GI-Radar 311: Transparenz im Datenschutz

 

Liebe Leserinnen und Leser,

in den Kurzmitteilungen geht es dieses Mal um die (Curry-)Wurst, insbesondere den Energieverbrauch, der auf das Teilen entsprechender Essensfotos zurückzuführen ist. Alltägliche Ärgernisse im Datenschutz greifen wir im Thema im Fokus auf. Die GI-Meldungen informieren Sie unter anderem über die GI-Mitgliedervorteile. Das Thema im Fokus ist etwas für Freunde digitaler Haustiere.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!

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Klimabilanz von Essensfotos + Chatkontrolle + Überwachung in des USA + angeblich hintertürfreie Verschlüsselung + Halbleiter + Transparenz im Datenschutz + CEPIS-Zertifikat für die GI + Bildungsangebote gesammelt + Vergünstigungen für Mitglieder + Veranstaltungs-Newsletter + Tamagochi

KURZMITTEILUNGEN

Schnell die Currywurst nach Hause mailen – hier ist nicht nur die Wurst klimaschädlich (FAZ). Das Thema Klimaschutz beherrscht nahezu alle Debatten. Allerdings ist in der Öffentlichkeit meist vom Verkehr oder der tierischen Landwirtschaft die Rede. Dass unser aller Essensfotos auch enorme Mengen an Energie verbrauchen, wird eher nicht thematisiert. Zur Diskussion über die Nachhaltigkeit der Digitalisierung trafen sich die Verantwortlichen der G7-Staaten.  weiterlesen

Chatkontrolle: ein Hintergrund zu einem strittigen Thema (ZEIT). Die EU-Kommission hat einen Entwurf vorgelegt, mit dem eine weitreichende Kontrolle zum Auffinden von Kindesmissbrauchsdarstellungen möglich sein soll. Was auf den ersten Blick sinnvoll scheint, birgt bei näherer Betrachtung diverse inhaltliche Unklarheiten, technische Widersprüchlichkeiten und weitreichende Eingriffe in die vertrauliche Kommunikation.  weiterlesen

Massenüberwachung in den USA: Zoll- und Einwanderungsbehörde (ICE) sammelt Versorgungsverträge und Führerscheindaten (Netzpolitik). Das Center of Privacy & Technoly aus Georgia hat eine Studie über die Ausgaben der US-Regierung für Datensätze zur Lokalisierung der Bürgerinnen und Bürger vorgestellt. Anhand der unterschiedlichen Datensätze lassen sich laut der Studie drei Viertel der Bevölkerung lokalisieren.  weiterlesen

Neue Verschlüsselungstechniken angeblich ohne Hintertür (heise). Verschlüsselung dient dazu, Dokumente, Telefonate, Kommunikation und anderes verlässlich zu schützen. Allerdings haben Geheimdienste ein Interesse daran, trotzdem auf entsprechende Daten zuzugreifen. Nun entwickeln die USA eine Verschlüsselung, die angeblich keine Hintertüren hat. weiterlesen

Chip-Mangel, Halbleiterkonjunktur und Geldanlage (Wirtschaftswoche). Der derzeitige Chipmangel verteuert digitale Geräte und bringt manche Projekte in Bedrängnis. Doch der Blick auf Halbleiter in turbulenten wirtschaftlichen Zeiten ist interessant: was gestern noch galt, gilt heute nicht mehr, und der Blick in die Zukunft mag schon wieder ganz anders ausfallen. Ein kleiner Informatikbaustein mit großen Auswirkungen.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Transparenz im Datenschutz: mehr technische Analysen nötig. Für einen angemessenen Datenschutz ist es wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, welche Daten über sie von wem zu welchen Zwecken verarbeitet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Dienstanbieter Transparenz schaffen, also „[…] präzise, leicht zugänglich und verständlich sowie in klarer und einfacher Sprache […]“ informieren (Erwägungsgrund 58 DSGVO, dsgvo-gesetz.de).

In der Praxis wird dieses Ziel oft halbherzig umgesetzt. Datenschutzerklärungen werden beispielsweise oft aus umfangreichen Standardtextbausteinen zusammengestellt, die alle möglichen – aber eben auch für die konkrete Seite irrelevanten – Eventualitäten abdecken. Dabei kommen schnell mehr als 5000 Wörter zusammen, also mehr als das Dreifache dieser Ausgabe des GI-Radars. Kein Wunder, dass die wenigsten Menschen sich vor der Nutzung eines Dienstes diese Texte durchlesen (heise.de und cranor.org).

Immer wieder wird argumentiert, dass der Ansatz einer möglichst präzisen Information des Individuums für eine angemessene Umsetzung des Datenschutzes nicht (mehr) zielführend sei (iit.edu, cgdev.org). In der Tat gibt es kein Informationsdefizit – im Gegenteil: wir werden viel zu kleinteilig informiert und kommen nicht mehr hinterher. Auch kurz und prägnant aufbereite Informationen, etwa in gut umgesetzten „Cookie-Bannern“, werden ignoriert. In einer kürzlich veröffentlichten Studie hat die Mehrheit der Teilnehmenden solche Banner sofort mit „Alles akzeptieren“ weggeklickt (acm.org). Als Grund nannten viele, dass sie einfach so schnell wie möglich zur Webseite gelangen wollten.

Hätten diese Menschen mehr Zeit in die Entscheidung investiert, wenn man ihnen erklärt hätte, dass durch „Alles akzeptieren“ eine weitreichende Auswertung ihres Surfverhaltens erfolgt? Wohl kaum. Es erscheint widersinnig, Individuen täglich Dutzende Entscheidungen aufzubürden, die sie überfordern. Ein Ausweg wäre eine wesentlich strengere Regulierung des erlaubten Verhaltens. Die Aufsichtsbehörden sind allerdings schon mit der Durchsetzung des aktuell geltenden Rechts überfordert.

Unter der Haube konnten sich daher problematische, teilweise illegale Geschäftsmodelle etablieren, etwa das sog. Real-Time–Bidding: Jede Person, die Webseiten oder Apps nutzt, nimmt mit ihren Daten heute im Schnitt mehr als 300 mal pro Tag an vollautomatisch ablaufenden Auktionen teil (iccl.ie). Warum bezahlen Analytics–Dienste aus der ganzen Welt Geld dafür? Sie buhlen um ein kostbares Gut, unsere Aufmerksamkeit (berkeley.edu).

Um das Ausmaß solcher Praktiken zu untersuchen und Fehlverhalten zu identifizieren, helfen Erläuterungstexte und Einwilligungen nur bedingt. Es braucht mehr systematische und automatisierte technische Analysen des tatsächlichen Verhaltens von Web- und App-Angeboten.

Zuletzt fand etwa ein umfangreicher Scan Tausende von Webseiten mit „Leaky Forms“, also Eingabefeldern, deren Inhalt unbemerkt von Analysediensten ausgelesen wird (kuleuven.be und zeit.de) – in vielen Fällen ein klarer Rechtsverstoß, der abgestellt wurde, nachdem die Anbieter von den Forschenden darauf hingewiesen wurden.

In einer anderen Studie wurden mehrere Tausend Web-Anbieter aus Deutschland darauf hingewiesen, dass sie auf ihrer Seite den Dienst Google Analytics nicht rechtskonform einsetzen (usenix.org). Viele Anbieter stellten das Problem daraufhin ab, indem sie die Konfiguration anpassten. Ein Drittel der betroffenen Anbieter entschied sich hingegen dazu, Google Analytics gleich komplett abzuschalten. Kein Wunder: etliche Anbieter gaben an, dass sie bis zur Benachrichtigung gar nicht wussten, dass Google Analytics auf ihren Seiten eingebunden war. Dort hat also nur Google von den gesammelten Daten profitiert.

Das Design solcher Benachrichtigungsstudien ist zeitaufwändig und fehleranfällig (Best Practices: acm.org). Wie die Beispiele zeigen, kann die Durchführung jedoch durchaus einen Beitrag zur Verbesserung des Datenschutzes leisten. Noch effektiver wären sicherlich Benachrichtigungen, die von Aufsichtsbehörden verschickt werden. Daher sollten wir darauf hinwirken, dass ihnen zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden.

Diesen Beitrag hat Dominik Herrmann geschrieben. Weil Transparenz nicht nur im Datenschutz, sondern auch bei der Berichterstattung wichtig ist, möchte er Sie darauf hinweisen, dass er an der Studie zu Google Analytics und den Best Practices beteiligt war.

GI-MELDUNGEN

CEPIS zeichnet GI für ihre Aktivitäten zur Frauenförderung mit dem Gold-Status aus. Der europäische Dachverband für die Informatikfachgesellschaften CEPIS hat der GI den Goldstatus der DiversIT-Charta verliehen. Damit würdigt CEPIS die Politik der GI, Frauen zu fördern, sichtbarer zu machen und zu unterstützen.  weiterlesen

GI veröffentlicht Datenbank zu Bildungsangeboten rund um die Themen Nachhaltigkeit und Informatik. Dass auch in der Informatik Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema ist, das gerade jungen Menschen unter den Fingern brennt, ist seit den Klimademonstrationen bekannt. Allerdings ist das Auffinden relevanten und speziellen Materials nicht immer leicht. Die GI hat deshalb innerhalb ihres Projektes #hackthesummer einen entsprechenden Materialfinder zusammengestellt.  weiterlesen

Vergünstigungen für GI-Mitglieder, heute: das Linux-Zertifikat. Die GI bietet ihren Mitgliedern neben dem fachlichen Netzwerk eine Reihe von fachrelevanten Vergünstigungen. Unter anderem können Sie als GI-Mitglied Linux-Prüfungen zu besonderen Konditionen ablegen. Die Details dazu und weitere Mitgliedervorteile haben wir hier verlinkt.  weiterlesen

Schneller Überblick über GI-Veranstaltungen: neuer Newsletter. Die GI organisiert mehr als 200 Workshops, Tagungen, Regionalgruppenvorträge, Webtalks etc. im Jahr, von denen Sie wahrscheinlich nur einen Bruchteil mitbekommen. Um Ihnen zu zeigen, was es alles an interessanten Dingen gibt, haben wir einen neuen Newsletter entwickelt, der Ihnen alle vier bis sechs Wochen einen Überblick über kommende GI-Veranstaltungen gibt. Sie können ihn im Mitgliederbereich unter „Stammdaten“ abonnieren. Das erste Exemplar für den ersten Eindruck finden Sie hinter dem Link.  weiterlesen

 

Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Gerade hat Golem unsere Pressemitteilung zur Chatkontrolle ausführlich aufgegriffen. Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues oder auch ältere Fundstücke.

FUNDSTÜCK

25 Jahre Tamagochi: ein Plastikei als Vorreiter der Mensch-Maschine-Interaktion für alle (Spiegel). Es weint, jammert, lacht, bellt, macht Häufchen und will Aufmerksamkeit. Ein Baby? Ein Hund? Nein, ein interaktives Wesen, das für viele Menschen vor einem Vierteljahrhundert zu einem ständigen Begleiter geworden ist. Ersonnen von einer Japanerin, die japanischen Kindern den Traum vom Haustier erfüllen wollte – ohne dass dieses durch die kleine Wohnung läuft, Krach macht oder haart. Einige Zeit erfreuten sich die kleinen Plastikwesen großer Beliebtheit. Mittlerweile haben Apps ihre Funktion übernommen.  Zum Fundstück (spiegel.de)

Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 311 des GI-Radars. Zusammengestellt hat sie Dominik Herrmann, der echte Haustiere einem Tamagochi vorzieht – zumindest wenn sie schnurren. GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die Mitteilungen und Meldungen zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 3. Juni 2022.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.