GI-Radar 258: Informatik in der Grundschule

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in den Kurzmitteilungen informieren wir Sie unter anderem über den umstrittenen Vorschlag, die Ausbreitung des Corona-Virus durch die Auswertung von Handy-Standortdaten nachzuvollziehen. Das Thema im Fokus befasst sich mit Informatik in der Grundschule. In den GI-Mitteilungen erfahren Sie den Zwischenstand beim informatiCup. Das Fundstück ist etwas für Fans der Linux-Kommandozeile.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.

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Corona: Handy-Standortdaten auswerten + persönliche Ansprache online + Mathe in der Schule + Digitalfasten + KI: intelligent? + Smartphones gefährdet + Informatik in der Grundschule + GI-Vize von Gernler ausgewählt + informatiCup in Wolfsburg + Klaus-Tschira-Medaille + Komplexe Kommandozeile

KURZMITTEILUNGEN

Schutz vor Corona versus Datenschutz (Tagesspiegel). Die Versuche, Kontaktpersonen von mit dem Corona-Virus Infizierten ausfindig zu machen, werden immer ausgefeilter. Die neueste Idee ist, Handy- und Ortungsdaten auszulesen und abzugleichen, um herauszufinden, wer sich in der Nähe einer infizierten Person aufgehalten hat.  weiterlesen

Bürgerinnen und Bürger wollen persönlich angesprochen werden – aber nicht über ihre Daten (ZEIT). Praktisch ist es schon, wenn „das Netz“ weiß, was ich mag und will. Aber will ich, dass „das Netz“ meine Daten benutzt? Über die Widersprüchlichkeit des Denkens gibt eine Studie Auskunft.  weiterlesen

(Guter) Matheunterricht in der Schule essenziell – auch für Informatik (FAZ). Mathematik ist für viele das Horrorfach schlechthin. Dass dies nicht unbedingt am Fach liegen muss, wie man dessen Ansehen verbessert und es besser lehrt, darüber werden sich viele Gedanken gemacht. Auch im Informatikstudium scheitern viele an fehlenden Mathegrundlagen.  weiterlesen*

Digitales Fasten in der Fastenzeit: können (oder wollen) wir das überhaupt? (Deutschlandfunk) Das Smartphone killt unseren freien Willen. Das könnte man denken, wenn man das ständige, hektische Wischen und Scrollen beobachtet, eventuell auch bei sich selbst – wenn man ehrlich ist. Hinter „wellbeeing“ oder „digital detox“ versteckt sich das als altmodisch geltende Fasten – Zurückkhaltung beim Unterwegssein in der digitalen Welt. Eine Glosse.  weiterlesen

KI dumm wie B(r)ot? (SZ) Die Künstliche Intelligenz gilt als Allheilmittel, als Problemlöser und als „die“ Technik der Zukunft. Dass dem eventuell nicht so ist, weil die rasante Entwicklung allein auf auf zunehmender Rechenleistung und nicht auf zunehmender Intelligenz beruhen könnte, wird eher nicht thematisiert.  weiterlesen*

Mediatek-Lücke: Günstige Android-Smartphones anfällig für Schadsoftware (heise). Eine seit letztem Jahr bekannte Sicherheitslücke in Android-Smartphones gefährdert Geräte und Daten. Die Hersteller reagieren nur träge.  weiterlesen

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THEMA IM FOKUS

Informatik kommt in die Schule – für alle Schülerinnen und Schüler – für alle Schulformen ab der 1. Klasse der Grundschule. »Je früher – desto besser« – um gesellschaftlich-politischen Fehlvorstellungen zur Informatik breit zu begegnen, muss Informatik Bestandteil der frühen Allgemeinbildung werden. Dazu hat die GI im Jahr 2019 Empfehlungen verabschiedet (gi.de). Es stellt sich nun die Frage, wie mit diesen Empfehlungen auf der politisch-administrativen Ebene umgegangen wird – immerhin gibt es im hexadezimalen Bildungssystem 16 Bundesländer, die Gestaltungshoheit beanspruchen (Beitrag im Informatik-Spektrum im Web oder als PDF).

Im Folgenden wird der Blick auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) gerichtet, damit deutlich an einem von 16 Bundesländern herausgearbeitet werden kann, welche konkreten Elemente die administrative Seite in das Pflichtenheft für die Umsetzung in der Grundschule aufnimmt.

Informatik kommt in die Grundschule – in der Fläche? »Alle Schülerinnen und Schüler sollen bestmöglich auf die Anforderungen einer zunehmend von Informatiksystemen geprägten Lebens- und Arbeitswelt vorbereitet werden. Hierzu ist neben der Vermittlung von Medienkompetenzen und Fähigkeiten zum Anwenden und Bedienen digitaler Systeme besonders das Verständnis der zugrundeliegenden informatischen Konzepte von großer Bedeutung, um den Nutzen sowie die Wirkungsweise solcher Systeme bewerten zu können. Deshalb soll schon in der Grundschule […] eine erste altersgerechte Begegnung mit informatischen Inhalten erfolgen, an die dann die weiterführende Schule anknüpfen kann. Das Projekt „Informatik an Grundschulen“ startete im Jahr 2015 insbesondere mit dem Ziel, Konzepte zur informatischen Bildung […] an Grundschulen zu erproben. […] Die im Projektkontext entwickelten Handreichungen und Unterrichtsmaterialien sind über die Projektseite http://IaG.nrw.de abrufbar« (Quelle: landtag.nrw.de, S. 2).

Das liest sich doch ganz gut – was fehlt denn in der Darstellung des nordrhein-westfälischen Kultusministeriums?

In dem zitierten Textstück werden drei Dimensionen dargestellt: 1. Anwenden, 2. Bedienen und 3. Bewerten. Informatikkundige jedoch wissen, dass der Informatik die kreative Dimension des Gestaltens innewohnt. Diese wird hier völlig ausgespart und daran wird deutlich, dass diesem Aspekt offensichtlich kein Raum in der Grundschule gegeben werden soll.

Dies widerspricht grundlegenden Erfordernissen der informatischen Bildung und den Erkenntnissen der Didaktik der Informatik. Erst die Möglichkeit, selbst aktiv informatische Modellierung durchzuführen und zu erproben, ob und wie eigene Ideen tatsächlich umgesetzt werden können, ermöglichen und stärken die informatische Selbstkompetenz. 

Ziehen wir die Empfehlungen der GI heran zu den Informatikkompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler am Ende der vierjährigen Grundschulzeit entwickelt haben sollten (dl.gi.de):

»Das diesen Empfehlungen der GI zugrundeliegende Kompetenzmodell und die damit verbundene Verzahnung von Prozessen und Inhalten zu Kompetenzerwartungen aus dem Bereich der Informatik konnte schon frühzeitig bei der Entwicklung der Unterrichtsmodule im Projektkontext von „Informatik an Grundschulen“ berücksichtigt werden. Denn einige Akteure aus dem Projekt waren gleichzeitig an der Erarbeitung der Empfehlungen der GI zu Kompetenzen informatischer Bildung im Primarbereich beteiligt. In dieser Weise konnten auch Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Projekt direkt in den Arbeitsprozess zur Entwicklung der Empfehlungen einfließen. Vor diesem Hintergrund geben die von der GI verabschiedeten Empfehlungen aus curricularer Perspektive wichtige Impulse zur Stärkung der informatischen Grundbildung in den Fächern der Grundschule« (Quelle: landtag.nrw.de, S. 3).

So weit – so richtig. Allerdings wird verschwiegen, dass keiner der sechs nordrhein-westfälischen an der Entwicklung der Kompetenzen Beteiligten in die Entwicklung der neuen Kernlehrpläne eingebunden wurde und das, obwohl zwei dieser Personen in dem Feld mit Promotionsarbeiten unterwegs sind. Ein Schelm, wer …

Informatik kommt in alle weiterführenden Schulen des größten Bundeslandes – ab Klasse 5/6. Immer und immer wieder haben die GI und befreundete Organisationen darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, Informatik als verpflichtendes Schulfach in den weiterführenden Schulen in die Stundentafeln aufzunehmen. Aktuell noch in der Verbändebeteiligung, schlägt das Kultusministerium NRW vor, dass in allen weiterführenden Schulen in den Jahrgängen 5 und 6 mit in Summe 2 Unterrichtsstunden das Schulfach Informatik etabliert wird. So kommt Informatik erstmalig in NRW in alle Stundentafeln aller weiterführenden Schulen. Die Umsetzung soll ab dem Schuljahr 2021/2022 erfolgen, wenn es nach den vorliegenden Plänen geht (landtag.nrw.de). Parallel findet die Entwicklung der Kernlehrpläne statt.

Damit gibt es für 7 von 16 Bundesländern entweder ein eingeführtes Pflichtfach Informatik (Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern (sogar als Leitfach), Bayern, Baden-Württemberg) oder den Plan, Informatik als Pflichtfach zu verankern: Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz (zunächst mit 21 Schulen).

Schnittstelle: Grundschule – weiterführende Schule. Es stellt sich die Frage, auf welche tatsächlichen Informatikkompetenzen aus der Grundschule zu Beginn der weiterführenden Schule gesetzt werden kann. 

In dem Modellvorhaben »Informatikunterricht in der Erprobungsstufe des Gymnasiums« in den Bezirken Düsseldorf und Köln wurden Schülerinnen und Schüler befragt. Dabei wurde deutlich, dass vor allem die Schülerinnen, die angaben, Informatik in der Grundschule (durch Teilnahme am Projekt Informatik an Grundschulen) kennengelernt zu haben, eine hohe Selbstkompetenz in Informatik entwickeln (dl.gi.de).

Daher kommt der Grundschule eine sehr bedeutsame Funktion zu: Informatik muss als Fach in der Grundschule eingeführt werden – nur so haben wir die Chance, dass informatische Bildung durch qualifizierte Lehrkräfte unterrichtlich umgesetzt wird und nur so können wir dem Gendergap in Informatik nachhaltig begegnen.

Diesen Beitrag hat Ludger Humbert zur Verfügung gestellt. Vielen Dank! Herr Humbert war federführend an der Entwicklung der GI-Empfehlungen für Kompetenzen informatischer Bildung im Primarbereich beteiligt. Im kommenden Jahr organisiert er die vom Fachausschuss Informatische Bildung an Schulen (FA IBS: https://fa-ibs.gi.de) ausgerichtete 19. GI-Fachtagung »Informatik und Schule (INFOS)« unter dem Motto »Lehrer*innenbildung« in Wuppertal.

GI-MELDUNGEN

GI-Vize von Gernler Mitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler. Die „Vereinigung Deutscher Wissenschaftler“ ist eine Runde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich dem verantwortungsbewussten Handeln in Wissenschaft und Forschung widmet. GI-Vizepräsident Alexander von Gernler ist in den 1959 von Physikern gegründeten Kreis aufgenommen worden. Wir gratulieren!  weiterlesen

informatiCup mit vier Finalisten-Teams. Die Endausscheidung des diesjährigen informatiCup findet zwischen vier Teams statt. Am 26. März treten diese in Wolfsburg bei VW gegeneinander an. Die Veranstaltung ist öffentlich und sicherlich spannend.  weiterlesen

Ausschreibung der Klaus-Tschira-Medaille. Alle zwei Jahre schreiben die GI und die Klaus-Tschira-Stiftung die Klaus-Tschira-Medaille aus. Ausgezeichnet werden Personen, die durch ihre Arbeiten in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Kunst usw. Anregungen zur Weiterentwicklung der Informatik und ihrer Methoden in unterschiedlichen Anwendungsgebieten gegeben haben. Nominierungen nehmen wir gerne bis zum 31. Mai entgegen.  weiterlesen

 

Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Wie der Tagesspiegel erwähnt, hat sich Hartmut Pohl vom GI-Präsidiumsarbeitskreis „Datenschutz und IT-Sicherheit“ zu Sicherheitslücken und Softwarefehlern geäußert.

FUNDSTÜCK

Komplexe Kommandozeile. Anhänger der Kommandozeile von Unix-basierten Betriebssystemen schätzen das dort vorherrschende Paradigma „do one thing and do it well“: Es gibt ein Programm zum Sortieren, ein anderes Programm kümmert sich um das Extrahieren einer bestimmten Spalte aus einer Textdatei, usw. Diese funktionale Trennung macht Sinn, da Kommandozeilen-Programme darauf getrimmt sind, für die Ein- und Ausgabe unformatierten Text zu verarbeiten. Wenn man grob weiß, was die einzelnen Programme „können“, kann man diese geschickt zur Problemlösung kombinieren. Wie der Autor unseres Fundstücks zeigt, ist das oben stehende Mantra allerdings heute gar nicht mehr gültig. Über die Jahre ist die Anzahl der verfügbaren Parameter – und damit der Funktionsumfang – bei vielen Kommandozeilen-Programmen geradezu explodiert. Wäre es vielleicht besser gewesen, für jede Spezialfunktion ein neues Programm zu bauen?   Zum Fundstück (danluu.com, engl.)

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 258 des GI-Radars. Zusammengestellt hat sie Dominik Herrmann, der bei jeder Ausgabe übrigens die Linux-Kommandozeilen-Programme cut und sort benutzt. Die Mitteilungen hat GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 20. März 2020.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.