ist echt nett, die Kim. Wo der CSU-Bot Leo einen mit Memes unterhalten will, die ungefähr so witzig sind wie Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer, will Kim helfen.

Wenn man zum Beispiel "Ich will Wurst" eintippt, dann schreibt Kim: "Rezeptideen kommen sofort. Vielleicht ist hier etwas dabei?" und schlägt einem bunten Eiersalat vor und informiert darüber, dass der bunte Eiersalat 469 Kalorien hat. Ist natürlich nicht viel, aber doch sehr viel mehr als Tic Tac (ein Dragee =  nur zwei Kalorien!!). Allerdings enthält der bunte Eiersalat keine Wurst und das ist wirklich schade.

Dabei strengt sich Kim wirklich an. Sie verweist einen auf die Nestlé-Seite, wenn man ein paar kritische Fragen zur Palmöl-Nutzung hat, sie ist freundlich wie der Melitta-Mann und kompetent wie Dr. Best. Aber ausgerechnet in einer Kernkompetenz versagt sie, nämlich im: "Leckermachen".

Über Eiersalat fachsimpeln

Dieser Artikel erschien in der aktuellen Ausgabe des Magazins "WASD", das sich in Essays mit Games beschäftigt. In dieser Ausgabe geht es um Spaß in Spielen. © WASD

"Leckermachen", das hieß lange Zeit einfach Maggi drüberschütten. Generationen von Kindern aus der unteren Mittelschicht sind hierzulande in dem sicheren Wissen aufgewachsen, dass sich die komplizierten Erkenntnisse über den menschlichen Geschmacksapparat letztlich dann doch auf drei simple Regeln verdichten lassen: Regel Nr. 1: Schlechtes Essen schmeckt mit Maggi-Soße mittelgut. Regel Nr. 2: Mittelgutes Essen schmeckt mit Maggi-Soße sehr gut und Regel Nr. 3: Sehr gutes Essen schmeckt dann am allerbesten, wenn man so viel Maggi-Soße wie möglich drüberkippt. Aber wenn man Kim fragt: "Was gibt‘s Geiles mit Maggi-Soße?" – ausgerechnet dann verstummt sie, die Kim. Schade. Trotzdem: Merci, dass es dich gibt.

Wie aber kann man Maggis Zukunft ein Zuhause geben? Wir kann man den Weg freimachen für diese kleine sympathische Marke? Auf welche Steine könnte Kim in Zukunft bauen? Die Antwort ist einfach: auf virtuelle Steine. Wenn Maggi ankommen möchte im Digitalzeitalter, muss das Kochstudio über kurz oder lang in eine VR-Experience umgewandelt werden. Hier könnte man dann so viel virtuelle Maggi-Soße über virtuelles Essen drüberkippen, wie man möchte, wäre irgendwann Teil eines kulinarischen Utopias, in dem die Maggi-Soße nie ausgeht. Nintendos Slogan in den 90ern lautete: "Die Action-Welt für coole Köpfe", Maggis Slogan könnte dann lauten: "Die Action-Welt für coole Köche", weil klar: It's cool man! Und hier könnte man dann auch endlich Kim begegnen, beziehungsweise ihrem Avatar, und dann könnte man zusammen mit ihr im virtuellen Maggi Kochstudio stehen und über Eiersalat fachsimpeln. Und dann könnte man endlich wieder behaupten: Mit Maggi macht das Kochen Spaß!