GI-Radar 316: Datenschutzdilemma Smart Home

 

Liebe Leserinnen und Leser,

um Online-Dating geht es dieses Mal unter anderem in den Kurzmitteilungen. Das Thema im Fokus dreht sich um Datenschutzfragen im Smart Home. In den GI-Meldungen stellen wir Ihnen den neuen „PAK Digitalisierung“ vor. Mit dem Fundstück können Sie vielleicht andere für Informatik begeistern.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!

auf gi-radar.de weiterlesen

Maschinelles Lernen als Energiefresser + Kindernamen und Computerprogramme + souveräne Raumfahrt + Online-Dating + Digitalgesetz in Bayern + Datenschutzdilemma Smart Home + Digitale Bibliothek der GI + Grand Challenges 2025 + über 30 Workshops auf der INFORMATIK 2022 + PAK Digitalisierung + Computer Science Unplugged

KURZMITTEILUNGEN

Maschinelles Lernen: Beitrag zum Klimaschutz oder eher das Gegenteil? (ZEIT) Der Einsatz von KI-Anwendungen oder maschinellem Lernen wird häufig als signifikanter Beitrag zum Klimaschutz bewertet. Möglicherweise kann aber der CO2-Abdruck einer KI-Anwendung den CO2-Ausstoß eines Autos um ein Vielfaches übertreffen. So einfach ist es also nicht. Wo KI wirklich nützlich ist und wie sie „grün“ werden kann, ist ein interessantes Forschungsthema. weiterlesen

Kinder müssen nicht wie ein Computerprogramm heißen (Spiegel). Sicherlich nicht ohne Hintersinn haben manche Computerprogramme sprechende oder sogar menschlich anmutende Namen. Anscheinend sind manche dieser Namen so attraktiv, das Eltern ihr Kind entsprechend rufen möchten. Dass es für ein Kind jedoch nicht unbedingt lustig ist, wenn andere Kinder es plötzlich als Suchmaschine ansehen, hat nun ein Gericht entschieden.  weiterlesen

Souveränität der europäischen Raumfahrt (SZ). Satellitenbilder von Kriegsgebieten oder Klimadaten: die Raumfahrt ist wichtiger, als manch eine Schlagzeile der letzten Monate vermuten lässt. Industrieverbände fordern deshalb eine Aufstockung des Raumfahrtbudgets in Deutschland sowie einen europäischen Schulterschluss, um die Souveränität Europas im All zu erhalten. weiterlesen

Online-Dating: wie seit rund 60 Jahren der Rechner Beziehungen stiftet (taz). Das Gegenüber im Netz zu finden, ist heute selbstverständlich. Doch wer weiß schon, dass bereits Ende der Fünfzigerjahre Übereinstimmungen in Profilen von Liebessuchenden per Rechner abgeglichen wurden? Mittlerweile braucht es dazu nicht mehr als eine App auf dem Handy. Nahezu ein Viertel hat in Deutschland das Gegenüber mittlerweile online gefunden.  weiterlesen

Digitalgesetz in Bayern als Vorreiter für den Bund? (SZ). Dass der Stand der Digitalisierung in Deutschland nicht unbedingt der beste aller denkbaren ist, bestreitet wahrscheinlich niemand. Bayern versucht jetzt, mit einem „Digitalgesetz“ die unterschiedlichsten Dinge zu regeln: Bildung, Verwaltung, Sicherheitsthemen. Ob solch ein Gesetz umfassend und sinnvoll ist und möglicherweise sogar als Blaupause für den Bund dienen kann, muss sich erweisen.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Datenschutzdilemma Smart Home. Smart Home-Geräte finden eine immer weitere Verbreitung, und dieser Trend wird sich voraussichtlich in den kommenden Jahren fortsetzen (bitkom.org). Dabei handelt es sich um unterschiedlichste Geräte wie z.B. IP-Kameras, smarte Türschlösser, intelligente Küchengeräte, digitale Heizungssteuerungen, IP-basierte Alarmanlagen oder Smart-TV-Geräte. Durch die Vernetzung dieser Geräte und die bequeme Steuerung per mobiler Anwendung tragen Smart Home-Geräte dazu bei, unser Leben bequemer zu machen. Allerdings steigen hierdurch auch Risiken, die beispielsweise die Informationssicherheit und den Datenschutz betreffen. So könnten Angreifende schlimmstenfalls über ans Internet angeschlossene Geräte unautorisiert Zugang zum Heimnetz erhalten, wenn entsprechende Sicherheitslücken in der Software existieren. Aber auch aus der räumlichen Nähe sind beispielsweise über unsichere Implementierungen von Funkprotokollen Angriffe denkbar. Darüber hinaus ist oft unklar, ob und welche Daten an Hersteller oder Drittanbieter (z.B. über die Anwesenheit in der Wohnung und Verhaltensweisen der Nutzerinnen und Nutzer) abfließen.

Kompliziert wird die Thematik insbesondere dadurch, dass sehr unterschiedliche Geräte, die darüber hinaus diverse Formen von Kommunikationstechnologien (z.B. Bluetooth LE, WiFi, ZigBee, Z-Wave, Homematic IP, MQTT, HTTP(S)) verwenden und von verschiedensten Herstellern stammen, im Smart Home miteinander verbunden sind. Für Nutzende sind somit weder die Bedrohungslage noch die bereits existierenden Sicherheits- und Datenschutzmaßnahmen klar. Aber selbst wenn Nutzende geeignete Kenntnisse in diesem Bereich aufweisen und eine entsprechende Transparenz sichergestellt werden kann, stellt sich noch immer die Frage, ob sie motiviert werden können, sicher in diesem Umfeld zu handeln.

Aus diesem Grund ist ein holistischer Ansatz für den Datenschutz und die Informationssicherheit für das Smart Home wünschenswert, bei dem Nutzende, die ja solche Systeme in ihrem Heim einsetzen, im Fokus stehen. In einem solchen Ansatz werden Methoden der Mensch-Technik-Interaktion (engl. human-computing interaction, HCI) mit dem juristischen sowie lern- und motivationspsychologischen Aspekten verknüpft. Um Informationsflüsse im Smart Home transparent darzustellen, lässt sich beispielsweise Augmented Reality (AR) einsetzen, d.h. die reale Welt, hier die Geräte im Heimnetz, wird durch virtuelle Elemente mit Zusatzinformationen angereichert. Hierdurch können Datenflüsse im Smart Home und hinaus ins Internet dargestellt werden, um ggf. Datenschutzverletzungen zu erkennen. Auch werden so ungesicherte Verbindungen oder Geräte, die Software mit Sicherheitslücken enthalten, angezeigt. Durch den Einsatz von AR sollen Nutzende auf diese Weise eine geeignete Datenschutzsicht auf ihr eigenes Smart Home erhalten.

AR-basierte Anwendung auf Basis einer Anforderungsanalyse. Die Arten von Diensten, die Smart Homes Nutzenden anbieten, können nach ihren Bedürfnissen oder nach der Art von technischen Anwendungen gruppiert werden. Um die Daten der Nutzerinnen und Nutzer sicher zu verarbeiten und Datenschutzverletzungen zu verhindern, sollten die Anbieter von Smart Homes eine Reihe von Datenschutz- und IT-Sicherheitsanforderungen erfüllen. Allerdings erfolgen all diese Anforderungen nicht automatisch, und Nutzende sollten darüber informiert werden und vor allem mittels geeigneten Smart Home-Schnittstellen Entscheidungen treffen. Daher sollten Entwicklungsteams Anforderungen wie Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit in einem nutzerzentrierten Designansatz berücksichtigen. Durch den Einsatz von HCI-Methoden wie Gamification und Augmented Reality (AR) sollen Nutzende dazu motiviert werden, auch ihr Nutzungsverhalten zu verändern, wenn sie mit datenschutzrelevanten Informationen in einer benutzerfreundlichen und visuellen Form konfrontiert werden.

Motivationspsychologische Aspekte. Ein zentraler, die Relevanz von Motivation für den individuellen Datenschutz aufzeigender Aspekt ist die Kluft zwischen dem, was Smart Home-Nutzenden eigentlich wichtig ist an Privatheit zu schützen, und dem, was sie durch ihr Nutzungsverhalten aber tatsächlich an Datenzugriffen erlauben („Privacy Paradoxon“). Diese paradoxen Befunde können durch motivationspsychologische Aspekte in Einklang gebracht werden, um letztendlich das gewünschte Niveau der eigenen Privatsphäre zu erreichen. Eine etablierte Einflussgröße aus der Motivationsforschung ist hier zum Beispiel das Vertrauen gegenüber den Standardeinstellungen von Smart Home-Geräten. Fühlen sich Nutzende in der Lage, Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen, und ziehen eine realitätsnahe Skepsis als Vertrauensbasis für voreingestellte Datenzugriffe heran, wird die Informationssicherheit im Smart Home signifikant kohärenter mit den eigenen Wünschen.

Juristische Aspekte. Auch in rechtlicher Hinsicht bringen vernetzte Smart Home-Strukturen verschiedene Herausforderungen mit sich. Dabei sind weder „Smart Home“ noch „IoT“ juristisch definierte Begriffe. Gleichwohl haben sie unter vielerlei Gesichtspunkten eine erhebliche rechtliche Relevanz, die sowohl das Zivilrecht (z.B. zu Fragen der Haftung für „intelligente Produkte“, zu Fragen der Vertragsgestaltung im IoT, zur Herstellerhaftung für nicht datenschutzkonforme Produkte, zur intelligenten Wohnung und rechtserheblichen Erklärungen sowie zur Verwendung von sog. „Dash Buttons“ (verbraucherzentrale.de) unter Gesichtspunkten des Verbraucherschutzrechts), das öffentliche Recht mit klassischen datenschutzrechtlichen Fragestellungen (z.B. zum Produktdatenschutz und zur Verantwortung zwischen Herstellern und Anbietern sowie zum Datenschutz von Kindern und zur IT-sicherheitsrechtlichen Verantwortung) und im weitesten Sinne auch das Strafrecht (beispielsweise unter dem Gesichtspunkt des Datenzugriffs auf Smart Home-Systeme, intelligente Geräte und IoT-Produkte zu Ermittlungszwecken) betreffen und teils kontrovers diskutiert werden. Viele der gegenwärtig erörterten juristischen Probleme sind dabei noch ungelöst. Diese Vielzahl von möglichen Anwendungsszenarien, in Verbindung mit dem Fehlen einer kodifizierten juristischen Regelung, erschwert für Anbieter nicht nur die Compliance, sondern setzt die Verbraucherinnen und Verbraucher zusätzlichen Risiken aus. Eine weitere juristische Herausforderung für Smart Home und IoT stellt der Transfer von personenbezogenen Daten in das Nicht-EU-Ausland dar, soweit Cloudserver außerhalb der EU eingesetzt werden.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes UsableSec@Home. Vielen Dank an Mehrdad Bahrini und Karsten Sohr (Digital Media Lab der Universität Bremen), Dennis-Kenji Kipker (Certavo GmbH), Malte Elson und Nele Borgert (Ruhr-Universität Bochum) und Marcus-Sebastian Schröder (neusta mobile solutions GmbH).

GI-MELDUNGEN

GI-Tagungen in der Digitalen Bibliothek veröffentlichen. Als Service für ihre Gliederungen bietet die GI eine eigene Digitale Bibliothek an, in der GI-Publikationen schnell und unkompliziert erscheinen können, bei Bedarf inklusive DOIs. In der Proceedings-Reihe finden sich darüber hinaus alle bereits erschienenen Tagungsbände als open access. Schauen Sie rein, was die GI alles an Veranstaltungen bietet und dokumentiert.  weiterlesen

INFORMATIK 2022: über 30 Workshops. Die Anmeldung zur INFORMATIK 2022 ist geöffnet und das Programm steht. In über 30 Workshops stellen wir die ganze Breite der Informatik dar und bieten dem Austausch zwischen Fachleuten und Interessierten einen breiten Raum. Ein Überblick findet sich hier.  weiterlesen

PAK Digitalisierung nimmt Arbeit auf. In seiner letzten Sitzung hat das GI einen Präsidiumsarbeitskreis (PAK) zum Thema „Digitalisierung“ eingesetzt, um das Thema der Digitalisierung aus unterschiedlichen Perspektiven auf Herausforderungen, Risiken und Potenziale für Informatik und Gesellschaft zu durchleuchten, dafür notwendige Steuerungsmöglichkeiten zu diskutieren und entsprechende Vorschläge zu erarbeiten. Weitere Informationen finden Sie hier.  weiterlesen

 

Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel? Dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues oder auch ältere Fundstücke.

FUNDSTÜCK

Informatik begreifen und lehren ohne Computer: geht das? Wenn es um Informatik in der Schule geht, ist häufig die erste Frage „Gibt es ein WLAN und haben alle Tablets?“. Die Webseite „Computer Science Unplugged“ geht mit einem völlig anderen Ansatz an die Vermittlung von Grundsatzfragen der Informatik heran. Beispielsweise lernen Kinder anhand von mit Kreide auf dem Schulhof aufgezeichneten Rastern, wie Sortiernetzwerke funktionieren. Automaten werden anhand von Schaumstoff-Artefakten verdeutlicht. Neben der körperlichen Erfahrbarkeit und der Vermittlung der Notwendigkeit der Gruppenarbeit will Computer Science Unplugged auch Menschen ohne Zugang zu Hard- und Software die Grundideen informatischer Prinzipien verdeutlichen. Und Spaß macht es obendrein. Zum Fundstück (csunplugged.org)

Dieses Fundstück hat uns Debora Weber-Wulff empfohlen. Vielen Dank dafür! Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 316 des GI-Radars. Zusammengestellt wurde diese Ausgabe von Dominik Herrmann – und zwar ganz ohne die Hilfe von Smarten Assistenten. GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die Mitteilungen und Meldungen zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 12. August 2022.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.