EuGH-Gutachten: Deutsches Leistungsschutzrecht soll unzulässig sein
Der früheren schwarz-gelben Bundesregierung droht eine Ohrfeige aus Luxemburg. Das deutsche Leistungsschutzrecht hätte nach Ansicht eines EuGH-Gutachters nicht in Kraft treten dürfen. Den Verlagen könnten Millionenverluste entstehen.
Das deutsche Leistungsschutzrecht für Presseverleger könnte demnächst vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) für unzulässig erklärt werden. Nach Ansicht von Generalanwalt Gerard Hogan hätte im Jahr 2013 die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung ihre Pläne der EU-Kommission vorlegen und das Gesetz notifizieren lassen müssen. Daher dürften die Bestimmungen von den deutschen Gerichten dem Gutachten Hogans zufolge nicht angewandt werden, teilte das Gericht am Donnerstag in Luxemburg mit (PDF) (Rechtssache C - 299/17).
Das Landgericht Berlin hatte im Mai 2017 die Frage nach der Notifizierungspflicht dem EuGH zur Klärung vorgelegt. Hintergrund ist ein Streit zwischen der Verwertungsgesellschaft (VG) Media und dem Suchmaschinenkonzern Google über Lizenzzahlungen für die Nutzung von Medieninhalten.
Gutachten bestätigt Auffassung des Gerichts
Nach Ansicht des Landgerichts hätte die Bundesregierung im Frühjahr 2013 die damalige Änderung des Urheberschutzgesetzes bei der EU-Kommission anmelden müssen. Das Landgericht Berlin konnte diese Entscheidung jedoch nicht selbst treffen und damit das Gesetz für nicht anwendbar erklären, so dass es die Rechtsfragen dem EuGH in einem sogenannten Vorabentscheidungsersuchen vorlegen musste.
Hogan unterstützt nun die Position des Berliner Gerichts. Demnach vertritt er die Auffassung, "dass die fraglichen neuen deutschen Vorschriften über ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht für Presseverleger einer technischen Vorschrift im Sinne der Richtlinie 98/34 gleichkommen". Damit hätten sie notifiziert werden müssen. Zudem sollen die Luxemburger Richter klären, ob es sich bei den Leistungsschutzrechten um technische Vorschriften im Sinne von Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie handele. Auch diese Frage bejaht Hogan in dem Gutachten.
Gutachten sieht Probleme für Medien
Der Generalanwalt weist allerdings darauf hin, dass die Mitgliedstaaten durchaus berechtigt seien, solche Gesetze zu erlassen. "Eine freie und lebendige Presse sei Teil des Lebenssaftes der Demokratie, die den Grundstein der Union und ihrer Mitgliedstaaten darstelle. Es sei einigermaßen unrealistisch, einen Journalismus von hoher Qualität und Vielfalt zu erwarten, der sich an die höchsten Standards der Medienethik und des Respekts vor der Wahrheit halte, wenn Zeitungen und andere Pressekanäle nicht über einen nachhaltigen Einkommensstrom verfügten", heißt es in der Mitteilung.
Zudem wäre es "töricht und naiv, nicht zu erkennen, dass das tradierte Geschäftsmodell von Zeitungen in der gesamten Union - Verkauf und Werbung - in den letzten zwanzig Jahren durch die Online-Zeitungslektüre der Konsumenten ausgehöhlt worden sei, wobei diese Praxis ihrerseits durch das Aufkommen leistungsstarker Suchmaschinen wie der von Google betriebenen erleichtert worden sei".
Verlagen drohen Millionenverluste
Ein Urteil in dem Verfahren ist vermutlich im Frühjahr 2019 zu erwarten. Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für die Richter nicht bindend. Das Gutachten hat zudem keinen unmittelbaren Einfluss auf die aktuellen Verhandlungen zur Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger auf europäischer Ebene.
Allerdings droht den deutschen Verlagen, die das Leistungsschutzrecht mit Hilfe der VG Media und zahlreichen Gerichtsverfahren durchzusetzen versuchen, der komplette Verlust ihrer Prozess- und Anwaltskosten. Diese dürften sich bereits auf rund zehn Millionen Euro summieren. Im Jahresbericht 2017 der VG Media heißt es daher: "Im denkbar schlechtesten Fall wären die Aufwendungen der Vergangenheit fruchtlos. (...) Die VG Media hat gegenüber Aufsichtsrat und Rechteinhabern auf die Notwendigkeit von Vorkehrungen für den Fall des Eintritts eines solchen Szenarios hingewiesen. Die VG Media unterstützt ihre Rechteinhaber dabei, sich auch auf einen solchen Fall vorzubereiten."
Ein Gutachten des Bundestages (PDF) schließt allerdings eine Staatshaftung für den Fall nicht aus, dass "sich Investitionen durch den Verstoß gegen die Notifizierungspflicht als Fehlinvestition erweisen".
Die Zivilklage vor dem Landgericht war notwendig geworden, weil das Schiedsverfahren zwischen der VG Media und Google vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) im Oktober 2015 gescheitert war. Die dortige Schiedsstelle hatte den von der VG Media geforderten Tarif von sechs Prozent des Gesamtumsatzes von Google mit der Darstellung von Medien als zu hoch abgelehnt. Nach Ansicht der Schiedsstelle könnten Suchmaschinen bis zu sieben Wörter kostenfrei anzeigen. Beide Parteien hatten Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt.
Neben dem Landgericht Berlin beschäftigen sich auch das Verwaltungsgericht München und das Kammergericht Berlin mit dem Leistungsschutzrecht. Eine Verfassungsklage von Yahoo wurde hingegen abgewiesen. Das Verwaltungsgericht München hatte im Streit über die Gültigkeit von Gratislizenzen das Verfahren ausgesetzt, um das Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH abzuwarten. Die Bundesregierung will ebenfalls den Ausgang des Verfahrens abwarten, um eine Evaluation des deutschen Leistungsschutzrechts abschließen zu können.
Nachtrag vom 13. Dezember 2018, 12:25 Uhr
Die VG Media zeigte sich enttäuscht vom Inhalt des Gutachtens. "Es wäre höchst bedauerlich, wenn ein formelles Versäumnis der Bundesregierung dazu führen würde, dass diese großen und vor allem aktuellen Anstrengungen vergeblich waren. Das unterlassene Versenden eines einfachen Informationsschreibens hätte zur Folge, dass die jahrelangen Bemühungen, Digitalkonzerne in staatliche Rechtsordnungen einzuhegen, mit einem Schlag zunichte gemacht würden", hieß es in einer Mitteilung. Umso wichtiger sei es, dass die Bundesregierung die Verlage "weiterhin unterstützt".
Da hast du mich falsch verstanden. Ich bin ein absoluter Gegner des...
Sehr nachvollziehbar. Danke fuer die Beleuchtung dieses Aspekts.
Der schaden hat bereits bei der Einführung des Leistungsschutzrecht begonnen nur niemand...
...ein Gericht zu schmieren...