GI-Radar 186: Das NetzDG geht zu weit

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

dass über das Internet auch Unwahrheiten und verbotene Inhalte verbreitet werden, lässt sich kaum verhindern. Die Bundesregierung will mit dem jetzt auf den Weg gebrachten „NetzDG“ die Plattformbetreiber in die Pflicht nehmen. Doch dieses Gesetz schießt über das Ziel hinaus. Es führt zu einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Da die betroffenen Unternehmen keinen Anreiz für eine fundierte Analyse haben, ist zu befürchten, dass sie einfach alle beanstandeten Inhalte löschen werden. Mehr dazu lesen Sie in den Kurzmitteilungen und in den GI-Meldungen.

Wir wünschen Ihnen trotzdem viel Spaß bei der Lektüre!

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NetzDG + Rentberry + Datensammlung in Windows 10 + Verlag testet „Pay What You Want“ + CIA umgeht Virenschutz + Ist Live-Streaming Rundfunk? + Blockchain + Fake News + Digitale Bildung + AK Computational Social Science + Empfehlungen für WI-Studium + Effektive Grußformeln

KURZMITTEILUNGEN

Umstrittenes Netzwerkdurchsetzungsgesetz (heise). Anbieter sollen dazu verpflichtet werden, Hasskommentare, Falschmeldungen, Pornographie und andere unerwünschte Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen. Kritiker befürchten Kollateralschäden bei Meinungsfreiheit und Anonymität im Netz.  weiterlesen

Startup krempelt Wohnungsmarkt um (gizmodo). Der US-amerikanische Anbieter Rentberry will mit einer fragwürdigen Innovation die Wohnungssuche optimieren. Der Mietpreis wird dabei in einer Auktion in die Höhe getrieben.  weiterlesen

Microsoft dokumentiert erstmals Datensammlung in Windows 10 (heise). Der Konzern reagiert auf die anhaltende Kritik mit mehr Transparenz. Allerdings muss man bei einer Neuinstallation immer noch alle Übertragungen von Hand deaktivieren.  weiterlesen

Wissenschaftsverlag erprobt „Pay What You Want“ (Telepolis). Im Surgery-Journal des Thieme-Verlags können Autoren den Preis für die Veröffentlichung ihres Beitrags selbst festlegen. Nun gibt es erste Erfahrungswerte.  weiterlesen

Was die CIA über Ihr Antivirenprogramm denkt (AP). Das Vault7-Datenleck enthüllt: Der amerikanische Geheimdienst kann gängige Virenscanner aushebeln und dadurch unbemerkt IT-Systeme übernehmen.  weiterlesen

THEMEN IM FOKUS

Sind deutsche Live-Videostreamer Rundfunkanbieter? Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten hat den Streamingkanal PietSmietTV aufgefordert, eine Rundfunklizenz zu beantragen – sonst drohe dessen Einstellung. PietSmietTV ist aus Sicht der ZAK ein Rundfunkangebot ohne Zulassung  (ZAK). Der Kanal läuft auf der Plattform Twitch.tv und zeigt rund um die Uhr „Let’s Plays“, die das Spielen von Games zeigen. Offenbar soll an Piet Smiet ein Exempel statuiert werden. Prinzipiell sind alle deutschen, regelmäßigen und redaktionell aufbereiteten Live-Streams mit mehr als 500 potentiellen Zuschauern betroffen (golem). Auch wenn dadurch nur die geltende Rechtslage umgesetzt wird, ist es ein Paradigmenwechsel (FAZ). Die Medienanstalten haben sich bei Livestreams bisher zurückgehalten. Der jetzige Fall entflammt die Diskussion im Jahr der Bundestagswahl. In der Pressemitteilung des ZAK heißt es dazu vom Vorsitzenden der ZAK, Siegfried Schneider: „Das Netz ist voll von rundfunkähnlichen Angeboten. Daher sollte es hier zeitnah zu einer Anpassung der Gesetze kommen“.

Alle reden über Blockchain. Die digitale Internet-Währung Bitcoin wurde 2008 vorgestellt (Paper). Das zugrundeliegende Konzept, die Blockchain, erzeugte schon bald Phantasien für alle möglichen Anwendungen. Mit Bitcoin kann man nicht nur anonym bezahlen – das kannte man schon von David Chaums DigiCash (Forbes, 7 min), in gewisser Weise auch von der GeldKarte. Die Innovation der Blockchain ist die dezentrale Vertrauensverwaltung. Man braucht keine Bank mehr, die die Transaktionen verwaltet und die dahinter liegenden Werte schützt. Gleichzeitig sind Blockchains mithilfe kryptographischer Signaturen und Hashketten gegen nachträgliche Manipulationen sicher (technisches Einführungsvideo, engl., 22 min). Anonym, dezentral und sicher – diese drei Eigenschaften treiben den Hype: Führungskräfte aller Branchen reden sich die Köpfe heiß, ob Blockchain nicht die nächste technologische Revolution auslösen wird, die man keinesfalls verpassen dürfe. Inzwischen gibt es u.a. Ideen für die öffentliche Verwaltung, Energiewirtschaft und Logistik, Medizin und Lebensmittelüberwachung. Ob das aber alles tragfähig ist und ob Blockchain überhaupt die modernen Datenschutzanforderungen erfüllen kann, ist keineswegs sicher.

Die GI-Fachgruppe ECOM (E-Commerce) veranstaltet zusammen mit dem Fraunhofer-Institut SIT und der Zeitschrift Datenschutz und Datensicherheit (DuD) am 20. April einen Blockchain-Arbeitsworkshop in Darmstadt (Fraunhofer SIT). Die Erkenntnisse daraus werden in einem DuD-Schwerpunktheft und anschließend auf einem CAST-Anwenderworkshop am 26. Oktober vorgestellt (CAST-Forum).

GI-MELDUNGEN

„Fake news“ und Hasstiraden im Netz: eine Stellungnahme. Der GI-Fachbereich „Informatik und Gesellschaft“ spricht sich in seiner Stellungnahme für bessere Aufklärung und Strafverfolgung und gegen die Beschneidung von Freiheitsrechten aus.  weiterlesen

Mehr Anstrengungen in der digitalen Bildung. Bei einem parlamentarischen Abend in Kooperation mit dem nationalen MINT-Forum forderte die GI mehr Anstrengungen in der Digitalen Bildung. Ausgangspunkt war das Papier „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“ des BMBF.  weiterlesen

Neuer AK „Computational Social Science“. Der Arbeitskreis untersucht unter Zuhilfenahme von Informatikmethoden gesellschaftliche Phänomene. Mitarbeit erwünscht!  weiterlesen

Neue Empfehlungen für das Wirtschaftsinformatik-Studium. Das GI-Präsidium hat auf seiner letzten Sitzung neue Handreichungen für die Ausgestaltung von WI-Bachelor- und Masterstudiengängen verabschiedet. Darin definiert sie unter anderem die grundlegenden Ausbildungsziele des Studiums.  weiterlesen

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FUNDSTÜCK

Welche Grußformel in einer Email führt am ehesten zu einer Rückmeldung? Dieser Frage ist der Mail-Anbieter Boomerang in einer Studie mit mehr als 350.000 E-Mails nachgegangen (der Source-Code ist auf Github verfügbar). „Cheers“ schnitt dabei beispielsweise deutlich besser ab als „Regards“. Viel spannender ist aber dieses Ergebnis: Hatte sich der Absender beim Empfänger direkt vor der Grußformel bedankt, bekam er mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit eine Antwort. Zu diesem Ergebnis kam schon eine Studie, die vor sieben Jahren in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht worden ist.  Zur Meldung (boomerangapp.com)

Welchen Text fanden Sie zuletzt nützlich, welcher Text hat Sie inspiriert? Senden Sie uns Ihre Fundstücke!

 

Dies war Ausgabe 186 des GI-Radars. Den Erkenntnisgewinn aus dem Fundstück wenden wir gleich an: Verehrte Leserin, verehrter Leser, vielen Dank für das Lesen dieses GI-Radars! Vielen Dank für Ihre zahlreichen Rückmeldungen, über die wir in einer der nächsten Ausgaben berichten werden.

Gespannt auf den Rücklauf zu dieser Ausgabe sind nun die GI-Junior-Fellows Dominik Herrmann und Kalman Graffi, die diese Ausgabe betreut haben, sowie Rüdiger Grimm, der das Fokusthema zur Blockchain vorbereitet hat. Die GI-Mitteilungen hat wie immer GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengestellt. Das nächste GI-Radar erscheint dann nach Ostern am 21. April 2017.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr (redaktion@gi-radar.de). Ihre Links und Texte können Sie uns auch auf Twitter (@informatikradar) oder Facebook zukommen lassen.

Ihre Meinung ist gefragt! Das neue GI-Radar sieht anders aus und setzt andere Schwerpunkte. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Daher bitten wir Sie auch diese Woche noch einmal herzlich, uns drei kurze Fragen zu beantworten: Zur Umfrage bei SurveyMonkey