GI-Radar 207: Anonymisierung reicht nicht

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in den letzten Tagen wurden viele netzpolitische Entscheidungen getroffen. Nun liegt ein Koalitionsvertrag vor. In den Kurzmitteilungen präsentieren wir eine ausführliche Analyse. Das Thema im Fokus ist der „Fall Strava“, der deutlich macht, dass auch von anonymisierten Daten schwer kalkulierbare Risiken ausgehen können. Im Fundstück präsentieren wir ein Video, das anschaulich zeigt, warum Netzneutralität wichtig ist.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!

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Bewerber spielerisch vermessen + Informantenschutz + BSI-Studie + Interview mit Sebastian Thrun + Lernen mit Robotern + Studie über Software-Entwickler + Netzpolitik im Koalitionsvertrag + Strava + Informatik für alle! + Symposium Arbeitswelten der Zukunft + Transparenz für den Bundesclient + Burger-King erklärt Netzneutralität

KURZMITTEILUNGEN

Unternehmen vermessen Bewerber spielerisch (New Scientist). Getrieben vom Wunsch nach mehr Diversität experimentieren einige Konzerne mit neuen Methoden zur Bewerberauswahl. Bewerber werden dazu gebeten, spezielle Spiele auf dem Smartphone oder im Browser zu spielen. Aus dem Verhalten wird dann ein Persönlichkeitsprofil erstellt. Wissenschaftler zweifeln an der Aussagekraft der Ergebnisse.  weiterlesen

Informantenschutz in den 1970ern und heute (FAZ). Im neuen Film von Steven Spielberg wird die Geschichte von Daniel Ellsberg beleuchtet, der mit den sogenannten „Pentagon Papers“ das Handeln der USA im Vietnamkrieg publik machte. Nachdem seine Überwachung publik wurde, platzte der Prozess. Constanze Kurz begründet, warum wir Whistleblower auch heute schützen müssen.  weiterlesen

Hacker greifen rund 70% aller Unternehmen und Institutionen an (Handelsblatt). Laut einer Studie des BSI sind in den Jahren 2016 und 2017 knapp dreiviertel aller Unternehmen und Institutionen angegriffen worden. In rund der Hälfte der Fälle waren die Angreifer erfolgreich.  weiterlesen

Fast alle technologischen Revolutionen haben das Leben besser gemacht (ZEIT, 7 min). Im Interview erläutert Udacity-Gründer Sebastian Thrun, wie sich die Arbeitswelt verändert, warum das meistens gut ist und dass eine Ausbildung im Leben nicht mehr reicht.  weiterlesen

Lernen mit Robotern im Saarland (uni-saarland.de). Der Stifterverband stellt monatlich eine „Hochschulperle“ vor, ein besonderes Projekt, das an einer Hochschule realisiert worden ist. Die Hochschulperle im Januar ist ein Lehr- und Lernprojekt an der Universität des Saarlandes. Grundschüler werden dabei spielerisch mit Robotern an Mathematik und Programmieren herangeführt.  weiterlesen

Fähigkeiten von Software-Entwicklern (HackerRank, 10 min). Eine aktuelle Befragung unter knapp 40.000 Nutzern der Plattform HackerRank zeigt auf, welche Programmiersprachen derzeit gefragt sind und wie sich Software-Entwickler weiterentwickeln.  weiterlesen

Informatik-Themen im Koalitionsvertrag (netzpolitik.org, 6 min). Die nächste Bundesregierung will sich intensiv mit Fragen der Digitalisierung befassen. Alexander Fanta stellt die Pläne vor und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis.  weiterlesen

THEMEN IM FOKUS

Sicherheitsrisiken durch vermeintlich harmlose Daten. Strava ist eine App, mit der Nutzer über ihre Fitness-Aktivitäten Buch führen können. Wie heutzutage (leider) üblich werden die dabei anfallenden Positionsdaten auf Servern des Anbieters gespeichert. Seit November 2017 veröffentlicht Strava diese Daten in Form einer weltweiten „Heatmap“ (labs.strava.com). Damit kann man sich beispielsweise schnell über populäre Laufstrecken informieren, etwa wenn man in Urlaub ist. Strava sah in der Veröffentlichung offenbar kein Problem. Schließlich enthält die Heatmap lediglich aggregierte Daten, die keinen Rückschluss auf einzelne Personen zulassen.

Schnell stellte sich heraus, dass diese Überlegung zu kurz greift. Da anbieterseitig keine Filterung vorgenommen wird, kann man der Heatmap sensible Informationen entnehmen. So lassen sich unter anderem die genauen Standorte von US-Militär- und Geheimdienststützpunkten im Ausland in der Heatmap erkennen (ZEIT). Teilweise war deren Existenz nicht öffentlich bekannt. Das Pentagon, das seine Mitarbeiter zuvor mit Fitness-Trackern ausgestattet hatte, hat nun eine Untersuchung eingeleitet.

Strava ist nicht der einzige Anbieter, der über solche sensiblen Daten verfügt (Guardian). Strava ist auch nicht der erste Anbieter, der leichtfertig anonymisierte Daten veröffentlicht hat, aus denen sich sensible Informationen ableiten lassen. Zu den bekanntesten Fällen zählt ein anonymisierter Datensatz, der im Jahr 2013 von der New York City Taxi and Limousine Commission veröffentlicht worden ist. Hier war es unter anderem möglich, zu ermitteln wohin sich Kunden nach dem Besuch eines „Gentlemen's Clubs“ fahren ließen, was in einigen Fällen vermutlich ihrem Wohnort entsprach (neustar.biz, 14 min).

GI-MELDUNGEN

Informatik für alle! Ein Plädoyer (9 min). GI-Mitglied Urs Lautebach, Informatiklehrer aus Baden-Württemberg, über die häufig anzutreffende Hilflosigkeit vor dem Rechner und die Forderung, Informatik als Schulfach verpflichtend zu machen.  weiterlesen

Symposium Arbeitswelten der Zukunft. Der GI-Fachbereich MCI richtete Ende Januar in Berlin sein zweites Symposium aus und beschäftigte sich mit der Zukunft der Arbeit – für Informatikfachleute auf der einen Seite, aber auch für Personen, deren Arbeit möglicherweise durch die Digitalisierung wegfällt.  weiterlesen

Bundesclient soll transparent entwickelt werden. Der Bund lässt derzeit eine speziell angepasste Version von Windows 10 entwickeln, die den deutschen Sicherheits- und Datenschutzanforderungen genügt. Der GI-Präsidiumsarbeitskreis „Datenschutz und IT-Sicherheit“ fordert in einer Stellungnahme, dass die Anpassungen im Detail offengelegt werden, um Fehlentwicklungen zu vermeiden.  weiterlesen

FUNDSTÜCK

Burger-King erklärt Netzneutralität. Die Zusammenhänge hinter vielen netzpolitischen Fragen sind komplex. So ist für viele Bürger schwer verständlich, warum es wichtig ist, am Prinzip der sogenannten Netzneutralität festzuhalten. In Deutschland gibt es seit einer Weile erste Angebote, die die Netzneutralität verletzen, zum Beispiel den Dienst T-Mobile StreamOn, mit dem Mobilfunkkunden unterwegs Musik oder Videos streamen können, ohne dabei das monatliche Datenvolumen anzutasten. In Deutschland wird momentan noch darüber diskutiert, ob dies zulässig ist. In den USA wurde die Netzneutralität hingegen nun de facto abgeschafft. In einer groß angelegten Kampagne versuchten viele Institutionen und Unternehmen, auf kreative Weise die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. So gelingt es beispielsweise der Fast-Food-Kette Burger King in einem kurzen Videoclip, die drohenden Konsequenzen anschaulich darzustellen.   Artikel und Video (business-punk.com)

Wir danken Ulrike Lucke, die dieses Fundstück vorgeschlagen hat. Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Vorschläge!

 

Dies war Ausgabe 207 des GI-Radars. Aufbereitet wurden die Texte von GI-Junior-Fellow Dominik Herrmann, der sich mit der Strava-Heatmap gerade eine neue Laufstrecke zusammenstellt. GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die GI-Mitteilungen zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 23. Februar 2018.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) oder Facebook zukommen lassen.