Was für eine Erlösung. Bund und Länder haben sich nach dem Desaster Ende vergangenen Jahres schnell versöhnt: Die Schulen bekommen WLAN, Laptops und Lernprogramme. Der Digitalpakt kann endlich starten, dafür gibt der Bund fünf Milliarden Euro aus. Und die geplante Grundgesetzänderung kommt ebenfalls, trotz des großen Murrens, dass es auch ohne diesen Eingriff ginge. Nach der notwendigen Bestätigung des Paktes im Parlament kann der Bund ohne komplizierte Sonderkonstruktionen Schulbildung mitfinanzieren. Und er kann sich von den Ländern berichten lassen, ob das Geld auch in den Schulen ankommt. Das war bisher nicht immer der Fall. 

Alles in allem wird der Kompromiss funktionieren – auch wenn mehr Ehrlichkeit nötig gewesen wäre. Denn es ist sinnvoll, dass der Bund nicht nur zur technischen Infrastruktur, sondern auch zur Qualität der Schulbildung beiträgt. Nur darf das offensichtlich keiner laut sagen.

Wie sieht die Vereinbarung im Detail aus? Der eine Teil des Streits war peinlich und leicht beizulegen. Die Länder sollten für alle zukünftigen gemeinsamen Projekte immer die gleiche Summe zuschießen, die der Bund gibt – eine absurde Idee. Denn ärmere Länder hätten auf dringend benötigte Unterstützung verzichten müssen, wenn sie nicht zuzahlen können. Nun wird der Beitrag der Länder für jedes Projekt einzeln vereinbart. Zudem dürfen sie ihre eigenen Mittel nicht kürzen.

Keine Einheitsschulpolitik in Sicht

Der zweite Teil des Streits ist kniffliger. Schulbildung ist Ländersache und manche Bundesländer wollen um keinen Preis, dass der Bund inhaltlich Einfluss nimmt. Obwohl Umfragen zeigen, dass viele Menschen in Deutschland dafür wären, dass Schulsysteme und Abiturnoten vergleichbar würden. Dabei ging es in dem Streit gar nicht um die Einheitsschule. Es ging mitnichten darum, dass jeder Lehrer und jede Lehrerin – ob in der Dorfschule im Saarland oder in der Brennpunktschule in Berlin-Neukölln – dieselben Methoden anwenden muss. Sondern um Qualität.

Ursprünglich stand in dem Entwurf, den der Bundestag im November beschlossen, der Bundesrat aber abgelehnt hatte, dass die Qualität der Bildung mit dem Geld des Bundes gesichert werden soll. Doch mit dem Einfluss auf die  Qualität hätte der Bund sich möglicherweise in Inhalte und Standards der Schulen einmischen können. 

Das Wort Qualität ist nun aus dem Pakt verschwunden. Doch der Pakt wäre besser, wenn es dringeblieben wäre. 

Um das zu verstehen, muss man etwas weiter ausholen: Offiziell darf das Bundesgeld nur für die "Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur" eingesetzt werden. Die Infrastruktur wird natürlich auch Schulen besser machen. Denn wenn es kein WLAN gibt und die alten Computer ständig versagen, dann kann eine Lehrerin auch kein Lernvideo aus dem Netz zeigen.  

Der Kompromiss von Bund und Ländern sieht sogar vor, dass unter bestimmten Umständen befristet Personal der Schulen bezahlt werden darf – das galt bisher als Tabu. Ein bezahlter Systemadministrator etwa wäre eine große Entlastung für manche Schulen, wo ein Mathelehrer oder eine Physiklehrerin die Pflege der Geräte derzeit nebenbei gewährleisten müssen.   

Möglicherweise lassen sich auf diese Weise sogar Fortbildungen für Lehrer mit Mitteln vom Bund finanzieren. Wunderbar, denn Fortbildung ist ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg digitaler Bildung. Manche Schulen haben längst WLAN und Whiteboards. Lehrerinnen und Lehrer nutzen sie aber oft nur wie einen schickerer Overheadprojektor oder einen komplizierten DVD-Player.  

Digitale Bildung braucht ein Medienkonzept

Digitale Bildung geschieht nicht einfach, weil die Geräte da sind. Lehrer müssen auch einschätzen können, wann und wozu sie sie einsetzen können. Welche Spiele, Apps oder Videos motivieren und fördern ihre eigenen Schüler  – und welche lassen sie eher wegdösen oder überfordern sie? Sie müssen verstehen, in welchen Filterblasen sich ihre Schülerinnen und Schüler herumtreiben, um darüber zu reden. Sie müssen kindgerechte Programme kennen, um die Grundsätze des Programmierens unterrichten zu können. Sie müssen also viel Zeit bekommen, sich fortzubilden und Dinge auszuprobieren. Und am besten sollte jede Schule für ihre Schüler ein eigenes Medienkonzept entwickeln, bevor sie Geräte anschafft.

Seltsam ist nur: Warum ist das Wörtchen Qualität weggefallen, wenn sich über Umwege die Qualitätssicherung doch wieder hineinschummelt, nur eben nicht konsequent? Warum fällt ein Systemadministrator unter Infrastruktur, ein Informatiklehrer aber nicht? Den Schülern kann es egal sein, solange in der Praxis bei ihnen das Richtige ankommt. Besser wäre es aber, wenn verlässlich Fortbildungen, Medienkonzepte und Qualitätsstandards zum Paket dazugehörten.

Noch deutlicher zeigen sich die Schwächen des erzielten Kompromisses, wenn man nach Kontinuität fragt: Denn ein befristet eingestellter Systemadministrator ist schnell wieder weg, in der Cloud dümpeln dann bald veraltete Lernvideos vor sich hin. Auch Fortbildungen müssen in der digitalen Welt regelmäßig stattfinden, selbst wenn die fünf Milliarden Euro aufgebraucht sind. 

Und das wird schnell der Fall sein. Die notwendige kontinuierliche Unterstützung des Bundes könnten die Schulen viel besser einfordern, wenn er auch im Grundgesetz Qualität verspräche. Dann könnte der Bund vielleicht sogar evaluierte Präventionsprogramme gegen Mobbing für alle Schulen mitfinanzieren oder Förderprogramme für Kinder aus benachteiligten Familien.