Christian Montag ist Professor für molekulare Psychologie in Ulm – wohnt aber, wie man sieht, in Köln. Dort fand die Aufnahme für "Wird das was?" statt. © Max Slobodda für ZEIT ONLINE

An der Bushaltestelle, in der U-Bahn, im Bett und manchmal sogar auf der Toilette: Gibt es eigentlich einen Ort, an den wir unser Smartphone nicht mitnehmen und dort Facebook, Instagram oder Twitter durchscrollen? Ist das noch gesund – oder nimmt das bereits Züge von Abhängigkeit an? Nähme man die Titel all der Sachbücher total ernst, die zum Thema Smartphone-Nutzung zuletzt erschienen sind, es würde einem jedenfalls angst und bange: Die Smartphone-Epidemie, Jetzt pack doch mal das Handy weg!, Endlich abschalten, How To Break Up With Your Phone

Christian Montag, Professor für molekulare Psychologie an der Universität Ulm, hat auch ein Buch dazu geschrieben, ein wissenschaftlich fundiertes statt alarmistisches: Homo Digitalis: Smartphones, soziale Netzwerke und das Gehirn. In der neuen Folge des Digitalpodcasts Wird das was? von ZEIT ONLINE spricht Montag unter anderem über das Gerät, mit dem wir teils mehr Zeit verbringen als mit unseren besten Freundinnen und Freunden. Zweieinhalb Stunden Smartphone-Nutzung pro Tag seien bei jüngeren Menschen durchaus der Durchschnitt, sagt Montag. Er selbst, der unter anderem zu Suchtanfälligkeit bei Menschen forscht und zu Auswirkungen digitaler Technologien auf uns, kommt beim Bildschirmzeitcheck während des Podcastinterviews auch ungefähr auf diese Dauer: Zwei Stunden und 26 Minuten Tagespensum zeigte Montags iPhone an.

Die reine Bildschirmzeit aber sei kein hinreichendes Kriterium bei der Frage, ob man einen bedenklichen Umgang nicht nur mit seinem Handy hat, sondern auch mit dem Onlinesein an sich, sagt Montag. Man solle sich fragen: Wie viel davon ist beruflicher Natur, lässt sich demnach schlecht vermeiden? Wie viel ist Kommunikation mit Freunden, die uns ja meist guttut? Spürt man einen Kontrollverlust beim Umgang mit dem Handy? Weiß man also, dass man eigentlich zu viel gerade auf Social-Media-Plattformen herumhängt, schafft es aber nicht mehr, das Smartphone wegzulegen? Und beeinträchtigt dieses Verhalten den eigenen Alltag spürbar?

Ist das wirklich eine Abhängigkeit?

Was manche gern als Smartphone- oder Onlinesucht bezeichnen, ist bislang weder offiziell als Abhängigkeit anerkannt noch wissenschaftlich hinreichend erforscht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat zuletzt lediglich exzessives Computergaming als Verhaltensstörung in ihren Diagnosekatalog aufgenommen. Das bedeute aber nicht, so Montag, dass nicht insbesondere Social-Media-Plattformen Suchtpotenzial besäßen. Ihre App-Architekturen seien so gebaut, dass sich Menschen darin möglichst lange aufhalten und möglichst viele Daten hinterlassen, die dann für personalisierte Werbung ausgewertet würden. Solange das Geschäftsmodell etwa von Facebook und Instagram so bleibe, hätten diese Firmen keinen Grund, daran etwas zu ändern.

Eigentlich "sollten wir für unsere Social-Media-Accounts bezahlen müssen", sagt Montag deshalb. Dann müssten sich die Unternehmen im Umkehrschluss verpflichten, "Apps zu bauen, die weniger süchtig machen, und mit unseren Daten so umzugehen, dass sie nicht für Microtargeting genutzt werden". Ohnehin sei ein Großteil der Kommunikation auf Facebook und Instagram "eigentlich nur Show-off: Es geht darum, mich selbst zu promoten, mich darzustellen, mich zu photoshoppen – ich präsentiere dort mein besseres Ich". Das führe auch zu Schattenseiten: "Etwa der, dass junge Mädchen auf Instagram mit Körperidealen konfrontiert werden, die nicht der Realität entsprechen." Das könne womöglich Essstörungen befeuern.

Christian Montag sagt mit Blick auf mögliche Auswirkungen der Smartphone-Nutzung deshalb auch, dass Eltern ihren Kindern nicht zu früh ein eigenes Gerät kaufen sollten. Zwölf Jahre seien ein gutes Alter. Davor sollten Kinder allenfalls mit den Eltern zusammen Smartphones oder Tablets nutzen dürfen, etwa um hin und wieder Die Sendung mit der Maus zu schauen.

Und was, rät der Persönlichkeitsforscher Montag, sollten Kinder stattdessen tun? Raus gehen und spielen. Dafür bräuchten sie keine Digitalgeräte, ja nicht einmal Spielzeug – die Kinder bräuchten nur einander.

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