Wenn Unternehmer und Unternehmerinnen eine Petition starten, um ein neues Regierungsamt zu fordern, dann müssen sie nicht nur sehr verzweifelt sein, sondern auch ziemlich ratlos. Genauso liest sich der Appell auf der Seite digitalministerium.org, den der Bundesverband Deutsche Startups gestern Abend mit Unterstützung einer Vielzahl anderer Digitalverbände gestartet hat. Überschrift: "Wir fordern die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD auf eine/n Digitalminister/in zu ernennen."

Die Petition ist keine 24 Stunden alt, da haben sie schon rund 2.000 Menschen unterschrieben – das Ziel sind 50.000. Diese Anzahl benötigen Petitionen, um im Bundestag in einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses behandelt zu werden. Man darf hoffen, dass es noch mehr werden.

Denn die Forderung ist richtig – und es ist traurig, dass es einen öffentlichen Aufschrei braucht, um die angehenden Koalitionäre daran zu erinnern. Die Unionsparteien hatten schließlich schon in ihrem Wahlprogramm geschrieben: "Digitalisierung ist Chefsache. Deshalb wird im Bundeskanzleramt die Position eines 'Staatsministers für Digitalpolitik' neu geschaffen." Die SPD hatte sich zwar so deutlich nicht festgelegt, aber auch Sozialdemokraten haben sich schon dafür ausgesprochen – weshalb die Petition sie nun in die Pflicht nimmt. "Es ist unverständlich, wie die Koalitionsparteien hinter diesen Konsens zurückfallen konnten", heißt es darin.

Warum es einen Digitalminister braucht? Weil viele an und für sich sinnvolle Digitalisierungsvorhaben der letzten großen Koalition auf der Strecke geblieben sind. Schuld war sicherlich auch das Wirrwarr aus Zuständigkeiten: Das Wirtschaftsministerium zum Beispiel kümmert sich um die Digitalisierung der Industrie und digitale Plattformen, das Innenministerium um Datenpolitik und die IT- und Cybersicherheit, das Verkehrsministerium um die digitale Infrastruktur und das Bildungsministerium um die digitale Bildung. Aber so richtig Priorität hatten die jeweiligen Themen in den Ministerien nicht; keiner der Minister war als digitaler Kopf bekannt, und wo die Grenzen der Zuständigkeiten verlaufen, war auch oft nicht klar.

Die Dobrindt-Falle

Natürlich ist es inzwischen eine Binsenweisheit, dass alle Lebensbereiche von der Digitalisierung berührt sind und keine Institution die Augen vor ihr verschließen kann. Es geht also nicht in erster Linie darum, den Ministerien etwas wegzunehmen. Aber es wäre gut, die Fäden würden bei einer Ministerin zusammenlaufen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass der dann – wie es der Digitalverband Bitkom fordert – neue Gesetzesvorhaben auf ihre "Digitalverträglichkeit" hin prüft. Oder dass er seine Kabinettskollegen zusammenspannt und ihnen auch mal in den Hintern tritt, wenn wichtige Digitalvorhaben ins Hintertreffen zu geraten drohen. Damit die neue Regierung nicht wieder in die Dobrindt-Falle tappt.

Alexander Dobrindt ist jener Politiker, der zuletzt am meisten Werbung für den Posten eines Digitalministers gemacht hat – wohl ganz ohne es zu wollen. Der CSU-Politiker war von 2013 bis 2017 Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur – ein wichtiger Teilbereich der Digitalisierung war also in seinem Ressort verortet. Als Dobrindt 2014 mit dem damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Noch-Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die Digitale Agenda 2014–2017 vorstellte, betonte er, dass Deutschland einer der Treiber der Digitalisierung werden müsse, "um auch künftig Wohlstand, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern". Sein Thema, die digitale Infrastruktur, stand dann auch an erster Stelle in der Agenda.

Dobrindts Amtszeit wurde allerdings von anderen Themen überschattet, bei denen er selten eine gute Figur abgab, etwa dem Streit um die sogenannte Ausländer-Maut, dem Dieselskandal oder den Problemen bei der Privatisierung der Autobahnen. Es ist ärgerlich, aber nicht überraschend, dass Dobrindts große Digitalversprechen da ins Hintertreffen gerieten: Gerade erst berichtete der Bayerische Rundfunk, "wie Alexander Dobrindt beim Breitbandausbau scheiterte".

Das Beispiel Dobrindt zeigt aber auch: Wenn jemand für Digitalthemen zuständig ist, dann muss er sich damit auch auskennen. Gelingt es also den Unternehmern mit ihrer Petition und dem zunehmenden Druck aus der Digitalbranche doch noch, einen Digitalchef in der Bundesregierung durchzusetzen – ob nun als Staatsminister im Bundeskanzleramt oder als Ministerin mit eigenem Ministerium –, dann fängt eine wichtige Debatte erst an: darüber, wer dafür der geeignete Kopf wäre.