GI-Radar 310: Tracking

 

Liebe Leserinnen und Leser,

die Big Brother Awards wurden verliehen – unter anderem an einige Bundesbehörden (Kurzmitteilungen). Das Thema im Fokus befasst sich mit der Technik des Trackings, die sich in unserem Alltag ausbreitet. In den GI-Meldungen erfahren Sie unter anderem, wer den informatiCup 2022 gewonnen hat. Das Fundstück ist etwas für Open-Office-Fans.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!

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Big Brother Award + Digitale Versorgung-Gesetz + maschinelle Übersetzung + Vorratsdatenspeicherung + Hackbacks + Tracking + Informatik erklären + Informatik Spektrum + SICHERHEIT 2022 + InformatiCup + 20 Jahre Open Office

KURZMITTEILUNGEN

Big Brother Award an Bundesbehörden (ZEIT). Gemeinhin sind Preise etwas, auf das man stolz sein darf. Den Big Brother Award hingegen dürfte niemand gerne entgegennehmen. In diesem Jahr hat die Initiative Digitalcourage unter anderem das BKA und die Bundesdruckerei für ihren suboptimalem Umgang mit personenbezogenen Daten ausgezeichnet. weiterlesen

Klage gegen das „Digitale Versorgung-Gesetz“ (DGV) zur Weitergabe von Gesundheitsdaten (Spiegel). Das DGV regelt, dass Daten von Patientinnen und Patienten pseudonymisiert zu Forschungszwecken zentral gespeichert und verarbeitet werden dürfen. Hiergegen regt sich Widerstand, Klagen sind angekündigt. weiterlesen

EU-Rat eruiert maschinelle Übersetzung für Forschungsergebnisse (Forschung und Lehre). Die Wissenschaftssprache ist seit Langem englisch. Dennoch werden nach wie vor viele Forschungsergebnisse in Landessprachen publiziert. Der Rat der EU regt nun an, Forschungsergebnisse KI-gestützt übersetzen zu lassen, um sie weithin nutzbar zu machen.  weiterlesen

Portugiesisches Gericht kippt Vorratsdatenspeicherung (heise). Das Thema Vorratsdatenspeicherung polarisiert seit Jahren. In Europa sind die Länder angehalten, europäische Regelungen in nationale Gesetze zu überführen. In Portugal ist das entsprechende Gesetz nun gekippt worden. Auch in Deutschland und anderen Ländern liegen die nationalen Gesetze auf Eis und werden beraten. weiterlesen

Innenministerin Faeser spricht sich gegen „Hackbacks“ aus (Golem). Kann, darf, soll man sich gegen Cyberangriffe mit Gegenangriffen wehren (dürfen)? Hier gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten. Nachdem das Innenministerium diese Frage vor Kurzem noch bejaht hat, stellt sich die Situation nun anders dar.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Track me, 'cause you can. Tracker kommen in unterschiedlichsten Formen und Funktionsweisen vor. Fitnesstracker (aerzteblatt.de) messen und protokollieren den Tagesverlauf. Webtracker verfolgen und protokollieren das Surfverhalten. GPSTracker errechnen und protokollieren die Position. Trotz der vermeintlichen Unterschiede gibt es eine klare Gemeinsamkeit: Tracker erfassen und dokumentieren Werte.

Entwicklungsteams und Hersteller der Tracker arbeiten dabei stets die Vorteile dieses Prinzips des Erfassens und Dokumentierens heraus. Denn es dient selbstredend als Verkaufsargument. Wer seinen Tagesverlauf (krankenkassen.de) tracken lässt, lebt angeblich gesünder (tk.de). Wer sein Surfverhalten tracken lässt, bekommt passgenauere Inhalte präsentiert. Wer den Aufenthaltsort tracken lässt, findet verloren geglaubte Gegenstände wieder. Diese Narrative sind überzeugend, denn alle wollen gesünder leben, weniger Trivialitäten im Web sehen oder das neue Smartphone nicht ersetzen müssen.

Der nächste Evolutionsschritt bei Trackern sind kleine autonome Module. Sie ermitteln auf teilweise sehr unterschiedliche Art und Weise die aktuelle Position, etwa per GPS, Bluetooth oder Triangulation. Ein GPSTrackingModul im Fahrrad versorgt Eigentümerinnen und Eigentümer von Fahrrädern im Falle eines Diebstahls mit der Information, wo das Fahrrad sich gerade befindet. Andere Module lassen sich wiederum an Rucksäcken oder Schlüsselbunden befestigen, um diese im Fall des Verlusts schnell wiederzufinden.

Allerdings sind diese kleinen Module nicht nur auf den eigentlichen Einsatzzweck beschränkt. So lassen sich GPSTracker sowohl in Tierhalsbändern (stadt-bremerhafen.de) und Versandpaketen platzieren (notebookcheck.com), im Cockpit des eigenen Fahrzeugs (verbraucherzentral.de) oder im Radkasten fremder Fahrzeuge ankleben, am eigenen Rucksack oder dem der Kinder anbringen (zeit.de). Im ersten Fall ist es jeweils die eigene Entscheidung, das Tracking zu erlauben (handelsblatt.com). Im zweiten Fall kommt die Technologie missbräuchlich zum Einsatz.

Mit dem GPSTracker im Versandpaket ist es dem Absender möglich, nicht nur den Standort des Paketes nachzuverfolgen, sondern die verschiedenen Aufenthaltsorte und Bewegungszeiten des Zustelldienstes (notebookcheck.com). Für den Tracker im Radkasten des Fremdfahrzeugs gilt dasselbe. So lässt sich etwa schnell die Wohnanschrift oder die Arbeitsstelle des Fahrzeugeigentümers ermitteln. Und im Rucksack oder der Handtasche einer fremden Person lässt sich eine nahezu lückenlose Überwachung sicherstellen.

Welche Ausmaße und Konsequenzen das haben kann, zeigen unterschiedliche Berichte aus den vergangenen Jahren. Für erstmals große Aufregung sorgte ein soziales Netzwerk zum internetbasierten Tracking sportlicher Aktivitäten. Angestellte der USStreitkräfte trugen ihre Fitnesstracker, joggten um ihre Basis und luden die Daten dann automatisch hoch (tagesspiegel.de). Dadurch verrieten sie unwissentlich den Standort geheimer Stützpunkte ebenso wie ihren persönlichen Tagesablauf. Beides Informationen, die für einen militärischen Gegner einen hohen Wert sowie Nutzen haben (theguardian.com). Entsprechend setzten die USStreikräfte einige Monate später ein Verbot durch (spiegel.de).

In den letzten Jahren mehrten sich die Berichte über Stalking (heise.de), bei dem einzelne Personen durch die neuen, kleinen Tracker explizit verfolgt wurden (netzpolitik.org) und ihnen aufgelauert werden konnte. Dieses strafbare Verhalten dürften die meisten ablehnen und selbst niemals anwenden (stopstalkware.org). Den Stalkenden ist es aufgrund des Trackingsprinzips und der seitens der Hersteller erarbeiteten User Experience ein Leichtes, die Technologie missbräuchlich einzusetzen.

Im Rahmen des Angriffskriegs auf die Ukraine kommt nun aber ein weiterer Aspekt zum Tragen. Dieser lässt sich einerseits als Stalking betrachten, andererseits auch als willkommene Unterstützung für die ukrainische Bevölkerung und deren Streitmächte. Die plündernden Invasoren steckten zahllose Smartphones und Laptops ein, die sie in Haushalten und Geschäften fanden (gizmodo.com). Die Eigentümerinnen und Eigentümer dieser Geräte aktivierten wiederum die Lokalisierungsfunktion der Geräte, mit dem Ergebnis, dass sie die Bewegungen der Invasoren nachvollziehen konnten und sich ein taktischer Vorteil herausarbeiten ließ (heise.de).

Diesen Beitrag unser Mitglied Mark Lubkowitz beigesteuert, der als Journalist und IT-Consultant tätig ist. Sein Fokus liegt dabei auf der Architektur und Entwicklung von webbasierten betrieblichen Informationssystemen. Zudem setzt er sich kritisch mit Technologien auseinander, recherchiert Entwicklungen und erarbeitet Strategien.

GI-MELDUNGEN

Was Sie (oder Ihre Kinder) schon immer über Informatik wissen (oder erklären) wollten ... GI-Initiative FAQinf am Start. Was für GI-Mitglieder selbstverständlich ist, ist es für viele wahrscheinlich nicht: Basiswissen über Informatik, Fragen wie „warum geht das nicht, bzw. wie geht das“. Eine GI-Initiative sammelt in Kooperation mit dem Fraunhofer ISI Fragen von Jugendlichen rund um das Thema Informatik und veröffentlicht verständlich aufbereitete Antworten dazu. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge!  weiterlesen

Das neue Informatik Spektrum ist da. In dieser Ausgabe geht es unter anderem um die Themen Digitale Souveränität, maschinelles Lernen und Gesundheit in Zeiten der Digitalisierung. Die Einzelartikel finden sich in der Digitalen Bibliothek, das komplette Heft haben wir zum Herunterladen hier bereitgestellt.  weiterlesen

SICHERHEIT 2022: Rückblick auf die Tagung. Lange vermisst, oft simuliert und jetzt tastend neu erobert: Präsenzveranstaltungen. Im April fand die Tagung des GI-Fachbereichs SICHERHEIT in Karlsruhe statt. Einen bewegten Rückblick gibt es hier.  weiterlesen

informatiCup 2022: die Ergebnisse. Am Montag präsentierten sich die drei ausgewählten Teams live der Jury und dem Publikum mit ihren Lösungen zur diesjährigen Informatikaufgabe. So unterschiedlich die Teams, so unterschiedlich die Lösungen. Dennoch einigte sich die Jury und wählte das Team aus Heidelberg aus. Aber auch die anderen Teams überzeugten, sodass es im Prinzip nur Gewinnerinen und Gewinner gibt. Details zum Wettbewerb, dem Ergebnis und den aufgezeichneten Stream gibt es hier.  weiterlesen

 

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FUNDSTÜCK

Wie Open Source-Begeisterte versuch(t)en, Monopole zu untergraben: 20 Jahre Open Office. (Spiegel). Monopole und Standards sind manchmal praktisch, aber häufig auch ein Ärgernis. Als vor zwanzig Jahren Interessierte begannen, eine Standard-Bürosoftware als Open-Source-Software zur Verfügung zu stellen, hakte es noch allen Ecken und Enden, vor allem mit der Kompatibilität. Mittlerweile haben die Anwendungen allerdings einen so hohen Reifegrad erreicht, dass kommerzielle Angebote nicht mehr alternativlos sind. Ein Weg durch die Geschichte.  Zum Fundstück (spiegel.de)

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Dies war Ausgabe 310 des GI-Radars. Zusammengestellt hat sie Dominik Herrmann, dem es wichtig ist, dass das GI-Radar frei von Tracking-Techniken bleibt. GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die Mitteilungen und Meldungen zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 20. Mai 2022.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.