GI-Radar 256: Keine künstlichen Erfinder

 

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe beschäftigen wir uns unter anderem mit einer neuen Transparenz-Funktion von Facebook (Kurzmitteilungen) und der Frage, inwiefern Erfindungen einer KI patentiert werden könnten (Thema im Fokus). In den GI-Mitteilungen berichten wir aus dem GI-Präsidium, das Ende Januar in Bonn getagt hat. Unser Fundstück hilft Ihnen, Berichte über beeindruckende Ergebnisse von maschinellen Lernverfahren kritisch zu hinterfragen.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.

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Neue Transparenz bei Facebook + Fake News und deren Vermehrung + Vinton Cerf und Graffiti + Datenstrategie der EU + Open Food Facts + KI als Erfinder? + GI bei Bundestagsanhörung + Dorothea Wagner Kopf des Wissenschaftsrates + neues GI-Präsidium + Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit + Studierende im Fachbereich KI kostenfrei + Der Schein trügt: eine Frage der Genauigkeit

KURZMITTEILUNGEN

Facebook und der Fahrkartenkauf im Osten (taz). Die GI ist zwar aufgrund eklatanter Datenschutzverletzungen vor knapp einem Jahr aus Facebook ausgetreten. Dennoch ist das Netzwerk noch immer für viele ein wichtiger Bestandteil des eigenen Lebens. Eine neue Funktion erlaubt es nun herauszufinden, was Facebook außerhalb seiner eigenen Webseite alles sammelt. Wie Sie Ihre Datenspur nachverfolgen können, hat die taz recherchiert.  weiterlesen

Wie sich Fake News verbreiten und warum manche/r dafür anfällig ist (NZZ). Das Corona-Virus ist in aller Munde. Jeder weiß etwas, aber so genau weiß man gar nichts. Ob das Thema nun ein Virus ist, ein Attentat, eine Flucht aus dem britischen Königshaus: außergewöhnliche Ereignisse produzieren in Windeseile im Web Meldungen, die vorgeben, Nachrichten zu sein. Dieses Phänomen hat seit geraumer Zeit den Namen „Fake News“. Was Fake News besonders macht, wo sie herkommen und wie sie sich verbreiten, erläutert die Kommunikationswissenschaftlerin Sabrina Heike Kessler in einem Interview..  weiterlesen

Vinton Cerf im Interview: unsere Vorstellung vom Internet war eine ganz andere (ZEIT). Vinton Cerf gilt als einer der Erfinder des Internet. Er hatte seinerzeit die Vorstellung, etwas Gutes und Nützliches zu schaffen. Im Laufe der Zeit hat sich das Internet jedoch von seinen ursprünglichen Zielen entfernt. So stellt sich nun die Frage, ob und wie eine Balance zwischen „das Übel verhindern und Freiheit aufrechterhalten“ gefunden werden kann.  weiterlesen

EU-Kommission legt Datenstrategie vor (SZ). Dass die USA die Welt derzeit längst abgehängt hat, was den technologischen Fortschritt angeht, ist allseits bekannt. Wie die EU sich zumindest die Hoheit über ihre Daten sichern und in Zukunft einen „Binnenmarkt für Daten“ etablieren will, beschreibt ein Positionspapier der EU-Kommission, das Mitte Februar offiziell vorgestellt wird.  weiterlesen*

Open Food Facts: Open Source bei Lebensmitteln (golem). Während sich Landwirtschafts- und Verbraucherministerium über Lebensmittelampeln und Nutriscores streiten, haben Open-Source-Entwicklerinnen und -entwickler eine App vorgestellt, mit der sich Lebensmittel erfassen und in einen großen Datenpool einspeisen lassen. Ähnlich wie bei Openstreetmap trägt so die Gemeinschaft Daten aus dem Alltag zusammen, die anschließend allen zur Verfügung stehen.  weiterlesen*

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THEMA IM FOKUS

KI als Erfinder? Bereits in den Anfängen der Computertechnik wurde berichtet, dass Computer Künstler (Dichter, Musiker, Maler, …) sein könnten – als Urheber im Sinne des Urheberrechts gelten Computer bisher allerdings nicht (copytrack.com). Angesichts der Fortschritte im Feld KI stellt sich die Frage, ob Computer auch Erfinder sein könnten? Das Europäische Patentamt (EPA) verneinte diese Frage, da nach jetzigen Regeln nur ein Mensch Erfinder sein kann. In einer Kurzmitteilung wurde Ende 2019 darüber informiert: „EPO refuses DABUS patent applications designating a machine inventor“ (epo.org). Es ging um zwei Patentanmeldungen: die Form eines Lebensmittelbehälters und eine „Lampe“, die Lichtsignale in einer Frequenz aussendet, die beim Betrachter zu einer besonderen Aufmerksamkeit führt. Bereits im August 2019 berichtete BBC (bbc.com), dass mehrere Patentanmeldungen in den USA, in Großbritannien und beim EPA durch Stephen L. Thaler, Geschäftsführer von Imagination Engines, Inc. (USA) vorgenommen wurden. Kritische Stimmen wurden bereits geäußert. Wie wäre die Rechtslage bei Open-Source-Software? Wem gehört das eigentliche Computerprogramm? (verdict.co.uk)

Am 28.1.2020 veröffentlichte das EPA die Gründe für die Entscheidungen (epo.org), gegen die Beschwerde eingelegt werden kann. Entsprechend internationaler Rechtsstandards sind Erfinder natürliche Personen. Die Erfinderangabe ist zwingend, da daraus zahlreiche rechtliche Konsequenzen entstehen. Es reicht nicht, der Maschine einen Namen zu geben.

Für „KI-Patente“ müssen die allgemeinen Patentierungsvoraussetzungen im Rahmen sogenannter „computerimplementierter Erfindungen“ erfüllt sein. In Europa spielen hier primär Erfordernisse der Technizität eine Rolle (epo.org), in den USA darf die Erfindung keine „abstract idea“ sein. Abstrakte mathematische Verfahren, rein theoretische Überlegungen oder Anwendungen in nichttechnischen Bereichen sind nicht patentierbar. KI als Bestandteil einer Erfindung, z.B. im Bereich des autonomen Fahrens oder im Bereich der Medizintechnik (z.B. Bildverarbeitung), kann patentierbar sein (epo.org).

Themen mit Bezug zu KI und neuen Technologien werden weltweit verstärkt in verschiedensten Gremien von Industrie und Gesellschaft diskutiert. Im Bereich der Patentämter wird hier beispielhaft auf das DPMA (dpma.de), die führenden Patentämter (USPTO, EPA, JPO, KIPO, CNIPA, fiveipoffices.org) sowie auf die Weltgesellschaft für geistiges Eigentum (WIPO) verwiesen. Im WIPO Magazin 2019 veröffentlichte z.B. Prof. Ryan Abbot den Beitrag „The Artificial Inventor Project“ mit vielen Links zu weiterführenden Artikeln (wipo.int).

Diesen Beitrag hat Sabine Kruspig (Dipl.-Ing., Patentanwältin) verfasst, die u.a. Mitglied der FG Frauen und Informatik ist. Vielen Dank!

GI-MELDUNGEN

Recht auf Verschlüsselung und Verbot, Kryptographie zu verbieten: GI bei Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat (Deutscher Bundestag). Ende Januar fand unter Beteiligung der GI eine Anhörung im Ausschuss für Inneres und Heimat statt. Behandelt wurde ein Antrag der FDP-Fraktion, der das Recht auf Verschlüsselung fordert und die Bundesregierung dazu aufruft, die Privatsphäre im öffentlichen Raum zu stärken. Die FDP-Fraktion fordert (wie die GI seit langem) unter anderem, Verschlüsselungstechnologien voranzutreiben und das Ausnutzen von Sicherheitslücken in Software zu ächten. Außerdem spricht sie sich gegen Beschränkungen oder Verbote kryptographischer Sicherheitssysteme aus. Als Fachexperten geladen waren u.a. GI-Präsident Federrath und Michael Meier aus dem GI-Fachbereich SICHERHEIT.  weiterlesen

Informatikerin Dorothea Wagner Vorsitzende des Wissenschaftsrates (SWR). Dorothea Wagner, Trägerin der Konrad-Zuse-Medaille und GI-Fellow, ist vom Wissenschaftsrat zur Vorsitzenden gewählt geworden. Der Wissenschaftsrat ist das wichtigste wissenschaftliche Beratungsgremium in Deutschland und berät Bund und Länder bei der Förderung und Weiterentwicklung der Wissenschaft in Deutschland. Wir gratulieren!  weiterlesen

GI-Präsidium zu Bildung, digitaler Souveränität und Data Science. Im Januar hat sich das neue GI-Präsidium unter dem neuen Vorstand in Bonn konstituiert und Themen identifiziert und bearbeitet, die sowohl die GI als Fachgesellschaft als auch die Gesellschaft als Ganzes voraussichtlich in den nächsten Jahren umtreiben werden.  weiterlesen

Leitlinien zur Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit verabschiedet. Das GI-Präsidium hat in seiner Januarsitzung sowohl ein Positionspapier als auch Leitlinien zur Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit verabschiedet. Es setzt damit ein Zeichen für eine gleichberechtigte Teilhabe aller und fordert Informatikerinnen inner- und außerhalb der GI auf, sich für die Förderung und Sichtbarkeit von Mädchen und Frauen in der Informatik einzusetzen.  weiterlesen

Studierende und Auszubildende auch im Jahr 2020 beitragsfrei im GI-Fachbereich „Künstliche Intelligenz“ (KI). Der GI-Fachbereich KI hat beschlossen, Studierenden, Auszubildenden, Schülerinnen und Schülern auch in diesem Jahr die Mitgliedschaft im Fachbereich zu sponsern. Damit erhalten sie, wenn sie Mitglied im Fachbereich werden, den Jahrgang 2020 der Zeitschrift „Künstliche Intelligenz“ kostenfrei geliefert und können in zahlreichen Fachgruppen mitarbeiten.  weiterlesen

FUNDSTÜCK

Der Schein trügt: eine Frage der Genauigkeit. Maschinelle Lernverfahren erledigen immer mehr Aufgaben mit atemberaubender Präzision: „Linguistische Analyse kann eine Psychose genau vorhersagen“, „KI-getriebene Scans können Menschen mit dem Risiko eines tödlichen Herzinfarkts fast ein Jahrzehnt im Voraus identifizieren“ und „Diese KI hat gelernt, Kriminelle anhand ihres Gesichts zu erkennen“ konnten Sie in den vergangenen Monaten in den Schlagzeilen lesen. Tatsächlich haben sich die Autorinnen und Autoren dieser Beiträge an der Nase herumführen lassen. In den wissenschaftlichen Artikeln ist in den genannten Fällen zwar in der Tat von einer hohen „Genauigkeit“ die Rede – gemeint ist damit aber etwas anderes als im Volksmund. Unser Fundstück zeigt an Beispielen, wie es zur Verwirrung kommt und warum „Data Literacy“ so wichtig ist.   Zum Fundstück (scientificamerican.com, engl.)

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 256 des GI-Radars. Zusammengestellt hat sie Dominik Herrmann – selbstverständlich wie immer mit allerhöchster Genauigkeit. Die Mitteilungen hat GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 21. Februar 2020.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.