GI-Radar 295: Online-Wahlen

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

kurz vor der Bundestagswahl geht es in dieser Ausgabe schwerpunktmäßig um das Thema Online-Wahlen. In den Kurzmitteilungen behandeln wir unter anderem die Problematik des sog. „Digital Divide“: Ältere tun sich zunehmend schwer, mit neuer Technik Schritt zu halten. In den GI-Meldungen weisen wir auf die INFORMATIK 2021 hin (beginnt am Montag) – und auf die GI-Mitgliederversammlung, für die Sie sich bis Montag Abend anmelden können.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!

auf gi-radar.de weiterlesen

Tech-Firmen in der Gesundheitsbranche + Tech-Firmen und Klimaschutz + Digitalisierung und Alter + Frauen in der Informatik + Selbständige und Einkommen + Online-Wahlen + INFORMATIK 2021 + Cocktails auf der Jahrestagung + Bundeswettbewerb Informatik + Digitalisierung der Verwaltung + Informatik Spektrum + Mitgliederversammlung + 30 Jahre Linux

KURZMITTEILUNGEN

Interoperabilität, Datenschutz und Gewinne: Tech-Firmen in der Gesundheitsbranche (NZZ). Erst durch die Corona-Pandemie wurde der breiten Öffentlichkeit bewusst, wie rudimentär der Gesundheitssektor bei digitalen Anwendungen aufgestellt ist. Theoretisch könnten die großen Tech-Firmen hier einsteigen und einiges revolutionieren. Doch so einfach ist das nicht. Gesundheitsmanagement und Technologie folgen mitunter verschiedenen Wegen.  weiterlesen

Lobbyarbeit und Klimaschutz: Prioritäten der Tech-Konzerne (The Guardian, engl.) Nach der Flutkatastrophe Mitte Juli ist der Klimaschutz wieder in aller Munde. Im Prinzip sind sich alle einig, dass es so nicht weitergehen kann. Dennoch sind nicht nur die Prioritäten beim Einzelnen oft anders; auch die Tech-Konzerne investieren mehr Geld in ihre Lobbyarbeit als in den Klimaschutz.  weiterlesen

Digital Divide, Online-Offline, Digitalisierung und Alter: Wie geht man damit um? (ZEIT). Für nahezu alle GI-Mitglieder dürfte der Umgang mit digitalen Anwendungen und der entsprechenden Hardware selbstverständlich sein. Wobei die Älteren unter uns im Gegensatz zu den sogenannten „digital natives“ – die eine Welt ohne Web und Smartphone gar nicht kennen – auch jetzt schon manchmal ihre Schwierigkeiten haben mitzukommen. Wie mag es dann der Eltern- oder Großelterngeneration gehen? Wie man diese mitnehmen kann, erläutert D21-Geschäftsführerin Lena-Sophie Müller in einem Interview.  weiterlesen

Mehr Frauen in die Informatik durch ein Pflichtfach Informatik (golem). Das zivilgesellschaftliche Bündnis „ShetransformsIT“ hat einen Forderungskatalog formuliert, um mehr Frauen für die Informatik zu gewinnen. Das Bündnis möchte so Sollbruchstellen in der Interessensbildung vermeiden und ein durchgängiges Interesse an Technik und Digitalisierung fördern.  weiterlesen

Umfrage unter IT-Selbständigen: Einkommen stabil (heise). Laut einer Umfrage hat sich die Pandemie auf das Einkommen von IT-Selbständigen kaum ausgewirkt. Der Stundensatz blieb nahezu stabil, wobei es große Unterschiede je nach Einsatzgebiet und Spezialisierung gibt.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Chancen und Risiken von Online-Wahlen: Wenn dann bitte Ende-zu-Ende verifizierbare Wahlsysteme. Online-Wahlen, also die Möglichkeit die Stimme für eine geheime Wahl bzw. geheime Abstimmungen vom eigenen Endgerät über das Internet abzugeben, bringen eine Reihe von Vorteilen mit sich (tab-im-bundestag.de): z.B. Wähler*innen mit körperlichen Einschränkungen können eigenständig wählen; Wähler*innen, die vorübergehend im Ausland leben, können einfacher als per Briefwahl ihre Stimme abgeben; unabsichtlich ungültig abgegebene Stimmen können verhindert werden. Im Kontext der Covid19-Pandemie haben einige Wahlausrichter darüber hinaus überlegt, Online-Wahlen anzubieten, um eine Wahl trotz der Kontaktbeschränkungen und ohne Wähler*innen und Wahlhelfer*innen gesundheitlichen Risiken auszusetzen.

Online-Wahlen haben aber auch eine Reihe von Nachteilen: z.B. Angriffe werden von überall auf der Welt möglich und skalieren viel besser; anders als bei anderen Online-Diensten lassen sich Manipulationen nicht einfach erkennen (youtube.com); es ist schwerer für Wähler*innen nachzuvollziehen, wie das System funktioniert und abgesichert ist. Die Risiken im Sinne der Eintrittswahrscheinlichkeit (u.a. bestehend aus der Motivation und dem zu betreibenden Aufwand für einen Angriff) aber auch des Schadens hängen von der betrachteten Wahl ab (z.B. geht es um eine Wahl in einem lokalen Verein, unterschiedliche Wahlen an Hochschulen, Wahlen in Aktiengesellschaften, Wahlen in Parteien, Kommunalwahlen, Bundestagswahlen). Ein weiterer Nachteil von Online-Wahlen ist, dass die geschützte Umgebung der Wahlkabine fehlt und Wähler*innen zu einer bestimmten Stimmabgabe gezwungen werden könnten. Dieser Nachteil ist aber beispielsweise auch bei der Briefwahl vorhanden, und gerade die Online-Wahl könnte die Situation entschärfen, etwa wenn ein Re-Voting ermöglicht wird, wie das in Estland bei Online-Wahlen praktiziert wird. 

Wie auch bereits zur letzten Bundestagswahl wurden auch zur diesjährigen Bundestagswahl Umfragen zum Wunsch nach Online-Wahlen durchgeführt. Laut der Anfang September veröffentlichten Bitkom-Umfrage sprechen sich zwei Drittel der Befragten für eine Online-Stimmabgabe bei Bundestagswahlen aus (bitkom.org). Diese große Zahl der Befürworter*innen könnte damit zusammenhängen, dass bedingt durch die Covid19-Pandemie viele Deutsche ihre Stimme bei anderen Abstimmungen oder Wahlen online abgeben konnten. Eine Online-Bundestagswahl wirkt nach dem Wahlcomputer-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2009 allerdings unerreichbar. Hier wird u.a. für (elektronische) Bundestagswahlen gefordert, dass „Jeder Bürger [...] die zentralen Schritte der Wahl ohne besondere technische Vorkenntnisse zuverlässig nachvollziehen und verstehen können [muss]“ (bundesverfassungsgericht.de).

Sicherlich ist es aber ohnehin ratsam, erst einmal mit Stand der Technik und Forschung Wahlsysteme für Wahlen mit niedrigerem Risiko einzusetzen und hier Erfahrungen zu sammeln. Die Tatsache, dass bereits an manchen Stellen eine Online-Stimmabgabe bei Wahlen und Abstimmungen möglich ist, ist nicht notwendigerweise ein Nachweis dafür, dass dies bereits der Fall ist. Dort wurde – teils bedingt durch die Einschränkungen während der Covid-19 Pandemie – entschieden, Systeme einzusetzen, bei denen es nicht zuverlässig möglich ist, zwischen einem manipulierten und einem nicht manipulierten Ergebnis zu unterscheiden (kit.edu). Es werden insbesondere keine sogenannten Ende-zu-Ende verifizierbaren Online-Wahlsysteme (solche Systeme werden u.a. vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik [bsi.de], und dem Europarat [coe.int] adressiert) eingesetzt, bei denen Wähler*innen zuverlässig überprüfen könnten, dass ihre Stimme unverändert gezählt wurden – dank kryptographischer Protokolle bei gleichzeitiger Sicherung des Wahlgeheimnis gegen eine Reihe von Angriffsformen.

Damit Wähler*innen, Kandidat*innen und Wahlausrichter*innen eine informierte Entscheidung treffen können, ob und wenn ja mit welchem der existierenden Ansätze eine Online-Stimmabgabe möglich sein soll, wird in der bereits oben verlinkten Publikation erläutert, warum die digitale Durchführung einer Wahl wesentlich schwieriger ist als der digitale Einkauf (kit.edu). Außerdem bietet dieses Papier eine Einordnung einiger Online-Wahlen sowie eine Erläuterung zu vorhandenen Anforderungskatalogen. Darüber hinaus sensibilisiert das Papier dafür, dass für Ende-zu-Ende-verifizierbare Online-Wahlsysteme unabhängig entwickelte Verifizierungstools benötigt werden.

Zuletzt sei angemerkt, dass es nach wie vor eine Reihe von Herausforderungen im Kontext von Ende-zu-Ende-verifizierbaren Online-Wahlen gibt, die in den nächsten Jahren adressiert werden sollten (helmholtz200.de, secuso.org): z.B. die Benutzbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Verifizierungsfunktionen für Wähler*innen (insbesondere für Wähler*innen mit Einschränkungen), die Resistenz bzgl. des Wahlgeheimnis gegen weitere Angriffsformen (Stichwort Coercion-Resistance) sowie rechtliche Rahmenbedingungen und Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung.

Vielen Dank an die Autorinnen und Autoren dieses Beitrags: Bernhard Beckert, Jurlind Budurushi, Armin Grunwald, Robert Krimmer, Oksana Kulyk, Ralf Küsters, Andreas Mayer, Jörn Müller-Quade, Stephan  Neumann und Melanie Volkamer, die sich u.a. in den Fachgruppen FOMSESS und ECOM in der GI engagieren.

GI-MELDUNGEN

INFORMATIK 2021: noch drei Tage bis zum Start und schon über 1.000 Anmeldungen. Am kommenden Montag geht es los mit unserer zweiten virtuellen Jahrestagung. Unter anderem mehr als 30 Workshops, viele Panels, eingeladene Vorträge, die Verleihung der Konrad-Zuse-Medaille sowie die Auszeichnung der Fellows, Junior-Fellows und der diesjährigen Dissertationspreisträgerin erwarten Sie.  weiterlesen

Cocktails und Comedy auf der INFORMATIK 2021. Neben dem fachlichen Austausch bei einer Konferenz ist immer auch das Rahmenprogramm interessant – und häufig auch das, was am ehesten im Gedächtnis bleibt. Am 29. September präsentieren wir den Registrierten ab 19:25 Uhr einen GI-Cocktail-Workshop, eine Comedy von Daniel Ryan Spaulding zur Digitalisierung in Deutschland und eine Musik-Performance der interdisziplinären Künstlerin Portrait XO.  weiterlesen

39. Bundeswettbewerb Informatik abgeschlossen. Der diesjährige vom Hasso-Plattner Institut in Potsdam ausgerichtete 39. Bundeswettbewerb Informatik ist abgeschlossen. In die Endrunde schafften es 29 Jungtalente, ausgewählt wurden schließlich fünf Bundessieger. Wir gratulieren.  weiterlesen

GI fordert digitale Bildungsoffensive für die öffentliche Verwaltung. Eine Open Data-Strategie zu ganz verschiedenen Themen wird mittlerweile von vielen öffentlichen Stellen praktiziert. Damit mit Daten aber auch verantwortungsvoll umgegangen werden kann, hat die GI angesichts einer Beratung im Hessischen Landtag zu einem Open-Data-Gesetz in einer Stellungnahme eine digitale Bildungsoffensive gefordert. Alle in der Verwaltung Tätigen sollten im sensiblen und verantwortungsvollen Umgang mit personenbezogenen Daten geschult werden.  weiterlesen

Neues Informatik Spektrum erschienen. Das neue Informatik Spektrum ist da, und zwar sowohl in der Digitalen Bibliothek als auch im Mitgliederbereich. In diesem Heft geht es unter anderem um so unterschiedliche Themen wie Datenportabilität, maschinelle Intelligenz und Dateninfrastrukturen.  weiterlesen

Ordentlichen Mitgliederversammlung. Auch in diesem Jahr findet die GI-Mitgliederversammlung virtuell statt, diesmal am Dienstag, dem 28. September ab 18 Uhr. Für die Teilnahme ist eine Vorabregistrierung bis Montag, 27. September 2021 24:00 Uhr notwendig. Die Tagesordnung, den Link zur Anmeldung sowie technische Hinweise für die Abstimmungen finden Sie im GI-Mitgliederbereich.  weiterlesen

 

Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Diesmal äußert sich GI-Präsidiumsmitglied Ira Diethelm zum oben skizzierten Forderungskatalog des Bündnisses „ShetransformsIT“ (elektroniknet.de). Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues.

FUNDSTÜCK

Linus Torvalds und Linux: 30 Jahre Software-Geschichte. Es war einmal … könnte die Geschichte des Studenten Linus Torvalds beginnen, der im September 1991 die erste Version seines quelloffenen Betriebssystems Linux veröffentlichte. Was zu Beginn lediglich für Eingeweihte und Enthusiasten versteh- und nutzbar war, hat sich mittlerweile nicht nur bei besonders technikaffinen Menschen etabliert, sondern auch in Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung, in Rechenzentren und dem Weltall. Über den Siegeszug eines studentischen „Hobbys“.  Zum Fundstück (zeit.de)

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 295 des GI-Radars. Zusammengestellt hat sie Dominik Herrmann – natürlich mit Hilfe einiger Linux-Systeme. GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die Mitteilungen und Meldungen zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 8. Oktober 2021.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.