GI-Radar 334: (Un)bekannte Informatikerinnen

 

Liebe Leserinnen und Leser, 

in unseren Kurzmitteilungen geht es in dieser Woche unter anderem um die rasanten Entwicklungen seit Erfindung des WWW, um Fluggastdatenspeicherung und um die Intelligenz von Programmen. Das Thema im Fokus widmet sich (un)bekannten Informatikerinnen. In unseren GI-Mitteilungen ermuntern wir Sie, sich unsere geplanten Ideen für die Wahlverifikation der GI-Wahlen anzusehen, freuen uns mit dem Gewinnern des informatiCup und stellen Ihnen das Ergebnis des Projektes „InviDas“ vor. Das Fundstück behandelt die Frage, wie man Fehler behandelt (in Software).

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!

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30 Jahre WWW + Urheberrechte + Fluggastdatenspeicherung + Schadmails erkennen + (Un)bekannte Informatikerinnen + .inf abonnieren + Wahlverifikation + informatiCup beendet + Abschlussdokumentation des UnviDas-Projekts + Fehlerbehandlung in Software

KURZMITTEILUNGEN

30 Jahre WWW – und was dann kam (taz). 1993 hat das CERN der Welt den Code des WWW zur Verfügung gestellt. Raketenartig entwickelten sich anschließend tolle und grausame Dinge: Wikipedia und Hassaufrufe sind nur die extremen Enden. Was es sonst noch dazwischen gibt, ist hier amüsant zusammengestellt. weiterlesen

Urheberrechte an KI-generierten Inhalten (NZZ). Derzeit ist die Sorge vor Arbeiten groß, die statt mittels Hirn mittels KI erstellt worden sind. Neben der Frage, ob hier beispielsweise eine Prüfungsleistung erschlichen wurde, stellt sich auch die Frage nach den Urheberrechten der Originalquelle und denen des Produktes. Eine Analyse.  weiterlesen

Fluggastdatenerhebung muss auf den Prüfstand (Netzpolitik). Von 121 Millionen Personen, deren Daten im Jahr 2022 wegen ihrer Flüge gespeichert wurden, waren knapp 1400 zur Fahndung ausgeschrieben. Dies ist das Ergebnis der Fluggastdatenspeicherung aus dem letzten Jahr. Nun steht die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und die entsprechende Gesetzgebung auf dem Prüfstand.  weiterlesen

Aufmerksamkeit bei potenziellen Spam-Mails: reicht das noch? (Golem). Bislang schützte Aufmerksamkeit und die Analyse potenziell verdächtiger Mails häufig davor, Spam für bare Münze zu halten oder auf Phishingmails hereinzufallen. Mit der rasanten Entwicklung von ChatBots wird dies deutlich schwieriger, da diese ja sehr genau auf meine Persönlichkeit, Äußerungen etc. eingehen können. Wie dies aussieht und wie man sich vielleicht doch schützen kann, skizziert Golem.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Über Coder, Kilogirls, bekannte und weniger bekannte Informatikerinnen. Laut einer Civey-Umfrage im Auftrag von eco (eco.de) von Anfang März 2023 glauben immer noch etwa 40% der Deutschen, dass Frauen ein geringes Interesse an Technik und IT haben. Mehr als ein Drittel der Befragten meint, dass Frauen technische Kompetenz nicht zugetraut wird. Mit diesem Beitrag wollen wir den Blick auf die Leistungen von Informatikerinnen richten und zeigen, wie kompetent Frauen in Informatik waren und sind. Das kann in diesem Format natürlich nicht umfassend sein, weckt aber vielleicht Interesse an mehr.

Ganz dem Zeitgeist folgend haben wir zunächst ChatGPT beauftragt, einen Artikel über berühmte und bedeutende Informatikerinnen zu schreiben. Das Original können Sie hier (nextcloud.gi.de) nachlesen. Wir gehen im Folgenden nur auf einzelne Auskünfte ein, die uns ChatGPT geliefert hat.

Wie zu erwarten, erhielten wir zunächst die Namen von Ada Lovelace (1815-1852), Grace Hopper (1906–1992) und Jean Jennings Bartik (1924–2011). Auch die Erklärungen dazu waren durchaus richtig. So schrieb ChatGPT, dass Grace Hopper den ersten Compiler entwickelte, und Jean Jennings Bartik wird als eine der ersten Programmiererinnen der ENIAC Maschine angeführt.

Diese Bilder (nwmissouri.edu) zeigen Frauen, wie sie beispielsweise Verbindungen an den Maschinen umstecken. Die Aufgaben dieser Frauen, die die ersten Computer als „operator“ oder „coder“ bedienten, unterschieden sich damit scheinbar kaum von den Frauen, die in Telefonzentralen arbeiteten.

Claire L. Evans schreibt in ihrem Buch „Broad Band – The Untold Story of the Women Who Made the Internet-Portfolio“ dazu: „By the mid-twentieth century, computing was so much considered a woman’s job that when computing machines came along, evolving alongside and largely independently from their human counterparts, mathematicians would guesstimate their horsepower by invoking ‚girl-years‘, and describe units of machine labor as equivalent to one ‚kilogirl‘.“ Definition von kilogirl: The computing capacity of one thousand women (thefreedictionary.com).

Nach weiteren berühmten Informatikerinnen befragt, ergänzte ChatGPT die Namensliste um noch lebende Informatikerinnen. Carol Shaw (*1955) ist demnach eine amerikanische Entwicklerin, die für die Spielekonsole Atari 2600 das Spiel River Raid entwickelte (inverse.com). Und über Radia Perlman (*1951) „weiß“ ChatGPT, dass sie das bedeutende Spanning Tree Protocol erfand (mit.edu). Zu Barbara Liskov (*1939) erklärt ChatGPT, dass sie ein fundamentales Konzept für objektorientierte Programmierung entwickelt hat. Das Liskovsche Substitutionsprinzip dürfte zumindest allen Softwareentwickler*innen, die mit objektorientierten Sprachen arbeiten, ein Begriff sein (dpunkt.de). Barbara Liskov erhielt im Jahr 2008 als zweite Frau nach Francis E. Allen (1932–2020) den Turing Award, der seit 1966 jährlich verliehen wird (acm.org).

Die Tatsache, dass Frauen in der Wissenschaft – wie sich hier am Turing Award beispielhaft zeigt – wenig sichtbar sind, wird vielfach beschrieben, zuletzt in National Geographic 2/2023 (nationalgeographic.de). Andererseits gibt es Frauen, die für weiblich konnotierte Leistungen berühmt sind, deren mindestens ebenso wichtige wissenschaftliche Arbeiten aber häufig unerwähnt bleiben.

Ein Beispiel dafür ist die uns allen als mitfühlende Krankenschwester bestens bekannte Florence Nightingale (1820–1910) (agnesscott.org). Dass sie aber ebenso ihre hohen mathematischen und statistischen Fähigkeiten einsetzte, um das Britische Militär-Gesundheitswesen zu reformieren, ist weniger bekannt. Sie überzeugte mit ihren Analysen und aussagekräftigen grafischen Darstellungen (wie wir sie heute aus Tabellenkalkulation wie mit Excel kennen) die militärischen Entscheidungsträger (jstor.org).

Ein anderes Beispiel ist Hedy Lamarr (1914–2000). Die Österreicherin wurde in ihrer Zeit als schönste Frau der Welt bezeichnet und war eine berühmte Schauspielerin. Dass sie aber auch intensiv wissenschaftlich arbeitete und eine bahnbrechende Pionierin im Bereich der Frequenzforschung war, ist kaum bekannt. Als Gegnerin des Nationalsozialismus stellte sie sich auf die Seite der Alliierten und entwickelte eine 1942 patentierte Funkfernsteuerung für Torpedos. Der darin enthaltene gleichzeitige Frequenzwechsel wird in der heutigen Kommunikationstechnik zum Beispiel bei Bluetooth-Verbindungen oder mit der GSM-Technik angewendet (org.ukspiegel.de).

Auf unsere Frage nach bedeutenden deutschen Informatikerinnen bringt ChatGPT jedoch viel durcheinander. Wir zitieren aus der Antwort: „There are several important women in computer science from Germany who have made significant contributions to the field. Here are a few examples: Barbara Köhler (1962–present): Barbara Köhler is a German computer scientist who is known for her research in artificial intelligence, natural language processing and cognitive science. She is a professor of computer science at the University of Tübingen, where she leads the Artificial Intelligence Group.“

Eine Barbara Köhler haben wir bei unserer Recherche nicht gefunden. Die Beschreibung passt in Teilen auf Jana Koehler (lean-konferenz.de). „Jana Koehler ist wissenschaftliche Direktorin des Forschungsbereichs Algorithmic Business and Production am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI). ...Sie ist Spezialistin für KI, Kognitive Robotik und Industrie 4.0, für Software-Architektur sowie für Optimierung und Digitalisierung von Geschäftsprozessen und ist Ko-Autorin eines der wichtigsten Standards im Bereich Business Process Management (BPMN 2.0). Von 2010 bis Anfang 2019 war sie Professorin für Informatik an der Hochschule Luzern.“

Dorothea Wagner (1969–present): „Dorothea Wagner is a German computer scientist who is known for her research in algorithm engineering and computational geometry. She is a professor at the University of Karlsruhe, where she leads the Algorithm Engineering Group.“

Das stimmt auch wieder nicht ganz. Dorothea Wagner wurde 1957 geboren. Sie ist Lehrstuhlinhaberin am Karlsruher Institut für Technologie und zwar am Institut für Theoretische Informatik (kit.edudocplayer.org).

Susanne Boll (1970–present): „Susanne Boll is a German computer scientist who is known for her research in algorithms, complexity theory and optimization. She is a professor at the Technical University of Braunschweig and is a recipient of the German Computer Science Award in 2020.“

Die deutschen Informatikerinnen scheint ChatGPT nicht gut zu kennen. Denn auch in den Angaben zu Susanne Boll stimmt nicht viel: Susanne Boll ist Professorin für Medieninformatik und Multimediasysteme im Fachbereich Informatik an der Universität Oldenburg. Ihr Forschungsgebiet liegt an der Schnittstelle zwischen Mensch-Computer-Interaktion und Medieninformatik. Ihre Forschungsleidenschaft ist die Entwicklung interaktiver Technologien für den Menschen. Dabei ist die Entwicklung neuartiger innovativer Technologien auf die Bedürfnisse der Benutzer ausgerichtet und die sozialen Akzeptanz steht im Mittelpunkt ihrer Forschung (uol.de). 

Während bei Susanne Boll ein „German Computer Science Award“ erwähnt wird (gemeint ist vielleicht ihre Ernennung zum GI-Fellow 2020), erwähnt ChatGPT die Verleihung der Konrad-Zuse-Medaille im Jahr 2019 an Dorothea Wagner gar nicht.

Eigentlich hatten wir den Namen Christiane Floyd erwartet. Aber auch bei nochmaligem Nachfragen – auch explizit nach Österreicherinnen – nannte der Chatbot sie nicht. Also fragten wir direkt: Do you know Christiane Floyd?

„I am aware of Christiane Floyd, she is a German computer scientist and professor at the University of Mannheim, Germany. She is known for her research in the areas of software engineering and programming languages. She has made significant contributions in the field of software engineering, specifically in the area of formal methods, model-driven engineering, and software evolution. She has also been actively working on the promotion of women in computer science and technology, and the integration of gender perspectives in software engineering education and research.“

Was soll man dazu sagen?

Die bisher genannten Informatikerinnen sind nur eine kleine und willkürliche Auswahl. Wir würden gern die Leistungen weiterer Frauen in der Informatik sichtbar machen, sind aber zunächst gespannt auf Ihre Kommentare und Anregungen!

In der Antwort von ChatGPT auf die Frage nach berühmten deutschen Informatikerinnen werden zwei aktive weibliche GI-Mitglieder genannt: Susanne Boll und Dorothea Wagner. So soll zum Schluss ein unkommentierter Blick auf die Gesellschaft für Informatik nicht fehlen:

Der Vorstand ist paritätisch besetzt, mit einer Präsidentin als Vorsitzende. 14 Fachbereiche, Leitung: 12 Männer, 2 Frauen.

Auszeichnungen: Konrad Zuse Medaille: 19 Männer, 1 Frau; Klaus Tschira Medaille: 1 Mann, 2 Frauen. Fellows: 92 Männer, 17 Frauen. Junior Fellows: 28 Männer, 12 Frauen.

Etwa 11 Prozent der GI-Mitglieder sind weiblich. Das heißt, hier schlummert ein großes Potenzial!

Dieses Thema im Fokus haben Gudrun Schiedermeier und Ulla Köhler aus der FG Frauen und Informatik geschrieben. Vielen Dank!

GI-MELDUNGEN

Individuelle Verifikation der GI-Wahlergebnisse: selber prüfen möglich. Die GI plant, für die kommenden Präsidiums- und Vorstandswahlen eine neue Version ihrer Wahlsoftware einzusetzen, die die individuelle Überprüfung der abgegebenen Stimme und universelle Überprüfung des Wahlergebnisses erlaubt. Diese  soll auch mit vom Anbieter unabhängig entwickelten Tools möglich sein. Zu diesem Zweck ist das Protokoll des Verfahrens – also die interne Vorgehensweise – für die individuelle Verifikation der abgegebenen Stimme veröffentlicht. Der Artikel steht in arXiv zur Diskussion zur Verfügung  weiterlesen

informatiCup beendet: HPI räumt ab. Der diesjährige GI-Wettbewerb informatiCup ist beendet, und gleich zwei Teams vom Hasso-Plattner-Institut haben in der Endrunde die ersten Plätze belegt. Die Wettbewerbsaufgabe Profit! drehte sich darum, einen Prozess im Hinblick auf seinen Ertrag zu simulieren. Wir gratulieren!  weiterlesen

Digitale Souveränität und Wearables: GI-Projekt InviDas beendet. Viele von uns nutzen Tracker, da wir uns davon einen Nutzen versprechen. Inwieweit dabei die eigene digitale Souveränität eingeschränkt wird und wie sich das auswirken könnte, hat das GI-Projekt InviDas untersucht, dessen Abschlussbericht nun vorliegt.  weiterlesen

 

Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues oder auch ältere Fundstücke.

FUNDSTÜCK

Der richtige Umgang mit Fehlern in Software-Projekten. Fehler sind in der Softwareentwicklung unvermeidlich, aber wie man sie behandelt, kann einen großen Unterschied machen. In diesem Artikel stellt Andrea Bergia einige bewährte Muster für den Umgang mit Fehlern vor, die er in seiner langjährigen Erfahrung als Softwareentwickler gelernt hat. Er erklärt, wie man Fehler vermeidet, erkennt, behebt und dokumentiert, und gibt praktische Beispiele aus verschiedenen Programmiersprachen.  Zum Fundstück (andreabergia.com)

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 334 des GI-Radars vom 05.05.2023. Zusammengestellt hat diese Ausgabe Dominik Herrmann, der hofft, dass auch dieses GI-Radar fehlerfrei versendet wird. GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die Mitteilungen und Meldungen zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 19. Mai 2023.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.