GI-Radar 332: Open Source

 

Liebe Leserinnen und Leser,

in unseren Kurzmitteilungen geht es in dieser Woche unter anderem um die Gestaltung des Zugangs zu elektronischer Kommunikation, die Vulkan-Files aus Russland, ein strittiges Moratorium zur KI, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz und um Vorlieben bei elektronischen Stimmen. Das Thema im Fokus widmet sich dem Konzept „Open Source“. In unseren GI-Mitteilungen suchen wir keine Ostereier, sondern Autorinnen und Autoren für das Thema im Fokus der nächsten Ausgaben. Außerdem weisen wir Sie noch einmal stolz auf unser neues Mitgliedermagazin .inf hin, stellen unser Informatikfestival 2023 in Berlin und unsere Kommentierung der Digitalisierungsstrategie des Gesundheitsministeriums vor und berichten vom Start des Projektes NFDIxCS. Das Fundstück ist ein Interview, das sich kritisch mit der leichtfertigen Digitalisierung auseinandersetzt.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe!

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Privacy be Design + Vulkan-Files + KI-Moratorium + Mittelbau an der Hochschule + Chatbot-Stimmen + Open Source + inf.de + INFORMATIK 2023 + NFDIxCS + Kritik an der Digitalisierung kritischer Infrastrukturen

KURZMITTEILUNGEN

Privacy by Design versus Lawful Access by Design: Was will man und wer will was? (heise). Soll/muss/darf Kommunikation grundsätzlich vertraulich – auch ohne jeglichen Zugriff durch Behörden – technisch implementierbar sein? Was für den einen unverzichtbar ist, ist der anderen ein Dorn im Auge. Derzeit scheint es, als zeichnete sich ein Konsens zwischen der EU- und der US-Administration zugunsten staatlicher Überwachungsmöglichkeiten ab. weiterlesen

Angriffe auf kritische Infrastrukturen: Vulkan-Files aus Russland (ZEIT). Wie destabilisiert man den Gegner? Angriffe auf kritische Infrastrukturen wie die Strom- und Wasserversorgung sind im Krieg in der Ukraine mittlerweile allenthalben zu beobachten. Nun sind Papiere eines russischen Unternehmens aufgetaucht, wie sich Züge und Flughäfen hacken lassen.  weiterlesen

Moratorium zur Entwicklung von KI-Anwendungen gefordert (taz). Techfachleute haben in einem offenen Brief gefordert, die Entwicklungen von KI-Systemen sechs Monate ruhen zu lassen und in dieser Zeit zu definieren, was verantwortbar möglich ist und was nicht. Allerdings regt sich bereits Kritik: ein Moratorium verhindere nichts und die Zeit solle sinnvollerweise zu Verbesserung und Regulierung genutzt werden.  weiterlesen

Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG): Diskussion ohne Ergebnis (Forschung & Lehre). Die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses ist in Bezug auf planbare Karrierewege in Deutschland unbefriedigend. Dieser Zustand setzt nicht nur den Betroffenen zu, sondern schadet – je nach Blickwinkel – auch der Attraktivität Deutschlands als interessantem Forschungsstandort. Um das entsprechende WissZeitVG wird nun gerungen. Eine Runde aus Wissenschaftsorganisationen hat sich an einer Lösung versucht, ein Durchbruch ist nicht zu verzeichnen.  weiterlesen

Sympathisieren mit dem Chatbot: lieber weiblich, lieber männlich? (SZ). Sympathie ist für Akzeptanz ein wichtiges Kriterium, zumal wenn das „Gegenüber“ spricht. Welche Art von Stimme bei wem wie ankommt, ist ein Thema für die Psychologie. Interessant: Chatbots mit männlicher Stimme wird mehr Kompetenz zugesprochen. Weibliche Stimmen hört man trotzdem lieber.  weiterlesen

THEMA IM FOKUS

Open Source Community unterstützen – Ja gerne, aber wie? Tagtäglich kommen wir mit freier Software in Berührung. Viele unserer smarten Telefone nutzen ein Linux-Betriebssystem. Manche smarten Uhren ebenso. Fahren wir mit unserem Auto, werkeln im Bordsystem Open-Source-Komponenten. Im Serverumfeld und in der Cloud dominieren Open-Source-Betriebssysteme wie Linux. Freie Software wird nicht nur in Forschung und Bildung verwendet, sondern auch in der Wirtschaft, im Gesundheitsweisen und in vielen weiteren Feldern.

Was ist Open-Source-Software genau? Kurz gesagt bedeutet der Begriff, dass der Quelltext eines Computerprogramms öffentlich einsehbar ist und geändert werden kann; zudem kann Open-Source-Software in der Regel kostenlos genutzt werden. Uns sind zwei Interpretationen bekannt. Die erste wird von der Free Software Foundation vertreten, die lieber von „freier Software“ spricht. Sie versteht das Konzept umfassender und bezieht soziale Aspekte mit ein. Im Unterschied dazu beschränkt sich die Open Source Initiative bei ihrer Definition auf Eigenschaften des Quellcodes. Beide Organisationen akzeptieren in etwa die gleichen Lizenzen, unter denen ein Softwareprojekt in diesem Zusammenhang stehen könnte (Open-Source-Lizenzen). Geläufiger ist aktuell jedenfalls der Begriff „Open Source“.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten sich für Open-Source-Software zu engagieren. Der Rest des Beitrags stellt eine Auswahl vor.

Unterstützung durch Benutzung. Durch die Nutzung von Open Source Software erhöht sich ihre Relevanz und ihr Marktanteil – damit einher geht eine höhere digitale Souveränität. 

Wie steigt man um, wo fängt man an? Die Antwort darauf ist anspruchsvoller, als man denken mag. Es ist lehrreich, die eigene Abhängigkeit von proprietären Produkten und Anbietern zu analysieren. Die beiden Master-Studenten Jakob Jäger und Ralf Schweifler von der Universität Würzburg haben in einem Masterprojekt ein Tool gebaut, mit dem sich die eigene Abhängigkeit anhand eines Souveränitätsscores sichtbar machen lässt – darüber hinaus werden Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen.

Ein erster Entwurf kann bereits ausprobiert werden. Noch ist der Algorithmus zur Score-Berechnung rudimentär, soll aber im Rahmen einer Masterarbeit weiter verfeinert werden. Auch sollen weitere Open-Source-Produktempfehlungen folgen. Nach Abschluss der Masterarbeit soll der Quellcode bei Opencode zur Verfügung gestellt werden. Mittelfristig soll dadurch eine Community aufgebaut werden, die gemeinsam Wissen und Erfahrung teilt und durch inhaltliche Weiterentwicklungen das Produkt weiterwachsen lässt. Rückmeldungen nimmt Prof. Dr. Wehnes entgegen.

Neben Open Source Software gibt es auch Open-Source-Hardware. Auch hier lassen sich Abhängigkeiten reduzieren. Weiterhin gibt es offene Inhalte (z.B. unter Creative-Commons-Lizenzen) und offene Daten („Open Data“). Und während der Corona-Pandemie wurde ein Open-Source-Impfstoff veröffentlicht. Dadurch konnten Impfstoffe hergestellt werden, ohne Importkosten bezahlen zu müssen. Es gibt auch Open Source Seeds, also gemeinsam nutzbare freie Saatgüter.

Unterstützung durch Finanzierung. Unterstützenswert sind sowohl Open-Source-Vereinigungen als auch einzelne Open-Source-Projekte, etwa durch das Tragen von Werbung oder finanzielle Spenden und Mitgliedsbeiträge. Verbreitet sind Crowdfunding und Micro-Crowdfunding-Mechanismen. In manchen Fällen besteht auch die Möglichkeit, Open-Source-Entwickler für die Weiterentwicklung spezifischer Komponenten zu bezahlen. Möchte man z.B. Projekte wie Wikipedia unterstützen, sollte man bedenken, dass diese auf anderen Open-Source-Projekte aufbauen, etwa PHP und MySQL. Auch diese Infrastrukturangebote benötigen Unterstützung. Im Unternehmenskontext bietet sich schließlich die Nutzung von Open-Source-Enterprise-Lösungen an, die es inzwischen bei vielen etablierten Anwendungen gibt – als Gegenleistung erhält man kompetenten und zuverlässigen Support. 

Unterstützung durch Mitarbeit. Viele lokale Open-Source-Gruppen bieten einen schnellen Einstieg und die Möglichkeit zum Austausch mit Gleichgesinnten. Ehrenamtliche Tätigkeiten vor Ort wären z.B. das Übersetzen und Korrekturlesen von Dokumentationen, das Organisieren von Veranstaltungen, das Aktualisieren des Webauftritts und die Gestaltung von Flyern und Infografiken. Auch die Erstellung von ansprechenden und informativen Online-Artikeln ist nützlich, um die Reichweite zu erhöhen.

Auch in Open-Source-Projekten gibt es viel zu tun. Es müssen Meetings organisiert sowie Workshops, Konferenzen und Veranstaltungen vorbereitet werden. Weiterhin hilft es, bei Problemen „Bug Reports“ zu schreiben und neue Anforderungen in „Feature Requests“ zu dokumentieren. Einbringen kann man sich auch bei der Erstellung von GUI-Designs und Designleitfäden oder – mit künstlerischem Talent – mit bedruckten T-Shirts oder Logo-Entwürfen.

Dokumentation ist wichtig, wird aber häufig vernachlässigt. Sollten Sie Spaß daran haben, dann schließen Sie sich doch einem Projekt an und helfen Sie mit – entweder ganz nah am Code oder durch die Dokumentation von Abläufen und Strukturen im Projekt oder durch die Erstellung von Tutorials (oder deren Übersetzung). Schriftstellerische Fähigkeiten können auch anderweitig eingesetzt werden. So bieten viele Projekte Newsletter und Blogs an, um die Community auf dem Laufenden zu halten. Das regelmäßige Bespielen und Moderieren dieser Kanäle ist zeitaufwändig, lohnt sich aber, weil es zu einer besseren Wahrnehmung eines Projekts führt. 

Falls Sie Kenntnisse in den verwendeten Programmiersprachen haben, können Sie natürlich auch an der Behebung von Fehlern oder der Weiterentwicklung mitwirken, entweder am Code des Projekts oder den verwendeten Build-Werkzeugen. Aber auch ohne Programmierkenntnisse kann man helfen, etwa indem man die Qualität von Bug Reports durch Rückfragen steigert und den Entwicklerinnen und Entwicklern dadurch Zeit spart. 

In Projekten, bei denen Daten eine große Rolle spielt, könnte man auch helfen Bilder, GPS- und GIS-Daten zusammenzutragen und aktuell zu halten. So bietet z.B. OpenStreetMap allen die Möglichkeit, das Kartenmaterial zu verbessern. Weniger bekannt sind Beteiligungsmöglichkeiten abseits der Software-Entwicklung, etwa bei Open-Source-Pflanzensorten, Open-Source-Normen oder Open Source Design House Building Kits.

Fazit und Empfehlung. Open Source ist überall. Durch unsere Unterstützung können wir eine Zukunft bauen, die unsere Digitale Souveränität steigert.

Der Beitrag wurde erstellt von Sascha Manns (Informatiker), Michel Pecchia (Software License Compliance Manager bei einem deutschen Lösungsanbieter für Elektronik), Prof. Dr. Harald Wehnes (JMU Würzburg, Institut für Informatik) und Prof. Dr. Julian Kunkel (Georg-August Universität Göttingen/GWDG). Vielen Dank!

GI-MELDUNGEN

Aufruf zur Mitarbeit am GI-Radar: spannende Texte gesucht! Sie haben es bis hierher geschafft zu lesen: wunderbar! Wollen Sie auch künftig spannende Radare mit unterschiedlichen Themen im Fokus haben? Dann brauchen wir Ihre Hilfe! Wir sind auf der Suche nach Fachleuten, die Lust haben, ihr ganz spezielles Thema einmal für uns alle kurz aufzubereiten. Und falls Sie sich fragen, ob Sie das können: es geht um etwa 1100 Worte mit einigen weiterführenden Links. Sprich: Wir erwarten keinen seitenlangen, doppelt gereviewten Artikel. Und bei Bedarf schicken wir Ihnen unser Radarhandbuch, wo im Detail beschrieben ist, was wir erwarten. Also: geben Sie sich einen Ruck und fluten Sie uns mit spannenden Texten. Wir freuen uns darauf mindestens so wie auf die Ostereiersuche! Ihr Redaktionsteam Dominik Herrmann & Cornelia Winter. redaktion@gi-radar.de

We proudly present: Das Mitgliedermagazin .inf: Sie alle haben hoffentlich in diesen Tagen unser neues Mitgliedermagazin im Briefkasten gefunden. Ja, Sie haben richtig gelesen: im Briefkasten! Unser Publikationsgesicht haben wir in der Erstauflage gedruckt und wir hoffen sehr, dass es Ihnen beim Durchblättern so viel Freude bereitet wie uns beim Erstellen. Künftig lesen Sie die .inf in erster Linie digital. Wenn Sie Papier mögen, können Sie sich für 20 Euro im Jahr die Printversion abonnieren.  weiterlesen

INFORMATIK 2023: Festival in Berlin. Designing Futures: unter diesem Motto steht die diesjährige GI-Jahrestagung, die wir als Festival in Berlin organisieren. Über vier Tage bietet die INFORMATIK 2023 gemeinsam mit den Teiltagungen KI2023 und SKILL2023 ein pralles Programm. Die Registrierung ist ab sofort geöffnet.  weiterlesen

GI kommentiert Digitalisierungsstrategie des Gesundheitsministerium (BMG). Vor einem Monat haben wir an dieser Stelle die Ideen des BMG bezüglich der elektronischen Patientenakte thematisiert. Nun hat die GI die Digitalisierungsstrategie des BMG ausführlich kommentiert. Hier geht es zur Stellungnahme.  weiterlesen

 

Kennen Sie eigentlich den GI-Pressespiegel dort sammeln wir die Berichterstattung über unsere Fachgesellschaft in Zeitungs-, Radio- und Fernsehbeiträgen. Schauen Sie rein, es gibt da immer wieder Neues oder auch ältere Fundstücke.

FUNDSTÜCK

Kritische Infrastrukturen: AG KRITIS im Interview. Die gerade veröffentlichten Vulkan-Files zeigen, wie wichtig ein solider Umgang bei der Digitalisierung kritischer Infrastrukturen ist. Manuel Atug von der AG KRITIS warnt im Deutschlandfunk-Interview vor den Gefahren unbedachter Digitalisierungsprojekte. Er betont die Relevanz von ausgereiften Systemen und einer verantwortungsvollen Herangehensweise an neue Technologien. Seiner Einschätzung nach wird die IT-Sicherheit bei der Digitalisierung in verschiedenen Sektoren vernachlässigt und es ist bedenklich, dass sich Staat und Verwaltung nicht denselben Anforderungen unterwerfen, wie die, die sie an privatwirtschaftliche Anbieter stellen.  Zum Fundstück (deutschlandfunk.de)

Dieses Fundstück hat Friedrich Steimann eingesendet – vielen Dank! Welches Fundstück hat Sie zuletzt inspiriert? Senden Sie uns Ihre Ideen!

 

Dies war Ausgabe 332 des GI-Radars vom 07.04.2023. Zusammengestellt wurde diese Ausgabe von Dominik Herrmann, der sich schon darauf freut, Sie beim nächsten Mal zu einem Repdigit-Radar (auch bekannt als Schnapszahl) begrüßen zu dürfen. GI-Geschäftsführerin Cornelia Winter hat die Mitteilungen und Meldungen zusammengetragen. Das nächste GI-Radar erscheint am 21. April 2023.

Im GI-Radar berichten wir alle zwei Wochen über ausgewählte Informatik-Themen. Wir sind sehr an Ihrer Meinung interessiert. Für Anregungen und Kritik haben wir ein offenes Ohr, entweder per E-Mail (redaktion@gi-radar.de) oder über das Feedback-Formular bei SurveyMonkey. Links und Texte können Sie uns auch über Twitter (@informatikradar) zukommen lassen.