GI-Radar 216: Data Literacy

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

unser Thema im Fokus beschäftigt sich dieses Mal umfassend mit der Frage, wie wir die Bevölkerung am besten in die Lage versetzen, souverän(er) mit Technik umzugehen. Die Ausführungen zu diesem Thema sind etwas länger als üblich. Bei den übrigen Teilen des GI-Radars fassen wir uns daher kurz.

Viel Spaß mit der Lektüre dieser Ausgabe!

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5 Jahre nach Snowden + Digitalisierung: Estland als Vorreiter + Microsoft kauft Github + Data Literacy und Data Science Education + Neues Informatik Spektrum + Informatikfestival in Berlin + Kinoabend: The Cleaners + Webstickers + Röntgenblick

KURZMITTEILUNGEN

5 Jahre nach Snowden (SZ). Vor fünf Jahren hat Edward Snowden mit seinen Berichten die Welt aufgerüttelt. Die Welt? Oder doch nur einen kleinen Teil davon, Deutschland zum Beispiel? In einem Kommentar in der SZ wird differenziert betrachtet, inwieweit sich Deutschland in seinen Reaktionen von anderen Ländern unterscheidet.  weiterlesen

Digitalisierung: Estland als Vorreiter (WiWo). Der CIO der Regierung in Estland erläutert im Interview, was Digitalisierung ausmacht, wie man sie vorantreibt, dass sie mehr ist als Onlinehandel und warum er einen digitalen Schengen-Raum für sinnvoll hält.  weiterlesen

Microsoft kauft Github (Golem, 8 min). Anhänger von Open-Source-Software zeigen sich angesichts der Übernahme besorgt; immerhin ist Github der größte Anbieter für kostenloses Hosting von Git-Software-Repositories. Golem-Autor Sebastian Grüner diskutiert ausführlich die Beweggründe und wagt einen Blick in die Zukunft.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Data Literacy und Data Science Education. An dieser Stelle setzen wir die Überlegungen fort, die wir in der letzten Ausgabe (Themenschwerpunkt „Pflichtfach Informatik“) angestellt hatten. Der Rat der Europäischen Union hat kürzlich Empfehlungen zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen herausgegeben. So heißt es dort, dass die Mitgliedsstaaten u.a. die Grundkompetenzen „Lesen, Schreiben, Rechnen und digitale Grundkompetenzen“ sowie „die digitalen Kompetenzen auf allen Stufen der allgemeinen und beruflichen Bildung in allen Bevölkerungsgruppen“ ausbauen und verbessern sollten. Insgesamt kommt das Wort „Informatik“ in den Empfehlungen neun Mal vor (EUR-Lex). Nicht ganz so oft kommt die „Informatik“ hingegen in der Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“ vor. Aber zählen Sie selbst. Kleiner Tipp: Es geht sehr schnell: KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“.

Wenn die notwendigen digitalen Kompetenzen nicht frühzeitig in der Schule vermittelt werden, wird es auch im Hochschulbereich schwer, dies in der Breite der Ausbildung nachzuholen. Wie wichtig das allerdings ist – auch außerhalb technischer Studienrichtungen – unterstreicht eine gemeinsame Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering IESE und der Gesellschaft für Informatik im Auftrag des Hochschulforums Digitalisierung zur Vermittlung von Data-Literacy-Kompetenzen. Dabei wird Data Literacy als die Fähigkeit verstanden, Daten auf kritische Art und Weise zu sammeln, zu managen, zu bewerten und anzuwenden (Hochschulforum Digitalisierung). Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung, die Ende des Monats erscheinen wird: Ein wichtiger Hebel bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen liegt in der Lehrerausbildung.

Das ist auch die zentrale Forderung des Fachbereichs Informatik und Ausbildung/Didaktik der Informatik der GI, der die Veränderungsvorschläge zu neuen „Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ (Fachstandards) kommentiert hat. Prof. Dr. Ira Diethelm (Uni Oldenburg) dazu: „Aus internationalen Untersuchungen wissen wir: Viele deutsche Lehrkräfte haben kein Vertrauen in ihre didaktischen Fähigkeiten in Bezug auf digitale Medien. Dass Deutschland gleichzeitig Schlusslicht beim Einsatz von Computern im Unterricht ist, ist verständlich. Wenn wir das viel zitierte Neuland endlich verlassen wollen, brauchen wir ausdifferenzierte und verbindliche Vorgaben in der Lehrerbildung – sowie die Mittel diese auch zu erfüllen“ (GI-Pressemitteilung).

Ausgangspunkt für die Untersuchungen im Bereich Data Literacy ist die Task Force „Data Science“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat Empfehlungen für die Entwicklung von Data-Science-Curricula zu entwickeln (GI-Webseite). Laut dem Leiter der Task Force, GI-Past-President Prof. Dr.-Ing. Peter Liggesmeyer, ist Data Literacy die Fähigkeit des planvollen Umgangs mit Daten. In Ergänzung zu spezialisierten Fachkräften – den Data Scientists – liegt der Fokus auf bedarfsgerechtem, Disziplinen übergreifendem Know-how, um datengestützt arbeiten und entscheiden zu können. Data Science in der Wissenschaft kann wiederum verschiedene akademische Hintergründe haben: Informatik, Statistik, Mathematik, Natur- oder Wirtschaftswissenschaften, einschließlich des maschinellen Lernens, des statistischen Lernens, der Programmierung, der Datentechnik, der Mustererkennung, der Prognostik, der Modellierung von Unsicherheiten und der Datenlagerung.

Die Task Force hat in Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften eine Sammlung von Beiträgen zu Data Literacy und Data Science Education veröffentlicht (GI-Webseite). Darin plädieren Andreas Grillenberger und Prof. Dr. Ralf Romeike (Sprecher GI-Fachgruppe „Didaktik der Informatik“) von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, zur fachlichen Fundierung der Diskussion auf das Modell der Schlüsselkonzepte des Datenmanagements zuzugreifen. Darüber hinaus skizzieren sie ein Data-Literacy-Kompetenzmodell (GI-Blog).

Wenn Data Literacy gewissermaßen der Breitensport ist, dann ist Data Science der Spitzensport: Laut einer Untersuchung des Instituts für Hochschulentwicklung e.V. (HIS-HE), die ebenfalls in Kürze erscheinen wird, trifft eine sehr ausgeprägte Nachfrage nach Data Scientists am Arbeitsmarkt auf ein sehr begrenztes Angebot an Absolventinnen und Absolventen. Die Entwicklung des entsprechenden Studienangebots an deutschen Hochschulen befindet sich noch in einer Frühphase und ist bislang stark von staatlichen Hochschulen dominiert. Es ist ein Mangel an Bachelorstudiengängen, an weiterbildenden Angeboten und an alternativen Qualifizierungsformen erkennbar (GI-Blog).

Vor dem Hintergrund der neuen Anforderungen für die Hochschulen aufgrund der Digitalisierung dürfen auch die klassischen Informatik-Studiengänge nicht kurz kommen: Der Ländercheck Informatik von Stifterverband und Heinz Nixdorf Stiftung zeigt, dass die Zahl der Studienanfänger im Bereich Informatik zwar überdurchschnittlich steigt, die Ausbildung des wissenschaftlichen Personals mit dieser Entwicklung aber nicht Schritt hält. Demnach sei nur jede zwanzigste Professur in der Informatik angesiedelt. Und während sich in den letzten fünf Jahren knapp 20 Prozent mehr Studienanfängerinnen und Studienanfänger für ein Informatik-Studium entschieden haben – im Wintersemester 2016/17 waren 7,7 Prozent aller Studienanfänger der Informatik zuzuordnen (33.443 Studierende), 2011 waren es noch 6,3 Prozent – ist der Anteil, den die Informatik am wissenschaftlichen Personal ausmacht, im selben Zeitraum von vier Prozent auf 3,8 gesunken (Stifterverband). Deshalb fordert GI-Präsident Hannes Federrath eine Informatik-Offensive an den deutschen Hochschulen: „Die Kultusministerien in den Ländern müssen neue Informatik-Lehrstühle in substantieller Größenordnung schaffen, um der steigenden Bedeutung des Fachs gerecht zu werden und den Bedarf der Studierenden und des Arbeitsmarkts zu decken“ (GI-Pressemitteilung).

Diesen Text haben Jens Heidrich, Stv. Sprecher der Fachgruppe Software-Messung und -Bewertung, und Daniel Krupka, Geschäftsführer der GI, verfasst. Vielen Dank! Themenvorschläge für das Thema im Fokus nehmen wir unter redaktion@gi-radar.de entgegen.

GI-MELDUNGEN

Neues Informatik Spektrum. Das neue Informatik Spektrum ist im Mitgliederbereich zum direkten Herunterladen verfügbar.  weiterlesen

Informatikfestival in Berlin. Rund um die Jahrestagung gruppieren sich eine ganze Reihe von Workshops an verschiedenen Orten. Unter anderem geht es um die Hochschule 2018, Geschäftsprozessmanagement, Enterprise Architecture Management, Umweltinformatik und Barrierefreiheit.  weiterlesen

GI organisiert Kinoabend mit Diskussion zu dem Film „The Cleaners“. Am 30. Mai lud die GI ins Bonner Kino „Rex“, um mit anderen Interessierten den Film „The Cleaners“ zu sehen, in dem es um die Löschpraxis großer Unternehmen im Internet geht. Anschließend gab es die Möglichkeit, mit dem Regisseur und IT-Sicherheitsexperten zu diskutieren.  weiterlesen

Neue Websticker für Ihre E-Mail-Signatur und Ihre Webseite. Etwa 20 E-Mails verschickt ein Arbeitnehmer durchschnittlich pro Tag und besucht unzählige Webseiten – Sie sicher auch. Mit Ihrer Unterstützung wollen wir diese Tatsache stärker als bisher für unsere Sichtbarkeit nutzen. Daher haben wir virtuelle Sticker in verschiedenen Versionen für Ihre E-Mail-Signatur und Ihre Webseite erstellt. Sie finden sie im Mitgliederbereich zum Download. Wir freuen uns, wenn Sie uns unterstützen!  weiterlesen

FUNDSTÜCK

Röntgenblick. Wissenschaftler am MIT haben ein System entwickelt, das Funkwellen von drahtlosen Netzen analysiert und daraus rekonstruiert, welche Bewegungen ein Mensch durchführt. Dadurch kann das System „durch Wände sehen“. Unser Fundstück enthält ein Video, das die realen Bewegungen von Menschen erstaunlich präzise auf Strichmännchen überträgt. Die Wissenschaftler schlagen vor, dass man mit ihrer Technik ältere Menschen überwachen könnte, um etwa bei Stürzen automatisiert Hilfe zu rufen. Ein Missbrauch des Systems soll dadurch verhindert werden, dass die beobachteten Personen die Überwachung mit einer festgelegten Geste starten müssen.     Zum Artikel mit Video (MIT News, engl.)

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 216 des GI-Radars. Diese Ausgabe wurde von Dominik Herrmann erstellt, der schon gespannt ist, über welche Informatik-Innovationen mit Bezug zur Fußball-Weltmeisterschaft in den nächsten Ausgaben zu berichten sein wird. Die GI-Mitteilungen hat GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 29. Juni 2018.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) oder Facebook zukommen lassen.