GI-Radar 282: Informatikunterricht in den Ländern

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe verlinken wir in den Kurzmitteilungen u.a. einen aktuellen Artikel über Quantencomputing. Das Thema im Fokus befasst sich mit der Ausgestaltung des Informatikunterrichts in den Bundesländern. In den GI-Mitteilungen finden Sie einen Aufruf zur Mitwirkung im GI-Beirat für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Unser Fundstück erinnert Sie schließlich an den problematischen Algorithmus, der letztes Jahr die Abschlussnoten von Schülerinnen und Schülern in Großbritannien festgelegt hat.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!

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Quantencomputing + Überwachungsgesetze + digitale Prüfungen + elektronische Brieftasche + Mail-Verschlüsselung + Informatikunterricht in den Bundesländern + GI-Jahrestagung INFORMATIK 2021 + Beirat wissenschaftlicher Nachwuchs + neues Informatik Spektrum + GI-Junior-Fellows gesucht + Algorithmus vergab ungerechte Abschlussnoten

KURZMITTEILUNGEN

Quantencomputer auf dem Vormarsch – nicht ohne Hürden (FAZ). Quantencomputing ist in aller Munde und wird als eine der zukunftsträchtigsten Technologien angesehen. Dennoch weiß kaum jemand im Detail, was sich konkret dahinter verbirgt. Ebenso ist nicht einfach ersichtlich, ob und welche Unterschiede es hinsichtlich Volumen und Qualität der Quantenbits unter anderem bei den Herstellern gibt.  weiterlesen

Max-Planck-Institut stellt Überwachungsgesetze zusammen (Netzpolitik). Das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht hat in einer Studie zusammengetragen, über welche Befugnisse Sicherheitsbehörden aufgrund gesetzlicher Regelungen verfügen. Die Zusammenstellung mit der Auflistung der Befugnisse soll den Sachstand aufzeigen und die Diskussion versachlichen.  weiterlesen

Digitale Prüfungen an den Hochschulen (Spiegel). Corona begleitet unseren Alltag nun seit ziemlich genau einem Jahr. Ein Jahr ist lang, und binnen eines Jahres findet an Schulen und Hochschulen ein ganzer Zyklus an Aktivitäten statt, die nicht einfach ausfallen können. Mit digitaler Lehre hat man sich notgedrungen angefreundet, aber wie veranstaltet man digitale Prüfungen rechtssicher? Einfach aufnehmen gehe nicht, fanden Studierende und klagten gegen die Onlineüberwachung und Speicherung der Prüfung. Jetzt haben Gerichte jedoch entschieden, dass dies keinen übergebührlichen Eingriff in die Privatsphäre darstelle.  weiterlesen

Wer entwickelt die digitale Brieftasche? (SZ) Immer mehr Konten, immer mehr Zugänge, zig Passwörter, und dann ist auch eine rechtssichere Identifizierung bei manchen Diensten im Internet unabdingbar. Ob und wie man die Quadratur des Kreises von Handhabbarkeit und Sicherheit bei elektronischen Vorgängen hinbekommt ist Thema zahlreicher Diskussionen.  weiterlesen

Exchange-Lücke: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung hätte geschützt (Golem). Die kürzlich bekannt gewordene Schwachstelle in Exchange-Mailservern macht deutlich, wie verwundbar unbedachte Kommunikation ist. Weltweit sollen mehrere Zehntausend Server erfolgreich angegriffen worden sein. Fachleute weisen darauf hin, dass eine standardmäßige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Mails hier deutlich mehr Sicherheit schaffen würde.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Informatikunterricht in Deutschland – ein Flickenteppich mit Löchern. In den „Perspektiven der Informatik in Deutschland“ fordert der Wissenschaftsrat 2020 die schnelle und flächendeckende Einführung informatischer Bildung in den Schulen. Er konstatiert eine unterschiedliche, zumeist unbefriedigende Situation des Informatikunterrichts in Deutschland und beklagt: „Ein verlässlicher Überblick über die aktuelle Situation in Deutschland existiert nicht.“ (S. 40). Diese Lücke ist jetzt mit einer detaillierten Studie von Richard Schwarz (Uni Rostock) geschlossen worden, die die Situation mit Stand August 2020 abbildet. Die Ergebnisse der Studie bestätigen die insgesamt unzureichende Situation, zeigen jedoch auch Beispiele für erfreuliche Entwicklungen auf.

Informatische Bildung ist Teil der Allgemeinbildung – für alle Schülerinnen und Schüler. Damit können nicht nur die Schülerinnen und Schüler an einigen oder an allen Gymnasien eines Bundeslands gemeint sein, sondern alle Schülerinnen und Schüler in allen weiterführenden Schulformen des dreigliedrigen deutschen Bildungssystems. Die Arbeit von Richard Schwarz enthält – jeweils nach einer Übersicht über das Schulsystem in den 16 Bundesländern – eine ausführliche Beschreibung der informatischen Bildung ab Jahrgangsstufe 5 in den einzelnen Schulformen und geht in diesem Punkt über die 2017 veröffentliche CECE-Studie „Informatics Education in Europe: Are We All in the Same Boat?“ hinaus, in der eine solche Unterscheidung nicht vorgenommen wurde. Von besonderem Interesse war die Frage, in welchem Maß die Länder die „GI-Empfehlungen für ein Gesamtkonzept zur informatischen Bildung an allgemeinbildenden Schulen“ aus dem Jahr 2000 umgesetzt und ein verbindliches Fach in allen Jahrgangsstufen ab Klasse 5 eingeführt haben.

Für die Erhebung der Daten wurde ein mehrstufiges Verfahren gewählt. Die Daten resultieren einerseits aus einer umfangreichen Analyse bildungspolitischer Dokumente wie Schulgesetze und Stundentafeln, um den formalen Rahmen für die informatische Bildung vor dem Hintergrund des Schulsystems in den Ländern beschreiben zu können. Um anderseits den inhaltlichen Wert der Angebote beurteilen zu können, wurde geprüft, ob, in welchem Umfang und mit welcher Verbindlichkeit es curriculare Vorgaben (Rahmenpläne, Bildungspläne, etc.) für die informatische Bildung gibt. Die nach Aktenlage erstellten vorläufigen Beschreibungen wurden anschließend jeweils durch eine Befragung mehrerer Expertinnen und Experten in den jeweiligen Bundesländern verifiziert und als „Beschreibung der Situation der informatischen Bildung in den Bundesländern“ veröffentlicht.

Zum Informatikunterricht im Sekundarbereich I ergibt sich ein sehr differenziertes Bild. Dies betrifft die Verbindlichkeit, die jeweilige Schulart und vor allem die Organisationsform eines Fachunterrichts Informatik. Neben einem durchgängigen Pflichtunterricht in wenigen Bundesländern, für den die Inhalte curricular definiert sind, existieren unterschiedlichste Angebote im Wahlpflicht- bzw. im Wahlbereich (nach curricularen Vorgaben oder auch in freier Wahl der Schulen), oder es kommt ein solcher Unterricht überhaupt nicht zustande. Das kann einzelne Schularten, gymnasiale Zweige bzw. Schwerpunkte oder alle Schularten betreffen, oder der Informatikunterricht kann in einer, in mehreren oder in allen Jahrgangsstufen stattfinden. Informatische Inhalte können zudem als eigenständiges Fach, im Rahmen eines interdisziplinären Fachs oder in Form fächerübergreifenden Unterrichts vermittelt werden. In zwei Bundesländern – in Bremen und Hessen – existiert keinerlei Angebot für informatische Bildung im Sekundarbereich I. In neun Bundesländern wird Informatik ausschließlich nur im Wahlpflicht- und Wahlbereich angeboten. Lediglich in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Baden-Württemberg, Bayern und im Saarland gibt es verbindlichen Informatikunterricht in der Sekundarstufe I. Hier sind jedoch z. T. enorme Unterschiede in der Breite des Angebots bezogen auf die Jahrgänge und die betroffenen Schulformen auszumachen. Mecklenburg-Vorpommern ist seit 2019 das einzige Bundesland, in dem verbindlicher Informatikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler durchgängig in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 stattfindet. Sachsen hat als erstes Bundesland 1992 ein Pflichtfach Informatik eingeführt und dies seit 2017 für alle Schularten verbindlich in den Klassenstufen 7–10 ausgeweitet.

Anders ist die Situation in der Sekundarstufe II. Dies ist durch stärkere KMK-Vorgaben als für die Sekundarstufe I begründet. Informatik kann in allen Bundesländern auf grundlegendem Anforderungsniveau belegt und als Prüfungsfach gewählt werden. In den meisten Fällen (mit Ausnahme von Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt) ist Informatik als Fach auf erhöhtem Anforderungsniveau wählbar. Im Rahmen einiger länderspezifischer Regelungen ist Informatik in Niedersachsen Sachsen und Thüringen hinsichtlich der Belegungsverpflichtungen in der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe sowie als Abiturprüfungsfach den naturwissenschaftlichen Fächern gleichgestellt.

In der Studie sind bereits Hinweise enthalten, welche Beschlüsse es in den Ländern für die zukünftige Gestaltung der informatischen Bildung und insbesondere des Pflichtfaches Informatik gibt. Die GI wird die Entwicklung der informatischen Bildung in einem Informatikmonitor veröffentlichen und ständig aktualisieren. Und wer sich im Detail über den Informatikmonitor informieren möchte, kann dies am Montag, dem 15. März ab 18:00 Uhr live in einem GI-Webtalk tun: https://gi.de/veranstaltung/gi-webtalk-informatikbildung-in-deutschland-stand-und-aktuelle-entwicklung.

Dieser Beitrag wurde verfasst von Richard Schwarz und Lutz Hellmig (beide Uni Rostock) sowie Steffen Friedrich (TU Dresden). Vielen Dank.

GI-MELDUNGEN

INFORMATIK 2021: Call for Paper veröffentlicht. Der Call for Paper für die gut 30 Workshops der INFORMATIK 2021 ist veröffentlicht. Bis zum 30. April können Beiträge für Workshops zu den Oberthemen Nachhaltigkeit & Umweltinformatik, Sicherheit & Zuverlässigkeit, KI-Systeme, Software- und Informationssysteme, Digitale Kompetenz & Digitale Bildung und Normung, Standardisierung & Testung eingereicht werden. Wir freuen uns auf viele spannende Papiere.  weiterlesen

Neues Informatik Spektrum erschienen. Das neue Informatik Spektrum ist da und und beschäftigt sich mit dem Thema „Digitale Kunst“. Der erste Träger der Klaus-Tschira-Medaillen, Frieder Nake, setzt Algorithmen in Bezug zu Kunst, es wird über digitale Poesie sinniert und darüber, wie man digitale Kunst aus Sicht von Museen archivieren kann. Im Volltext lesen Sie das Spektrum über unsere Digitale Bibliothek.  weiterlesen

Der Beirat für den wissenschaftlichen Nachwuchs (WiN) sucht Verstärkung. Der Beirat WiN ist der Ansprechpartner bei Fragen rund um den wissenschaftlichen Nachwuchs. Dazu zählen u.a. Doktorandinnen/Doktoranden, Postdocs, Nachwuchsgruppenleiter und Juniorprofessoren bzw. der sogenannte wissenschaftliche Mittelbau im Allgemeinen. Er sucht zur Verstärkung und Ausdehnung seiner Aktivitäten neue Kräfte, Menschen die sich in den genannten und damit verwandten Themenbereichen engagieren wollen.  weiterlesen

GI-Junior-Fellows gesucht. Die GI-Junior-Fellows besetzen innerhalb der GI mittlerweile viele herausragende Positionen und wirken so an der Arbeit an und mit der GI mit. Sie finden sich in Vorstand und leiten die GI-Radar-Redaktion, geben LNI-Reihen heraus, initiieren eigene Projekte und mischen das Präsidium auf. Wir sind auf der Suche nach jungen Informatik-Talenten, die sich bereits profiliert haben und daran interessiert sind, in der GI aktiv mitzumachen. Bewerbungs- bzw. Nominierungsschluss ist der 25. Mai.  weiterlesen

 

Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Letzte Woche fand die GI bei heise Erwähnung mit ihrer von der Jungen GI ausgerichteten BYTE Challenge und im Gaming- und Technikblog Basic Tutorials, der auf die Kritik der GI an der Steuer-ID verweist. Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues.

FUNDSTÜCK

Nicht normal genug für den Algorithmus. Die Covid19-Pandemie zwingt uns zu unkonventionellen – häufig leider auch unüberlegten – Schritten. So beschloss letztes Jahr die Regierung von Großbritannien, an den weiterführenden Schulen die Abschlussprüfungen ausfallen zu lassen. Die Abschlussnoten sollten stattdessen mit einem Algorithmus auf Basis der bisherigen Zensuren und einer Einschätzung der jeweiligen Lehrkräfte festgelegt werden. Da die landesweite Notenverteilung dabei kaum von der Notenverteilung des Vorjahres abwich, waren die Entscheider sehr erleichtert – das Experiment mit dem Algorithmus schien geglückt. In den Schulen kam es jedoch zu dramatischen Szenen. Ungerecht bewertet fühlten sich vor allem Schülerinnen und Schüler, die sich außerhalb der Norm bewegten – etwa weil sie sich im letzten Schuljahr erheblich verbessert hatten. Unser Fundstück erzählt die Geschichte dieses Fiaskos anhand eines Schülers, der für seine gerechte – menschliche – Bewertung kämpfen musste.    Zum Fundstück (The Guardian, 30 min., engl.)

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 282 des GI-Radars. Zusammengestellt hat sie Dominik Herrmann, der Ihnen versichert, dass Algorithmen bei der Auswahl der Beiträge dieser Ausgabe nichts zu melden hatten. Die Mitteilungen und Meldungen hat GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 26. März 2021.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.