GI-Radar 273: Usable Safety & Security

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in den Kurzmitteilungen zeigen wir Ihnen heute, wie Erstsemester ihr Studium zum Winter digital starten müssen und weshalb es der EU an Open Source-Technologien fehlt. Das Thema im Fokus beschäftigt sich mit der Sicherheit computerbasierter Lösungen und erklärt, warum Sicherheit alleine nicht ausreicht. In den GI-Mitteilungen geht es um die Auszeichnungen der diesjährigen Fellows und der Preisträgerin der Klaus-Tschira- Medaille sowie um einen Rückblick auf die GI-Jahrestagungen der letzten 50 Jahre. Unser Fundstück diskutiert, ob es möglich ist, dass Künstliche Intelligenz ein eigenes Bewusstsein entwickelt und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, bevor es soweit ist.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!

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wenig Geld für Spitzenforschung + zu wenig Open Source + souveräne Mediennutzung + Vorratsdatenspeicherung + Erstsemester leiden unter digitaler Lehre + Benutzbarkeit und Sicherheit + GI-Fellows ernannt + Klaus-Tschira-Medaille an Christiane Floyd + 50 GI-Jahrestagungen + informatiCup2021 + Studie zur digitalen Souveränität + Internet Governance Forum + Podcast: Selbstbewusste KI

KURZMITTEILUNGEN

Wenig Geld für Spitzenforschung (ZEIT). Dass Deutschland in der IT abgehängt wird oder bereits ist, wird allenthalben beklagt. Nun hätte es theoretisch Geld geben können von der Regierung, beispielsweise für Quantencomputer, aber das taucht plötzlich im Finanzplan nicht mehr auf.  weiterlesen

Open Source-Technologien fehlen in der EU (heise). Julia Reda, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments, beklagt das Fehlen langfristig angelegter Förderstrukturen für Open Source-Technologien in der EU. Wichtig sei hier insbesondere die Überprüfbarkeit der Software.  weiterlesen

Souveräne Mediennutzung lernen (Deutschlandfunk). Was sich in der derzeitigen Pandemiesituation auf der einen Seite als hilfreich herausgestellt hat, kann in anderen Kontexten Schwierigkeiten bereiten. Von der produktiven zur abhängigen Seite der Nutzung digitaler Medien ist es manchmal nur ein kleiner Schritt.  weiterlesen

Deutsches Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung könnte kippen (SZ). Im Europäischen Gerichtshof gibt es Klagen gegen verschiedene Länder, die ein Überdenken auch des deutschen Gesetzes erfordern.  weiterlesen

Erstsemester leiden unter digitaler Lehre (FAZ). Im Herbst beginnt das zweite, digitale Semester. Während die Hochschulen im Frühjahr noch nahezu unvorbereitet in die digitale Lehre gegangen sind, gibt es jetzt digitale Lehrpläne als Ersatz. Aber das digitale Frühstück ersetzt aus Sicht der Erstsemester nicht das normale Studierendenleben.  weiterlesen

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THEMA IM FOKUS

Benutzbare Sicherheit und sichere Nutzbarkeit. Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit computerbasierter Lösungen werden in Zeiten allgegenwärtiger Mensch-Computer-Interaktion (GI) zu entscheidenden Faktoren für individuelle Teilhabe und gesamtgesellschaftliche Prozesse. Ihr Verhältnis wird dabei oftmals als Spannungsfeld oder gar als Widerspruch beschrieben (Guardian).

Dabei kann zunächst einmal zwischen Betriebssicherheit im Sinne des Schutzes der Nutzenden und anderer betroffener Personen vor unbeabsichtigten Fehlhandlungen von vom Schutz der technischen Komponenten vor Angriffen unterschieden werden. Diese im englischen Sprachraum mit Safety und Security bezeichneten Sicherheitsperspektiven wurden traditionell von verschiedenen Communities fokussiert. Dies hat einerseits zur Folge, dass viele sicherheitskritische Benutzungsschnittstellen und Sicherheitsmechanismen zwar aus rein funktionaler Sicht geeignet sind, aber in der Praxis falsch bzw. unzureichend genutzt werden, da sie an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der jeweiligen Zielgruppen vorbei entwickelt wurden. Andererseits kümmern sich Nutzende oftmals nicht genügend um Sicherheitsaspekte im Zusammenhang mit interaktiven Systemen.

Veranschaulichen lässt sich die grundsätzliche Problematik am Beispiel von Passwörtern. Fragen nach dem wohin mit „stapelweisen[n] Passwörtern[n]“ (golem) sowie regelmäßige, ernüchternde Veröffentlichungen zu den beliebtesten Varianten (Spiegel) verdeutlichen gleichermaßen mangelndes Sicherheitsbewusstsein der Nutzenden als auch unzureichende technische Lösungen. Dies gilt, nebenbei gesagt, nicht nur für die breite Öffentlichkeit, sondern auch für Angestellte in sicherheitskritischen Kontexten wie beispielsweise der unbefugte Zugriff auf Dokumente des US-Militärs verdeutlicht (NordVPN).

Datenschutz und Privatsphäre sind weitere Themenkomplexe, an denen sich die Zusammenhänge von Sicherheit, sowohl im Sinne von Safety als auch Security, sowie Gebrauchstauglichkeit verdeutlichen lassen. Ob im Zusammenhang mit zunehmender Heimarbeit und virtueller Lehre notwendige Kompromissen hinsichtlich dieser Punkte bei Videokonferenzsystemen bedauert (Guardian) oder elektronische Patientenakten im Gesundheitswesen kontrovers diskutiert werden (t3nDAZ); es wird deutlich, dass Akzeptanz und Gebrauchstauglichkeit sowie Safety und Security zwei Seiten einer Medaille sind. 

Unter Bezeichnungen wie „Usable Safety & Security“ wird Sicherheit im Zusammenhang mit computerbasierten Lösungen zunehmend unter umfassender Berücksichtigung von Mensch, Technik und Organisation betrachtet. Übergeordnetes Ziel ist aufzuzeigen, dass Sicherheit, im Sinne von Safety und Security, und Gebrauchstauglichkeit keine Widersprüche darstellen, sondern sich vielmehr (positiv) bedingen. Dies gilt beispielsweise für die Gestaltung von Alarmmeldungen im Zusammenhang mit ungewöhnlichen Kontoaktivitäten (Google).

Im Fokus des Schwerpunkts Usable Security stehen die Nutzbarkeit der Sicherheitskonzepte selbst sowie Konzepte zur Steigerung des Sicherheitsbewusstseins der Nutzenden (Technische Hochschule Köln). Das Themenfeld Usable Safety adressiert die Mensch-Computer-Interaktion in sicherheitskritischen Kontexten, wie in Leitwarten, der Medizin (FDA), im Katastrophenschutz oder im Automobil, sowohl unter Berücksichtigung möglicher Bedrohungsszenarien als auch im Sinne der funktionalen Sicherheit.

Dieser Artikel wurde von Tilo Mentler, Christian Reuter und Simon Nestler verfasst. Sie bilden das Leitungsgremium der Fachgruppe „Usable Safety & Security“ im Fachbereich Mensch-Computer-Interaktion der Gesellschaft für Informatik. Für den weiteren Austausch zu Themen von Gebrauchstauglichkeit und Sicherheit stehen wir gerne zur Verfügung (Kontakt zum Sprecher der Fachgruppe: mentler@hochschule-trier.de).

GI-MELDUNGEN

GI-Fellows 2020 ernannt. Im Rahmen der INFORMATIK 2020 sind vier neue Fellows ausgezeichnet worden. Der Auswahlausschuss unter Past President Peter Liggesmeyer hat aus der Vielzahl der Vorschläge vier Personen ausgewählt, die in Karlsruhe und Berlin ausgezeichnet worden sind. Und das sind sie: Susanne Boll, Wieland Holfelder, Andreas Oberweis und Simone Rehm.  weiterlesen

Christiane Floyd mit Klaus-Tschira-Medaille ausgezeichnet. GI-Präsident Hannes Federrath hat anlässlich der INFORMATIK 2020 Christiane Floyd mit der Klaus-Tschira-Medaille ausgezeichnet. Christiane Floyd gilt auf vielen Gebieten als Vorreiterin und Vorbild. Sie war die erste Informatikprofessorin in Deutschland und hat sich von Anbeginn an für Frauen und ethisches und verantwortliches Verhalten in der Informatik eingesetzt.  weiterlesen

50 GI-Jahrestagungen in Wort und Bild. GI-Fellowsprecher Peter Lockemann hat die GI-Jahrestagungen lückenlos dokumentiert. In akribischer Kleinarbeit hat er Kommentare, Bilder und Berichte zu allen GI-Jahrestagungen zusammengetragen und in eine bunte und lebendige Publikation gegossen.  weiterlesen

informatiCup2021 gestartet. Auf der INFORMATIK 2020 ist mit der Veröffentlichung der Wettbewerbsaufgabe der Startschuss für den informatiCup 2021 gefallen. Bis zum 30. November kann man sich anmelden, Mitte Januar müssen die fertigen Lösungen abgegeben werden. Details zum Wettbewerb hinter dem Link.  weiterlesen

Studie zur digitalen Souveränität: Mitmachen! Das Lesen von Datenschutzrichtlinien empfinden die meisten Menschen als lästig. Die Folge – niemand liest sie. Könnte dies aber versteckte Nachteile mit sich bringen oder sogar dazu führen, dass sensible Daten erhoben und genutzt werden, obwohl das nicht gewünscht ist? Gemeinsam mit der Stiftung Digitale Chancen, Garmin Würzburg GmbH, RWTH Aachen, Universität Bremen und der Otto-Friedrich-Universität Bamberg geht die GI dieser Frage im Projekt InviDas mittels einer Umfrage nach.  weiterlesen

Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen mit GI-Beteiligung. Vom 2. bis 17. November 2020 findet das Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen zum ersten Mal virtuell statt. Die GI ist vertreten mit dem Format Youth & Sustainability: Creating change through collaboration am 16. November, in dem diskutiert wird, welchen Stellenwert digitale Nachhaltigkeit in verschiedenen Teilen der Welt hat und wie junge Menschen den Diskurs beeinflussen. Noch bis zum 26. Oktober kann man sich registrieren.  weiterlesen

 

Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Beispielsweise hat heise.de über die Warnung der GI vor Verkauf von ARM an einen amerikanischen Konzern berichtet, und der Deutschlandfunk hat GI-Präsident Hannes Federrath zur Frage der Digitalisierung im Rahmen der INFORMATIK 2020 interviewt. Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues oder auch ältere Fundstücke.

Angebot unseres Medienpartners Tagesspiegel: Für einen verlängerten Bezugs-Zeitraum von 6 Wochen stellt der Tagesspiegel GI-Mitgliedern seinen Background Digitalisierung und KI kostenlos zum Testen zur Verfügung. Im Anschluss des Probebezuges gibt es die Möglichkeit, das Briefing zu vergünstigten Konditionen für ein Jahr zu beziehen.   Zum Angebot

FUNDSTÜCK

Podcast: Selbstbewusste KI. Das Themengebiet der Künstlichen Intelligenz wirft die unterschiedlichsten Fragen auf. Zum Beispiel, ob Künstliche Intelligenz ein Bewusstsein entwickeln kann und wie das funktionieren könnte. In unserem Fundstück, dem Wissenschaftspodcast „Selbstbewusste KI“, begibt sich Prof. Dr. Karsten Wendland in 12 Gesprächen auf die Suche nach möglichen Antworten. Reinhören lohnt sich!  Zum Fundstück (ki-bewusstsein.de)

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 273 des GI-Radars. Zusammengestellt hat sie Dominik Herrmann, der dabei von GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter unterstützt wurde. Das Fundstück hat die Redaktion Sozioinformatik der GI beigesteuert. Die GI-Mitteilungen hat GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 30. Oktober 2020.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.