Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
in dieser Ausgabe geht es an mehreren Stellen um Sicherheitsprobleme, unter anderem in den Kurzmitteilungen und im Fundstück. Das Thema im Fokus dreht sich um das Problem einer angemessenen Regulierung von Internetplattformen. In den GI-Mitteilungen stellen wir Ihnen erste Überlegungen vor, wie Aktivitäten der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in der GI sichtbarer werden können.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!
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Regulierung der Tech-Konzerne + Schwachstellen finden + Urheberrechtsreform + Rechner als Geldanlage + Informatik-Master notwendig? + Schwachstellen-Datenbank für Open-Source-Software + Schwierigkeit der Plattformregulierung + Videos der INFORMATIK 2020 + Tools für Kaffeepause + Digital Health erklärt + HAWs in der GI + Sicherheitsvorfälle im US-Gesundheitswesen
KURZMITTEILUNGEN
Geht es jetzt den großen Tech-Konzernen an den Kragen? (SZ) Allenthalben sorgen sich die Menschen um die Monopolstellungen und die Macht der großen Tech-Konzerne – auch wenn ein Großteil der Bevölkerung immer noch in den beherrschenden sozialen Netzwerken aktiv ist, über die bekanntesten Plattformen einkauft und mittels der populärsten Suchmaschine sucht. Länder und Regionen haben begonnen, Regelwerke zu schaffen, um eine Ausweitung der Macht zu begrenzen. Wie dies aussieht, erläutert Heike Schweitzer von der HU Berlin. weiterlesen
Schwachstellen aufspüren gegen Belohnung (NZZ). Schwachstellen in Software und auf Webseiten sind die Horrorvision einer jeden Institution. Manches Mal werden vor dem Live-Betrieb sogenannte Penetrationstests vorgeschaltet, manche Lücke zeigt sich aber erst im Betrieb. Das Aufspüren und Melden von Sicherheitslücken ist inzwischen ein lukratives Geschäftsmodell. weiterlesen
Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform (ZEIT). Das Kabinett hat einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrefom in nationales Recht verabschiedet. Um diese Reform wurde lange gestritten: wessen Rechte zählen wie viel. Die Umsetzung ist ein Kompromiss, der qua Definition eines Kompromisses die Erwartungen einzelner Gruppen enttäuscht. weiterlesen
Rechner als Anlageobjekt? (FAZ). Der Rechner ist zum tägliche Arbeitsinstrument der wahrscheinlich meisten GI-Mitglieder geworden. Als Geldanlage dürften ihn jedoch die Wenigsten betrachten. Dass dies auch anders kommen kann, zeigt eine Auktion: derzeit wird auf einer entsprechenden Plattform ein Liebhaberstück für 1,5 Millionen Dollar gehandelt – und das ist kein Einzelfall. weiterlesen
Lohnt sich der Informatik-Master? In finanzieller Hinsicht eher nicht (Golem). Ein grundständiges Informatikstudium - erst als Diplom, später als konsekutives Studium mit Bachelor und Master - galt lange Zeit als erste Wahl. Für viele Tätigkeiten reicht jedoch bereits ein Bachelor. Auch im Gehalt macht sich der Unterschied zwischen Bachelor und Master auf lange Sicht kaum mehr bemerkbar. Ein Beitrag, der nachdenklich macht. weiterlesen
Datenbank zu Softwareschwachstellen (heise). Viele IT-Systeme greifen heute auf Software-Bibliotheken zurück, die unter einer Open-Source-Lizenz stehen und von Freiwilligen betreut werden. Bislang müssen sich Systembetreiber mühsam in verschiedenen Quellen über Sicherheitslücken in den benutzten Open-Source-Projekten informieren. Dies ist fehlerträchtig und zeitaufwändig. Eine neue Datenbank soll diese Arbeit einfacher machen. weiterlesen
THEMA IM FOKUS
Plattformregulierung. Der Umgang mit großen sozialen Netzwerken und deren Regulierung ist schon seit Jahren ein Thema, das immer wieder durch die Medien geht. Wirft man aber einen Blick auf die Häufigkeit der Berichterstattung, wird schnell deutlich, dass diese in kurzer Zeit fast schon exponentiell zugenommen hat. Und spätestens seit der Corona-Krise ist die Forderung der Regulierung großer Tech-Konzerne, die oftmals, aber eben nicht immer, mit globalen sozialen Netzwerken gleich zu stellen sind, zunehmend lauter geworden.
Dabei sind das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG, bmjv.de) und das Gesetzespaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität (bundesregierung.de) nur einige Bausteine, denn die EU legte im Dezember 2020 zwei neue Gesetzentwürfe vor, die sich in Zukunft der so genannten „Plattformregulierung“ annehmen sollen: der Digital Markets Act (DMA) und der Digital Services Act (DAS, europa.eu, engl.). Damit soll Europa für das „digitale Zeitalter“ gerüstet werden, indem „die digitale Souveränität und eigene Standards“ ausgebaut werden. Und spätestens an diesem Punkt zeigt sich, dass die Plattformregulierung eben doch viel mehr ist als nur darüber zu entscheiden, ob bestimmte Postings von Nutzern veröffentlicht werden dürfen oder zu löschen sind, denn es geht um die Bewahrung der viel (und immer häufiger) zitierten digitalen Souveränität.
Freilich, „digitale Souveränität“ ist für viele mittlerweile schon ein Modewort, denn weder gibt es eine juristische Definition davon, noch ist es bislang gelungen, die zahlreichen diskutierten Aspekte, die davon umfasst sind, unter einen Hut zu bringen. Genau das ist es aber, was mit aktuellen Ansätzen zur rechtlichen Regulierung von Plattformen versucht wird, nämlich die „eierlegende Wollmilchsau“ zu schaffen (heise). Dabei wird aber vielfach vergessen, dass die hinter der Plattformregulierung stehenden Fragen und Probleme eigentlich viel komplexer sind.
Allein die rechtliche Betrachtung erschöpft sich nämlich nicht darin, dass allein der Staat zwingende Vorgaben macht, die dann von Unternehmen zu berücksichtigen sind, wie es z.B. für einige wettbewerbsrechtliche Anforderungen der Fall ist. Auch das Verhältnis zwischen dem Netzwerkbetreiber und dem Nutzer ist zu betrachten, denn zwischen beiden besteht regelmäßig ein Vertrag, in dessen juristische Bewertung ebenso die grundrechtlichen Erwägungen einfließen müssen, vor allen Dingen die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit, die in einer auf offener Partizipation aufbauenden Gesellschaft einen hohen Stellenwert genießt (justiz.nrw.de). Und spätestens seit den Wahlmanipulationsvorwürfen zur US-Präsidentschaftswahl 2016 (Wikipedia, engl.) und der von der EU-Kommission für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 gestarteten Kampagne gegen unzulässige Wahlbeeinflussung (europa.eu, engl.) dürfte endgültig klar sein, dass die Debatte um die Plattformregulierung einen viel weiter gefassten Horizont hat.
Letzten Endes stellt sich die Frage, was genau reguliert werden soll – und hier vermisst man bei aller Regelungsaktivität, die sich in der letzten Zeit manifestiert hat, noch eine klare Linie. Ist es die Angst, dass das Internet früher oder später unkontrollierbar wird, und wir im digitalen „Wilden Westen“ leben? Oder geht es darum, dass sich Datenplattformen mehr und mehr zu monopolisieren scheinen? Oder wollen wir in erster Linie doch den Verbraucher davor schützen, dass er in einer „Filterblase“ lebt, in der ihm nur die Informationen zugänglich gemacht werden, die Algorithmen gesteuert seinem Geschmack entsprechen und ihn zu weitestgehend willenlosem Konsum und zu fremdgesteuerten politischen Entscheidungen anleiten? Und die wichtigste Frage: Wo beginnt und wo endet eine unzulässige Beeinflussung, und wer soll darüber entscheiden dürfen? Denn wenn man konsequent sein wollte, müssten auch personalisierte Werbung und Webtracking verboten werden, womit den allermeisten der gängigen Plattformen das Geschäftsmodell entzogen sein dürfte. Und das, obwohl viele User nur allzu bereitwillig personenbezogene Daten preisgeben. Das kann und sollte folglich nicht das Ziel einer sinnvollen Plattformregulierung sein. Darüber hinaus vermag auch die Bereitstellung einer staatlichen Plattform diese Probleme nicht zu lösen, denn unabhängig von der Frage, ob Nutzer diese überhaupt in Anspruch nehmen, dürfte vielmehr immer der unausgesprochene Vorwurf im Raum stehen, dass der Staat kaum quasi automatisiert darüber bestimmen kann und darf, welche Meinung in einer demokratischen Gesellschaft mitteilungswürdig ist – und welche doch besser gelöscht oder gar nicht erst gepostet werden sollte.
Wie man es somit auch dreht und wendet: die rechtliche Regulierung von Plattformen bleibt trotz der gegenwärtigen Anstrengungen ein Dilemma. Zum einen existiert ein buntes Kaleidoskop der verschiedensten Probleme mit unterschiedlichsten Hintergründen, und zum anderen werden angesichts der global agierenden Unternehmen rein nationale Regulierungsansätze zunehmend in ihrer Effektivität beschränkt. Zwar könnte in der Dezentralisierung von Plattformen ein Schlüssel liegen, die Erfahrung hat aber gezeigt, dass sich solche Modelle in der Vergangenheit nur schwer durchsetzen konnten. Ganz allgemein gilt dabei für jede Gesetzgebung zur Plattformregulierung: Der Staat muss den hohen Wert der Meinungsfreiheit achten, den diese als grundrechtlich geschütztes Gut genießt. Das bedeutet zwangsläufig auch, dass Meinungsäußerungen nur in Ausnahmefällen reguliert werden können – und dass nicht jede Meinung, die im Zweifel auch erheblich von der Norm abweicht, verboten werden kann, denn auch unbequeme Meinungen gehören zum Wesen einer Demokratie (theatlantic.com, engl.).
Diesen Beitrag hat Dennis-Kenji Kipker verfasst, der sich u.a. im Vorstand der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz engagiert.
GI-MELDUNGEN
Videos zur INFORMATIK 2020. Nachdem das Jahr 2020 als Jahr für Tagungen vor Ort nahezu komplett ausgefallen ist, stellen wir Ihnen jetzt die Videos der letztjährigen Jahrestagung INFORMATIK 2020 vor. Damit können Sie vielleicht ein wenig Nostalgie (und Vorfreude auf die nächsten, physischen) Tagungen kultivieren. weiterlesen
Kaffeepausen in Pandemie-Zeiten? Ideen? A propos Tagungen: was viele von uns im Berufsleben anscheinend besonders vermissen, sind die Kaffeepausen. Und zwar eher nicht den Kaffee, sondern den informellen Austausch in kleiner Runde und das sogenannte Netzwerken. Mittlerweile gibt es Einiges an Tools, aber wir kennen sicher nicht alle – und vor allem nicht Ihre Erfahrungen damit. Wenn Sie ein besonders spannendes Tool kennen, schicken Sie es uns, gepaart mit Ihrer persönlichen Einschätzung. Wir sammeln, damit wir bei den nächsten Tagungen ganz viele lebendige Kaffeepausen anbieten können. Gerne per E-Mail: redaktion@gi-radar.de.
Was ist eigentlich Digital Health? Was früher der „Einsatz von IKT im Gesundheitswesen“ war, wird heute mit dem Schlagwort „Digital Health“ benannt. Die GI-Fachgruppe „Digital Health“ hat sich an eine Definition gewagt, was das Modewort Digital Health eigentlich bedeutet. weiterlesen
HAWs in der GI stärken. Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) sind in der GI-Öffentlichkeit häufig nicht sichtbar, obwohl sie ebensoviel Nachwuchs ausbilden wie die Universitäten. Dies will der HAW-Beirat ändern und hat erste Gedanken dazu vorgestellt. weiterlesen
Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues.
FUNDSTÜCK
Sicherheitsvorfälle im US-Gesundheitswesen. Immer wieder hört man von Sicherheitsproblemen im Gesundheitssystem. Die Risiken der fortschreitenden Digitalisierung werden beim Blick in die Vereinigten Staaten deutlich. Das US-Gesundheitsministerium listet allein für die letzten 24 Monate über 1100 offene und abgeschlossene Vorfälle. Betroffen sind dort alle Bereiche des Gesundheitssystems von Krankenhäusern bis hin zu Versicherungen. Es bleibt zu hoffen, dass wir uns hierzulande auch in Zukunft nicht Hals über Kopf in die Digitalisierung stürzen und den USA nacheifern. Zum Fundstück (ocrportal.hhs.gov, engl.)
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Dies war Ausgabe 280 des GI-Radars. Zusammengestellt hat sie Dominik Herrmann, der sich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für die vielen Geburtstagsglückwünsche bedankt, die Sie uns zum Jubiläum geschickt haben. Mitteilungen und Meldungen hat GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 26. Februar 2021.
Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.
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