GI-Radar 288: Patente auf Software und KI

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in der letzten Ausgabe hatten wir uns mit einem Patent auf eine Emotionserkennung beim Musik-Streaming beschäftigt. Diese Ausgabe nimmt das Thema Patente erneut in den Fokus – genauer gesagt geht es um eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Patentamts. In den Kurzmitteilungen befassen wir uns unter anderem mit einer Datenschutz-Initiative, die gegen manipulative Cookie-Banner vorgeht. In den GI-Meldungen geht es um Kunst und KI. Den Schluss bildet wie immer unser Fundstück – dieses Mal mit einem vertrackten ethischen Problem aus unseren Gewissensbits.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!

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Wissenschaftsverlage und Daten + Digitales Bargeld + Abschied von Videokonferenzen? + Cookie-Regeln + medizinische Daten austauschen + Patente auf Software und KI + KI und Kunst + Transparenz im Datenschutz + INFORMATIK 2021 + Ihr Thema im Radar + Vergünstigungen + Gewissensbit: manipulative Darstellung

KURZMITTEILUNGEN

Wissenschaftsverlage: Verschiebung von Inhaltslieferanten zu Datenlieferanten (DFG). Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) warnt in einem Positionspapier vor der Transformation von Wissenschaftsverlagen. Als neues Geschäftsmodell setzen Verlage zunehmend Trackingtechniken ein, um das Leseverhalten der Nutzenden zu analysieren, mit weiteren Diensten zu verknüpfen und daraus neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die DFG befürchtet dabei unter anderem die Verletzung der Anonymität und der informationellen Selbstbestimmung.  weiterlesen

Digitales Bargeld auf den Bahamas (SZ). Eine Überschrift, die gleich zweimal aufhorchen lässt: Bahamas? Urlaub! Digitales Bargeld? Widerspruch in sich? Der Inselstaat experimentiert, wie einige andere Länder auch, mit dem Einsatz von digitalem Bargeld, das Bürgerinnen und Bürgern nun unabhängig vom Zugang zu einem Bankkonto Flexibilität ermöglichen soll. In der EU wird ebenfalls an digitalem Bargeld gearbeitet – bis zur Einführung soll es allerdings noch einige Jahre dauern.  weiterlesen

Corona ade = Zoom ade? (ZEIT) Die Infektionszahlen sinken, der erste Urlaub wird geplant – und erste Tagungen sollen wieder in Präsenz stattfinden. Während der letzten nunmehr 15 Monate hat sich für viele Menschen ein Großteil ihres Lebens ins Virtuelle verlagert: die Arbeit sowieso, aber auch Familienfeste, Spieleabende und der Theaterbesuch. Nun jubeln viele, dass in absehbarer Zeit das „normale“ = analoge Leben wieder losgehen kann. Aber war wirklich alles Virtuelle schlecht und unwirklich? Über die positiven Seiten des Lebens im Web sinniert die ZEIT.  weiterlesen

Klagen gegen laxe Cookie-Regeln (FAZ). Jeder kennt das nervige Popup, mit dem man beim Besuchen einer Webseite aufgefordert wird, die Nutzung der Cookies für sich zu regeln. Dass viele der Einfachheit halber schnell klicken „stimme zu“, ärgert Datenschutzsensible zunehmend. Einer von ihnen hat nun breitflächig Beschwerden geschrieben an Unternehmen, die Nutzerinnen und Nutzer durch unnötig komplizierte Popups in ihrem Sinne beeinflussen.  weiterlesen

Medizinische Daten sicher austauschen mittels „swarm learnings“ (Generalanzeiger). Algorithmen erkennen in medizinischen Datenbanken mittlerweile eine ganze Menge an Krankheiten. Allerdings sind dem datenbankübergreifenden Wissensaustausch enge Grenzen gesetzt. Wie sich diese datenschutzkonform und ressourcenschonend überwinden lassen, erforscht ein Forschungsteam am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Patente auf Software und Künstliche Intelligenz. Im Fokus dieser Ausgabe steht die Patentierung von Software und entsprechender Lösungen im Bereich der Informatik. Anlass dieses Beitrags ist die lang erwartete Entscheidung G1/19 des Europäischen Patentamts zur Patentierung von Software, hier speziell von Computer implementierten Simulationen.

Die Einordnung des Patentrechts bzw. des Europäischen Patentübereinkommens gegenüber dem Urheberrecht und einer allgemeinen Geheimhaltung ist durch den Schutz der zu Grunde liegenden technischen Lehre gegeben. Das Urheberrecht schützt lediglich die Ausdrucksformen eines Computerprogramms, wobei Ideen, Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zu Grunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zu Grunde liegenden Ideen und Grundsätze, nicht geschützt sind (siehe Urheberrecht §69a (2)). Darüber hinaus besteht oftmals beim Urheberrecht die Frage der Beweisbarkeit der Autorenschaft, selbst für den Fall dass der Quelltext bei einem Notar oder Anwalt hinterlegt ist.

Generell werden Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu und erfinderisch sowie gewerblich anwendbar sind. Darüber hinaus besteht ein Patentierungsverbot von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen bzw. die Wiedergabe von Informationen als solche. Dieser strikt anmutende Leitsatz wurde gemäß allgemeiner Patentpraxis und gerichtlicher Klarstellung dahingehend konkretisiert, dass ein Computerprogramm beispielsweise dann dem Patentschutz zugänglich ist, falls es ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln löst. Eine Erfindungsmeldung muss hier für jeden Einzelfall geprüft werden.

In der Entscheidung G1/19 des europäischen Patentamts wurde zudem entschieden, dass die Patentierungsmöglichkeiten und Voraussetzungen von Computer gestützten Simulationen die gleichen sind wie diejenigen von computerimplementierten Erfindungen. Dies heißt also, dass die etablierte Rechtsprechung bezüglich Softwarepatenten auch bei entsprechenden technischen Simulationen angewendet werden kann.

Bei Fragen zum Thema können sich interessierte Mitglieder an den Arbeitskreis „Patente“ der Gesellschaft für Informatik wenden. Dort gibt es auch Hinweise zu meist kostenfreien Vorträgen zu diesen Themen.

Diesen Beitrag hat Dr. Jochen Reich, Informatiker, Patentanwalt und seit 2015 Leiter der GI Arbeitsgruppe „Patente“, beigesteuert. Vielen Dank!

GI-MELDUNGEN

KI und Kunst im Webtalk. Was kann KI in der Kunst, wo beeinflusst sie traditionelle Techniken, und kann ein Rechner überhaupt künstlerisch tätig sein? Über den Zusammenhang zwischen Kunst und KI diskutierten Fachleute in einem Webtalk.  weiterlesen

GI-Blogbeitrag: Transparenz im Datenschutzrecht. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) soll die Rechte der Einzelnen schützen und Datenschutzgrundsätze regeln. Allerdings ist dies ob der Materie nicht so leicht, und manches Unternehmen legt mit vermeintlicher Transparenz falsche Fährten. Marit Hansen liefert im Rahmen des GI-Projektes „Digital Autonomy Hub“ eine Einordnung des Transparenzgedankens.  weiterlesen

INFORMATIK 2021: das Programm wächst. Nachdem die Einreichungsfristen verstrichen sind, können wir sehr erfreut mitteilen, dass die meisten Workshops so viele gute Einreichungen erhalten haben, dass sie mit einem spannenden und reichhaltigen Programm aufwarten werden. Webseite und Programm werden kontinuierlich erweitert.  weiterlesen

Fehler im Radar? Thema verfehlt im Thema im Fokus? Komisches Erratum? Ah – wir haben schon wieder Ihr Interesse geweckt, Sie lesen unsere Meldung. Wie schön! Dann fallen wir doch gleich mal mit der Tür ins Haus. Da Sie ja anscheinend unsere Themen spannend finden: haben Sie vielleicht selbst eins? Beschäftigen Sie sich mit Fragen, die für andere interessant sein könnten? Möchten Sie das vielleicht sogar mal einer größeren Runde präsentieren? Wir sind immer auf der Suche nach Menschen, die ab und zu einmal ein Thema im Fokus schreiben und das Radar so bunter und weiter im Blick machen. Wir geben gerne Hilfestellung. Eine Mail an die Redaktion genügt.  weiterlesen

Vergünstigungen durch die GI-Mitgliedschaft. Neben all den fachlichen und ideellen Vorteilen einer GI-Mitgliedschaft haben wir auch eine ganze Menge an Vergünstigungen bei Unternehmen für Sie ausgehandelt, unter anderem bei der Bahn, für Hotels und Mietwagen. Wo sich das Leben zu normalisieren scheint, lohnt ein Blick in die Angebote unserer Vertragspartner.  weiterlesen

 

Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. In der letzten Woche berichtete ein Teilnehmer des von der GI organisierten KI-Camps über seine Erfahrungen (blog.bildungsserver.de). Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues.

FUNDSTÜCK

„Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast“ oder: wie darf eine App Daten verwenden? Das neue Gewissensbit zum Thema Wahrheit. Sie allen kenne bestimmt die eingangs zitierten, dem ehemaligen britischen Premierminister Sir Winston Churchill zugeschriebenen Zeilen – wobei übrigens keineswegs klar ist, dass es tatsächlich von ihm stammt. Wobei wir mitten im heutigen Fundstück wären: was ist wahr? Das neue Gewissensbit stellt die Frage, inwieweit es legitim ist, mittels einer App Daten in einer bestimmten Art und Weise zu visualisieren, damit sie die eigenen Aussagen unterstreichen. Falsch sind die so erzeugten Grafiken nicht, aber sie rufen Eindrücke hervor, die möglicherweise etwas zwar Intendiertes, aber nicht durch die Daten selbst Belegbares suggerieren. Ist das (noch) OK, oder ist das Täuschung und damit unethisch? Das gesamte Szenario lesen Sie in den Gewissensbits. Denken und entscheiden müssen Sie allerdings selbst. Im Übrigen freut sich das Ethik-Team über Ihre Gedanken und Kommentierungen.  Zum Fundstück (gewissensbits.gi.de)

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 288 des GI-Radars. Zusammengestellt hat sie Dominik Herrmann, der froh ist, dass alle Texte im GI-Radar ohne Täuschungsabsicht entstehen. Die Mitteilungen und Meldungen hat GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 18. Juni 2021.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.